Unverhofft kommt… bei Madden nicht so oft
Ich gebe es offen zu: Als EA auf der gamescom während der Präsentation zu FIFA 16 einen ominösen Modus namens "Ultimate Draft" aus dem Hut zauberte, war ich skeptisch. Alles wirkte wie ein abgespecktes und stark zufallsabhängiges Ultimate Team. Und auch wenn ich mich sowohl bei FIFA als auch bei Madden in den letzten Jahren viel mit dem "Sammelkarten"-Modus und dem dortigen Motivationsstrudel beschäftigt habe, hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt, dass "Draft Champions", wie es hier heißt, für Spaß sorgen könnte.
Dank frischer Steuerungsoptionen sind die Duelle um den Ball dynamischer als in den letzten Jahren.
Doch genau das ist der Fall. Ich habe in der neuesten Auflage der hinsichtlich ihrer Spielmodi leicht schal gewordenen Madden-Serie so viel Zeit mit Draft Champions verbracht wie schon lange nicht mehr mit irgendeiner Spielvariante der älteren Ausgaben. Kein Ultimate Team, keine "Connected Franchise", die beide auch in Madden NFL 16 mit leichten sowie motivierenden Verbesserungen wieder mit von der Partie sind, konnten mich kontinuierlich so stark ans Pad binden wie dieser kurzweilige Modus in den letzten Tagen und Nächten. Und das, obwohl man nicht der ständigen kontinuierlichen Verbesserung der Mannschaft hinterher hechelt wie im Ultimate Team, das hier mit haufenweise kurzweiligen Herausforderungen für Solisten glänzt, oder nach der besten Symbiose aus sportlichen und finanziellen Erfolgen sucht wie im Franchise-Modus - deren Reize natürlich jeweils nach wir vor Bestand haben und langfristig binden.
Planbare Zufälligkeit
Kulisse, Physik und KI haben auf PS4 und One einen Schritt nach vorn gemacht.
Draft Champions spricht vor allem auch diejenigen Spieler an, die nicht nur über eine oder mehrere ausufernde Saisons spannende American-Football-Unterhaltung wollen, sondern immer wieder frische Herausforderungen ohne saisonalen Zwang suchen. Das Geheimnis liegt in der Komprimiertheit und der Zufälligkeit, die einen zu Beginn jeder neuen Spielrunde erwartet. Über 15 Etappen darf man sich aus drei Spielern stets einen heraussuchen, der das Basisteam ergänzt und im besten Fall aufwertet. Na ja, eigentlich sind es nur 14 - die erste Runde entscheidet man sich für einen Trainer, der den Offensiv- bzw. Defensiv-Fokus der Mannschaft bestimmt, die man schließlich übernimmt. Bei den darauf folgenden Spieler-Ziehungen sollte man nun nicht nur darauf achten, welcher Spieler die bessere Gesamtwertung hat, sondern vielmehr, auf welchen Positionen man noch Bedarf hat. Zusätzlich muss man beachten, dass man idealerweise mit der angezeigten präferierten Spielweise des Profis auf einer Wellenlinie mit dem Coach liegt, da dann die Spezialisierungen verstärkt werden.
Da die Saisons hier nur kurz sind und man sich nur wenige bis gar keine Niederlagen leisten darf, kommt der leicht glücksabhängigen Spielerwahl (in meinem ersten Anlauf hatte ich tatsächlich Fortuna auf meiner Seite und durfte mir Tom Brady als Quarterback angeln) eine enorme taktische Bedeutung zu. Im Gegensatz zu Franchise oder Ultimate Team hat man nicht die Zeit, um Fehler durch cleveres Taktieren auszubügeln. Ebenfalls schön: Man muss nicht alle Spiele erfolgreich beenden, um Belohnungen (z.B. Packs für den Ultimate-Team-Modus) zu bekommen. Auch wenn man die Saison nach zwei Siegen mit einer Niederlage beendet, springt eine Belohnung raus. Zudem sind hier die einzelnen Viertel auf drei Minuten Spielzeit festgelegt, so dass American Football als flotter sowie durchweg unterhaltsamer Zeitvertreib inszeniert wird.
Alles unter Kontrolle
Das Ziel "First Down" ist gelb markiert.
Doch es ist nicht nur die Ergänzung der Spielmodi um Draft Champions, das man natürlich auch gegen einen anderen Spieler in Angriff nehmen darf, die für mich aus Madden NFL 16 den besten Vertreter der Serie seit langem machen. Es sind vor allem die Erweiterungen der Mechanik und die Verbesserungen der Physik sowie in wichtigen KI-Bereichen, die dafür sorgen, dass sich Madden endlich mal wieder frisch anfühlt. Sicher: Wie in den letzten Jahren hat EAs Tiburon-Studio vorrangig an Kleinigkeiten gearbeitet. Doch endlich einmal habe ich das Gefühl, dass es wichtige Kleinigkeiten sind, die nicht nur in der zweiten, dritten oder vierten Ebene greifen und so sämtliche Modi aufwerten - inklusive des ebenfalls wiederkehrenden Gauntlet, einer Aneinanderreihung von kurzen, immer schwerer werdenden Aufgaben.