Castlevania: Lords of Shadow 2 dürfte so ziemlich das Spiel gewesen sein, an dem sich die Geister (insbesondere die Geister von Spielepresse und Spielern) so stark schieden wie bei keinem anderem Titel aus dem Jahre 2014. Einige Schwächen und Gamedesignfehlentscheidungen sind dabei durchaus nicht von der Hand zu weisen, doch wissen die Kernmechaniken (darunter das aus dem Vorgänger im Wesentlichen übernommene und in einigen Punkten verbesserte Kampfsystem) zu überzeugen. U.a. wegen der responsiveren Steuerung und der wendungsreicheren Story um den Fürst der Finsternis auf seinem schweren Weg zur Buße (mit nicht übersehbaren Anleihen bei Silent Hill 2) blieb mir der Nachfolger von Lords of Shadow trotz aller Ecken und Kanten als charismatischeres und schlussendlich sogar besseres Spiel in Erinnerung.
(Ihr habt jetzt die Erlaubnis, mich mit Pflastersteinen zu bewerfen.)

Der größte Unterschied im direkten Vergleich zu LoS 1 ist der Metroidvania-artige Ansatz bei der Gestaltung der Spielwelt: Anstatt linear durchzuspielender, separierter Level ist die um Draculas Burg herum erbaute, moderne Stadt ?Castlevania? (ja, heißt wirklich so) offener gestaltet, neue Fähigkeiten und Items ermöglichen den Zugang zu neuen Gebieten; im Spielverlauf besucht man in Flashbacks auch immer wieder Draculas Burg aus früheren, mittelalterlichen Tagen. Das Leveldesign kann insgesamt nicht mit anderen Metroidvania-Spielen wie Batman: Arkham City oder Darksiders 2 mithalten, aber es ist meines Erachtens zumindest löblich, dass bei Mercuy Steam der Wille zur Weiterentwicklung erkennbar war. Was dem Spiel jedoch gelingt, ist es, ganz im Zelda-Stil neuentdeckte Fähigkeiten und Gegenstände gleich im darauffolgenden Bosskampf sinnvoll zu integrieren.

Das Kampfsystem wurde zu großen Teilen aus dem Vorgänger übernommen und leicht optimiert. Statt der Dunkelmagie kommen nun die Chaosfäuste zum Einsatz, die zusätzlich zum erhöhten Schaden auch bestimmte Panzerungen zerstören und den Gegner so erst gegenüber frontal zugefügtem Schaden anfällig machen. Meiner Ansicht nach eine sehr sinnvolle Ergänzung, denn im Vorgänger fiel der Nutzen der heilenden, und damit rettenden Lichtmagie (es gab ja im Kampf keine anderen Mittel zur Regeneration von Lebensenergie) im Vergleich zur mehr Schaden verursachenden Dunkelmagie insbesondere auf den höheren beiden Schwierigkeitsgraden überproportional hoch aus.
Das Leerenschwert funktioniert derweil weitestgehend wie die Lichtmagie aus LoS 1, trifft man damit den Gegner während eines Angriffs, so wird ein wenig HP regeneriert.

Den größeren Unterschied machen die zusätzlichen konsumierbaren Items aus, die man unterwegs im Level in zerstörbaren Objekten findet, und mittels derer man bspw. mitten im Kampf HP oder Energie regenerieren kann. Insbesondere durch diese wird der allgemeine Schwierigkeitsgrad von LoS 2 im Vergleich zum Prequel spürbar verringert; ich empfehle Kennern des Vorgängers deshalb, das Spiel unbedingt direkt mit dem höchsten Schwierigkeitsgrad zu beginnen.

Das eine große Manko des Spiels ist der Mangel an Puzzles im Vergleich zum Vorgänger, eines davon ist gar sprichwörtlich auf vorschulniveau; an besagter Stelle beschlich mich der Eindruck, dass die Devs bei Mercury Steam hier nur eine längere Cutscene eingeplant haben, aber zwischendrin doch noch jemand darauf pochte, dass ein bisschen "Spielerinteraktion" implementiert werden müsse.

Das andere Manko entfällt auf die Stealth-Passagen. Die Entwickler haben sich sichtlich bemüht, die Castlevania-Version von Vlad III. Draculea ein Stück weit näher an die Romanfigur von Bram Stoker zu rücken, d.h. er hat nun die Fähigkeit zur Gestaltwandlung in Ratten- oder Nebelform, doch gewollt ist nicht gleich gekonnt. Diese Passagen haben nämlich (meist) nur einen Lösungsweg und einen sofortigen Fail State samt Game Over Screen im Falle des Entdecktwerdens, zudem sind sie unlogisch eingebunden: So verlangt das Spiel an einer Stelle von Dracula, sich vor einem Gegner zu verstecken ... und nur wenige Minuten später besiegt man exakt denselben Gegner in einem 1v1 Duell. Warum also dieses Versteckspiel und das zwanghafte Vermeiden einer offenen Konfrontation, wenn ich dem Burschen in letzterem sogar überlegen bin?

Alles in allem ist Castlevania: Lords of Shadow 2 ein Spiel mit Ecken, Kanten, Inkonsequenzen und auch einer Portion verschenktem Potential, jedoch erlaubt es sich zugleich in einer Kerndisziplin von Action-Adventures, nämlich den (Boss-)Kämpfen, grundsätzlich keine Fehler. Die Kämpfe machen das gesamte Spiel über grundsätzlich Laune.
Der Adventure-Part derweil ist nicht ganz konsequent umgesetzt, ebenso könnte man aus dem interessanten Storyansatz noch mehr rausholen (jedoch wusste dieser mich mehr zu überzeugen als die schlichte Hintergrundgeschichte aus LoS 1).

Ich würde mich jedenfalls freuen, wenn Mercury Steam noch einmal die Gelegenheit erhielte, aus ihren Patzern zu lernen und einen runderen Nachfolger zu entwickeln.