State of Decay30.04.2015, Jens Bischoff

Im Test: Zombie-Invasion auf der One

Knapp zwei Jahre nach dem Xbox-360-Original haben Microsoft und die Undead Labs ihre State-of-Decay-Zombies auch auf der Xbox One von der Leine gelassen. Was den Überlebenskampf auszeichnet und welche Neuerungen es gibt, klärt der Test.

Durchwachsene Fassade

Trotz höherer Auflösung, detaillierterer Texturen sowie verbesserter Effekte, Sichtweite, Bildrate oder Animationen ist die von den Undead Labs heraufbeschworene Zombie-Apokalypse auch auf der Xbox One alles andere als eine Schönheit. Zudem ist das Szenario ziemlich ausgelutscht und die Inszenierung vergleichsweise lahm. Doch hinter all den Unzulänglichkeiten und überstrapazierten Klischees verbirgt sich nach wie vor ein überraschend interessanter und taktisch geprägter Überlebenskampf irgendwo im US-amerikanischen Nirgendwo.

Man braucht zwar eine Weile, bis man über die ganzen Pop-Ups, Ruckler, Kollisionsfehler, KI-Aussetzer und andere Macken, die in abgeschwächter Form nach wie vor bestehen, hinwegsehen kann. Aber sobald man seine eigene Basis errichtet und Verantwortung für deren Bewohner übernommen hat, lässt einen der tagtägliche Kampf um Nahrung, Munition sowie andere Ressourcen so schnell nicht mehr los.

Man plündert verlassene Gebäude, hält nach Überlebenden Ausschau, arrangiert sich mit anderen Gruppierungen, versucht den eigenen Stützpunkt auszubauen und die Zombieplage einzudämmen. Es gilt Infektionsherde zu säubern, Dead-Block-ähnliche Belagerungen zu überstehen, umherziehende Horden abzufangen oder besonders gefährliche Einzelexemplare zur Strecke zu bringen. Neben gewöhnlichen Untoten, gibt es nämlich auch solche mit Tobsucht, giftigem Blähbauch, ohrenbetäubenden Schreien oder kugelsicheren Westen.

Kopfsalat

Das zur Verfügung stehende Waffenarsenal ist breit gefächert: Vom einfachen Tischbein oder Schraubenschlüssel, über Pistolen und Gewehre unterschiedlichster Kaliber bis hin zu Minen und Granaten aus Armeebeständen ist alles vertreten. Mit der einer gewissen, hierzulande nicht mehr offiziell erhältlichen Serie aus dem Hause Capcom kann man es in punkto Waffenvielfalt und -originalität allerdings nicht aufnehmen und auch Waffen-Modifikationen sind nur begrenzt möglich.

Neben zusätzlichen Waffenmodifikationen kann neuerdings auch spezielle Brandmunition im Kampf gegen die Zombiehorden eingesetzt werden.
Neben sich abnutzenden Schalldämpfermontagen kann man neuerdings aber auch Sturmgewehre mit angeschraubtem Granatwerfer oder Schrotflintenaufsatz sowie spezielle Brandmunition einsetzen. Neu abgeworfene Versorgungskisten des Militärs sind besonders attraktiv.

Doch egal, welche Tötungswerkzeuge man verwendet, ein Zombie ist erst tot, wenn sein Hirn Matsch ist. Ob durch gezielte Schüsse, brachiale Finisher oder Überfahren spielt letztlich  keine Rolle. Letzteres liefert bei ausreichender Geschwindigkeit so gut wie immer das gewünschte Ergebnis, was Fahrzeuge zu einer der wichtigsten Ressourcen überhaupt macht - egal, ob wendiger Kleinwagen, schnelles Coupé, robuster Geländewagen, von denen es jetzt sogar noch wuchtigere Modelle gibt. Zudem sind die beiden Add-Ons Breakdown und Lifeline bereits mit an Bord. Im einen kann man quasi endlos spielen und statt Story-Zielen charakterspezifische Herausforderungen bestreiten. Im anderen darf man als Soldat ein eigenes Abenteuer auf neuem Gebiet bestreiten.

Schadensbegrenzung

Doch selbst der dickste SUV hält nicht ewig und wer zu langsam ist, riskiert durch sich am Wagen festklammernde Zombies nur noch mehr Schäden. Mit abrupten Brems- und Lenkmanövern oder Türschlägen kann man sich ungewollter Mitfahrer aber meist schnell wieder entledigen. Und wer gelernte Mechaniker in seinen Reihen hat und über eine entsprechend ausgebaute Werkstatt verfügt, kann irgendwann selbst Motorschäden wieder in Ordnung bringen. Schade nur, dass es keine Radiostationen mehr gibt, um zu persönlichen Lieblingsklängen Zombiehorden platt zu walzen.

