Die Hexe ist zurück
Was für ein Spektakel! Eine halbe Stadt wird in Schutt und Asche gelegt. Es finden Kämpfe auf den Tragflächen von Kampfjets statt, die mit Hochgeschwindigkeit durch Straßenschluchten fegen. Man kämpft hoch über der Stadt gegen einen Bildschirm füllenden Boss, der sich wie eine Mischung aus King Kong und Godzilla an ein Hochhaus klammert. Bei den extrovertierten Kamerafahrten erhascht man immer wieder Blicke auf die Vorzüge der weiblichen Anatomie - nie sexistisch, aber immer dabei, die Grenzen des guten Geschmacks auszuloten. Und dann ist der Prolog vorbei. Uff! Typisch für Segas Hexe, die jetzt für Nintendo antritt: Was bei anderen Spielen das Finale darstellt, ist hier nur der Anfang einer Reise, die von Höhepunkt zu Höhepunkt jagen möchte. Und das alles nur, um Jeanne, eine weitere Hexe, aus dem Vorhof der Hölle zu befreien.
Die Gefechte sind so effektgeladen wie eh und je.
Bayonetta ist zurück. Vier Jahre hat es gedauert, bis man ein neues Abenteuer erleben durfte - eine verdammt lange Zeit. Trotz des Systemwechsels fühlt sich das Spiel mit der Umbra-Hexe aber sehr vertraut an, beinahe so, als ob sie nie weg gewesen wäre. Das beginnt mit dem Einstieg, der eine Variante dessen darstellt, was man in Teil 1 erleben durfte, wobei sogar die Einführungen der anderen Figuren wie Rodin oder Enzo sehr ähnlich verlaufen. Das geht weiter mit dem Tutorial, das genauso aufgebaut ist wie bei Bayonettas erstem Auftritt. Und das endet nicht nur beim nahezu komplett übernommenen Kampfsystem, den Upgrade-Möglichkeiten oder Nebenaufgaben, sondern auch beim Artdesign. Kenner des ersten Teiles werden es zudem leichter haben, der anfangs wirren Erzählung zu folgen. Bayonetta 2 ist eine Fortsetzung, wie sie im Buche steht.
Die Last des Vorgängers
Zwar mit kurzen Haaren, aber so lasziv und zynisch wie immer: Bayonetta.
Das klingt negativer als es sich letztlich darstellt oder anfühlt. Denn Platinum Games stand vor einem gewaltigen Berg, der erklommen wird: Nicht nur, dass man mit der Fortsetzung die technischen Grenzen eines neuen Systems ausloten musste und diesen Job bis auf ganz seltene Bildrateneinbrüche mit Bravour erledigt. Zusätzlich musste man damit fertig werden, dass der erste Teil, der dem Spiel als Bonus beiliegen wird, in vielerlei Hinsicht Grenzen verschoben oder gesprengt hat. Das Artdesign z.B. hat seinerzeit mit seiner fantasievollen Interpretation religiöser Themen wie Engel und Dämonen für Staunen gesorgt - hier ist dieses Staunen nur noch für Spieler da, die den ersten Teil nicht kennen. Das soll zwar die Leistung der Entwickler nicht schmälern, macht aber das Dilemma deutlich, in dem sowohl Bayonetta als auch ich stecken. Denn unter dem Strich bekommt man hier nur mehr von allem - in der gleichen hohen Qualität, wie man sie erhofft hat. Aber nur selten mit dem Wow-Faktor, der einen im Vorgänger immer wieder innehalten und verwundert den Kopf schütteln ließ, was sich die Designer haben einfallen lassen.
Beim Artdesign bietet Bayonetta 2 weniger Überraschungen als der Vorgänger.
Diese Momente gibt es zwar hier auch, wenn man z.B. eine schick inszenierte Flutwelle auf ihrem Scheitelpunkt stoppt und dann durch den dadurch entstandenen Tunnel auf die andere Uferseite sprintet. Oder wenn ein Erdbeben vom Horizont auf den Spieler zukommt und noch eindrucksvoller als bei
DmC: Devil May Cry die Umgebung verformt. Doch auch wenn es zahlreiche neue Gegnertypen gibt, wirkt gerade in diesem Bereich vieles hinsichtlich des Designs vertraut. Das Laufen an Wänden samt magenverdrehender Perspektivwechsel. Die ruhigen Momente, in denen man die schemenhafte menschliche Bevölkerung beobachten kann. Die Effektspektakel, wenn man Kombos vom Stapel lässt und aus einer anderen Dimension riesige Fäuste oder mit Stilettos bekleidete Füße den Schlaghagel beenden. Die „Klimax“-Finisher, die das Ende des Bosskampfes signalisieren und die den aus Haaren bestehenden Anzug der Hexe in ein riesiges Monster verwandeln, der den Feind seinem verdienten Ende zuführt. Während Bayonetta-Neulinge vermutlich den angesprochenen Wow-Faktor für sich entdecken und von der Reizüberflutung erschlagen werden, während sie versuchen, der hektisch erzählten Geschichte zu folgen, fühlen sich Spieler des ersten Teiles "nur" so, als ob man nach einer langen Reise wieder nach Hause kommt. Andererseits: Zuhause ist es immer noch am schönsten!