Game Developers Conference Europe 2013
19.08.2013 10:45, Jörg Luibl

"Classic Game Post Mortem: Kick Off"

Erinnert sich noch jemand an die Fußballzeit vor FIFA und PES? Kleine Spiele wie der Pionier "Emlyn Hughes Soccer" auf dem C64, danach "Sensible Soccer" und "Kick Off" für Amiga und Atari St beherrschten den virtuellen Fußball. Letzteres hat mit seiner ungewöhnlichen Vogelperspektive sowie seiner Offensivmechanik für eine ganz eigenwillige Dynamik auf dem Platz gesorgt - und selbst heutzutage finden noch Turniere statt. Sein Erfinder Dino Dini, der mittlerweile bei der NHTV University of Applied Sciences arbeitet, sprach u.a. über Kick Off (1989) und Kick Off 2 (1990).

Im Jahr 1988 hat er mit der sechszehnmonatigen Entwicklung von Kick Off begonnen, das später zahlreiche Awards einheimste. Eine Zeit, in der Zielgruppen-Analysen sowie Internet oder soziale Netzwerke keine Rolle spielten. Dino Dini war eigentlich Lehrer, der schon 1979 mit dem Programmieren startete und schon immer ein Faible für Spiele hatte. Er machte letztlich genau das, was viele Independent-Entwickler heute auszeichnet: Eine eigenwillige Idee mit wenigen Mitteln in ein Spiel umsetzen - allerdings war der lokale Publisher Anco damals skeptisch. Wie sollte man den Teamsport Fußball virtualisieren? Wie sollte das funktionieren? Alles Humbug, geht nicht!

Dino Dini ließ nicht locker und glaubte weiter an seine Fußballidee. Er sondierte danach weder den Markt nach existierenden Fußballspielen noch fragte er nach Spielerwünschen. Seine Philosophie: "Der Markt weiß nicht, was er will. Aber er wird auf das reagieren, an was du glaubst." Also entwickelte er einfach sein Spiel so wie er es sich vorstellte in "Aztec C Macro Ressembler". Wichtig war ihm ein flüssiger Spielablauf mit 50fps, also musste man Kompromisse hinsichtlich der Darstellung machen - alles Figürliche und größer Animierte würde viel Prozessorkraft verschlingen. Letztlich sollte der Ball immer im Mittelpunkt stehen und so wurde der Platz von oben dargestellt, lediglich mit horizontalen und vertikalen Linien - auf dem Atari ST wurde sogar der Anstoßkreis weggelassen, weil die Berechnung alles verlangsamt hätte. Auch bei den animierten Sprites hat sich Dino Dini auf das Wesentliche konzentriert.

Danach ging es an die Spielmechanik und dafür hat Dino lange Zeit KI gegen KI spielen lassen, das Ganze beobachtet und so verändert, dass das Zuschauen einfach Spaß machte. Vor allem eine Designentscheidung machte Kick Off ebenso streitbar wie außergewöhnlich: Der Ball klebte nicht am Fuß, sondern war ein freier physikalischer Körper, der immer in eine von acht Richtungen abprallte bzw. geschossen wurde; um das präzise zu kontrollieren, brauchte man einige Skills am Joystick. Es kam also - bis auf wenige Ausnahmen wie bessere Schusskraft einiger Stürmer - nicht auf statistische Fähigkeiten im Hintergrund an, sondern nur auf aktuelle Hand-Auge-Koordination, also klassische Arcade-Tugenden. Eine Herausforderung war auch die Einbindung eines einzigen Knopfes als Modifizierung für Schüsse, Pässe, Kopfbälle oder Grätschen sowie der Spielerwechsel über den Druck des Joysticks in die betreffende Richtung. Dino Dini nennt all das "strong brave choices" und empfiehlt allen angehenden Designern immer diesen Mut zu haben und auf sichere Entscheidungen zu verzichten.

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