Auch Waffen nutzen sich mit der Zeit ab und sollten von Zeit zu Zeit repariert oder ausgewechselt werden, während man Munitions- und Medizinvorräte pflegen sowie müde Knochen ausruhen muss. Jeder befreundete Bewohner lässt sich spielen und verfügt über individuelle Talente und Fähigkeiten, die sich durch steten Gebrauch weiter verbessern lassen: Wer viel rennt und klettert, steigert seine Fitness, wodurch er noch agiler wird. Wer viel schießt, wird irgendwann zum Meisterschützen, wer sich viel prügelt, zur Kampfmaschine, wer viel erkundet und plündert, zum Aufklärungsspezialisten.

Fatale Folgen

Wer stirbt, ist jedoch weg vom Fenster und kommt auch nicht wieder - selbst die Start-Charaktere sind vor diesem Schicksal nicht gefeit. Einen alten Spielstand kann man nach dem Exitus auch nicht laden, da das Spiel komplett eigenständig speichert - auch im Todesfall. Nur das Marschgepäck Verstorbener kann ähnlich ZombiU anschließend noch geborgen und zum Stützpunkt zurückgebracht werden. Dass man den Tod entsprechend ernst und Bedrohungen nie auf die leichte Schulter nimmt, tut Spannung und Charakterbindung aber gut.

Auch mit Infektionen ist nicht zu spaßen, einen Todgeweihten zu verstoßen oder eigenhändig umzubringen, nicht einfach. Echte Dilemmata wie in The Walking Dead gibt es aber nicht. Bei folgenschweren Entscheidungen hat man eigentlich keine Wahl und sonst geht es fast immer nur darum, ob man einen Auftrag annimmt, ablehnt oder die Entscheidung auf später verschiebt.

Besitzer des Originalspiels erhalten neben einem Preisnachlass auch einen exklusiven Bonus-Charakter.
Teils sind die Folgen vielleicht nicht absehbar, aber in erster Linie geht es darum, Bedrohungen abzuwenden, die Versorgungslage zu verbessern oder die Sicherheit zu erhöhen.

Je größer die eigene Gruppe, desto mehr Optionen stehen einem zur Verfügung. Mit jedem neuen Gast steigt aber auch der Bedarf an Platz, Nahrung und Medikamenten. Irgendwann sind auch die Ausbaukapazitäten der Basis erschöpft und man muss sich nach geräumigeren Alternativen umsehen. Zudem können Außenposten und Fallen errichtet werden, um die Zombieplage an bestimmten Stellen zusätzlich einzudämmen. Denn selbst wenn man das Spiel verlässt, ist die eigene Gruppe weiterhin aktiv, und nimmt an simulierten Ereignissen, Einsätzen und Kampfhandlungen teil. Tagebucheinträge bringen einen aber auch nach längerer Auszeit schnell wieder auf den neusten Stand. Besitzer des Originals können sogar alte Spielstände (auch aus den Add-Ons) importieren sowie von einem Preisnachlass auf die Download-Fassung sowie einem zusätzlichen Spiel-Charakter profitieren.

Alles im Blick

Ist man selbst aktiv, wird man über mögliche Missionen und Gefahren stets über Funk informiert. Auch sonst trägt der nicht nur mit Gruppenmitgliedern geführte Funkverkehr zur Verdichtung der Atmosphäre bei. Man selbst tauscht via Walkie-Talkie aber nicht nur Informationen und Nettigkeiten aus, sondern kann je nach Spielfortschritt auch Verstärkung rufen, Hilfsmittel anfordern oder Bauentscheidungen treffen.

Praktisch ist auch die interaktive Kartenfunktion, auf der alle wichtigen Ereignisse und Entdeckungen eingetragen werden und sich als Zielpunkte setzen lassen. Abgesehen von story-relevanten Missionen sind die meisten Einsätze zeitlich nur begrenzt verfügbar und können bei Nicht-Annahme herbe Konsequenzen haben. Wer zu lang die Vermisstenmeldungen ignoriert, riskiert z. B. den Tod der Betroffenen, was sich wie andere Fehlschläge auch auf die Moral der Gruppe auswirkt.

Doch auch andere Parameter wie Einfluss, Ausdauer und Ansehen gilt es stets im Auge zu behalten, Verletzungen und Müdigkeit darf man ebenfalls nicht ignorieren. Ein wichtiger Aspekt ist auch die Entscheidung, Dinge schnell und laut oder langsam und leise zu erledigen. Egal, ob beim Kämpfen, Plündern, Fahren, Klettern oder Erkunden - man entscheidet selbst, ob man unnötige Auseinandersetzungen riskieren oder lieber meiden will. Leider sind die Resultate aber nicht immer überzeugend, da die KI noch immer ihre Macken hat. Die deutschen Untertitel und Menütexte wirken inzwischen allerdings runder, die Schriftgröße hätte man zum Teil jedoch besser an die 1080p-Auflösung anpassen können.

Luft nach oben

Die Kollisionsabfrage ist hingegen nach wie vor eher durchwachsen, die Wegfindung oft suboptimal. Die große dynamische Spielwelt macht das aber meist schnell wieder wett. Trotz nach wie vor recht grobschlächtiger Charaktermodelle und Animationen sowie haufenweise Pop-Ups und Clippings gibt es aber auch ungemein stimmungsvolle Stellen und Momente, die dank verbesserter Lichteffekte nun noch eindrucksvoller wirken.

Dank detaillierterer Texturen und verbesserter Lichteffekte wirken viele Schauplätze noch stimmungsvoller.
Vor allem in der Dämmerung entwickeln viele Schauplätze wie zuvor ihren eigenen Charme. Zudem entdeckt man immer wieder neue Orte, Besonderheiten und Details - selbst mitten in der Wildnis. Ein weiteres Plus: Die insgesamt wesentlich geschmeidigere, wenn auch nicht gänzlich vor Einbrüchen gefeite Bildrate.

Schade ist nur, dass es abgesehen von monatlichen Community-Herausforderungen auch auf der Xbox One keinerlei Mehrspielerkomponente gibt. Gemeinsame Beutezüge oder Verbarrikadierungen mit Freunden oder Tauschgeschäfte und Rivalitäten mit von anderen Spielern geführten Gruppen hätten dem ohnehin nur mit spärlichen Handlungsfetzen und zahmen KI-Nachbarn versehenen Überlebenskampf noch mehr Dynamik und Brisanz verleihen können. Vom einst in Aussicht gestellten Online-Ableger hat man leider schon lange nichts mehr gehört...

Fazit

State of Decay ist trotz merklicher Verbesserungen auch auf der Xbox One alles andere als ein technischer Leckerbissen, die Inszenierung weiterhin recht schwach. Hinter der maroden Fassade schlummert jedoch ein immer noch ungemein spannender und facettenreicher Überlebenskampf mit gelungenen Kampf- und Erkundungsreizen sowie motivierendem Basisbau und Ressourcen-Managment. Auch die große dynamische Spielwelt wird immer attraktiver, während die Gefahr unwiederbringlicher Opfer und tödlicher Infektionen für dichte Atmosphäre sorgt. Allerdings kann man nicht über jeden Makel so einfach hinwegsehen - gerade KI und Kollisionsabfrage sorgen immer noch regelmäßig für Kopfschütteln. Bedauerlich ist auch die ungenutzte Möglichkeit, mit anderen Spielern zusammen ums Überleben zu kämpfen oder angesichts immer knapper werdender Ressourcen gar miteinander zu konkurrieren. Immerhin bekommt man dank integrierter Breakdown- und Lifeline-Erweiterungen von Anfang an mehr Inhalt geboten als zum Start des Originals; allerdings muss man dafür auch tiefer in die Tasche greifen. Wer State of Decay und die beiden Add-Ons bereits auf der 360 oder dem PC besitzt, kann sich die Survival-Edition jedenfalls sparen. Wer nur das Hauptspiel sein Eigen nennt, erhält dank Spielstandimport und Preisnachlass hingegen ein attraktives Komplettpaket. Zombie-affine Neueinsteiger, die mit den vorhandenen Macken leben können, sollten sich den Survivaltrip sowieso nicht entgehen lassen. Ist man erst einmal infiziert, kommt man so schnell nicht mehr los.

Pro

große, dynamische Spielwelt
motivierende Stützpunktpflege
dichte Atmosphäre
facettenreiche Aufgaben
aktiv trainierbare Fertigkeiten
verbesserte Technik & zusätzliche Inhalte

Kontra

maue Story
KI-Probleme
durchwachsene Kulisse
keine Mehrspieler-Funktion

Wertung

XboxOne

Verbesserter und erweiterter, aber nach wie vor holpriger Zombie-Überlebenskampf im amerikanischen Hinterland.

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