Spielkultur
25.10.2012 22:17, Julian Dasgupta

Spieletester als PR-Gehilfen?

Die Nähe zwischen Spielepresse und Herstellern ist ein Dauerthema, das wir schon im kritischen Herbst betrachtet hatten. Im Rahmen einer Kolumne bei Eurogamer.net hatte Robert Florence sein Unbehagen in jener Hinsicht kundgetan.

Dabei nimmt der Mann u.a. Geoff Keighley von Spike TV bzw. GTTV ins Visier, äußert sich aber auch nicht unbedingt lobend über die Gaming Media Awards . Die Veranstaltung, in der die britische Spielepresse jedes Jahr in verschiedenen Kategorien prämiert wird, erachtet er als Selbst­be­weih­räu­che­rung, die zudem einen schlechten Beigeschmack habe, da auch PR-Leute abstimmen würden und Hersteller als Sponsoren miteinbezogen seien.

Florence, der manchem noch aus Consolvania vertraut sein dürfte, kritistierte auch Pressevertreter, die allzu bereitwillig bei einer Twitter-Aktion von Trion mitgemacht hatten, in der PS3s unter denjenigen verlost wurden, die einen bestimmten Hashtag (#gmadefiance) verwendeten. 

Als Beispiel für die seiner Meinung nach mangelnden Standards zog Florence die Argumentation einer Kollegin heran: Lauren Wainwright hatte per Twitter verkündet, dass sie nichts Verwerfliches daran erkennen könne, wenn ein Hersteller Konsolen an Journalisten verteile. Florence verwies auf einen früheren Tweet von Wainwright, in dem der bekennende Lara Croft-Fan sich begeistert über neue Bilder der Tomb Raider-Protagonistin geäußert und den offiziellen Twitter-Account der Serie adressiert habe. Solche Botschaften würden ihn dieser Tage misstrauisch machen. Er sei überzeugt, dass sie nicht bewusst mit Hersteller an einem Strang ziehe - aber Zweifel habe man eben: Wainwright habe ja "auch kein Problem damit, ein Spiel zu bewerben, um eine PS3 gewinnen, oder?"

Dave Cook von VG247 , der selbst mitgemischt hatte bei der Aktion, reagierte auf die Kritik des RPS -Autoren John Walker und verteidigte sich: Ein Hashtag sei keine Werbung. Walker solle von seinem hohen Ross herunterkommen. Cook sei ein "guter Junge", der sich aber entweder in die Defensive gedrängt sehe - oder aber nicht wisse, was es bedeute, ein Journalist zu sein, so Florence in seinem Artikel.

Er folge anderen Journalisten auf Twitter. Einige davon seien schon recht schlimm und würden oft über all die Geschenke posten, die sie auf irgendwelchen PR-Veranstaltungen erhalten haben. Es gebe diesen Klüngel, der einen beträchtlichen Teil der Presse ausmachen würde, der endlich mal aufgebrochen werden müsste, sinniert Florence. Da Hersteller und Medien aber an einem Strang ziehen, sei dies sehr schwierig - eine Kooperation sei für diese doch eben  leichter, wenn man letztendlich das gleiche Publikum bedienen wolle. Es komme darauf an, dass die Leser höhere Ansprüche stellen und sich nicht mit dem aktuelle Gebotenen zufrieden geben.

Die Redaktion kürzt, der Autor dankt ab

Am nächsten Morgen war der Artikel allerdings mit einem Kommentar der Redaktion versehen: Nach einer Beschwerde von Wainwright habe man die entsprechenden Absätze aus dem Artikel entfernt. Jene Maßnahme sei aber nicht als Eingeständnis eines Fehlverhaltens zu werten. Man entschuldige sich bei der freischaffenden Autorin für die Unannehmlichkeiten, die durch die Erwähnung verursacht worden sein könnten.

Florence teilte per Twitter mit, er stehe zu dem, was er geschrieben habe. Um seine Integrität zu wahren, zog der ebenfalls als freier Autor tätige Schotte die Konsequenzen aus dem Umstand, dass sein Artikel angepasst worden war: Er werde zukünftig keine Kolumnen mehr für Eurogamer schreiben. Dem Magazin mache er aber keinen Vorwurf - die Androhung rechtlicher Schritte gegen die Webseite bringe schließlich einen riesigen Druck mit sich. Die "schlechten Jungs" seien andere. Ein paar Stunden zuvor hieß es zudem noch über Reaktionen von anderen:

"I'm a 'piece of shit', an 'arrogant troll' and will have to be wary of  'enemies' if I attend any games PR events. A disappointing 24 hours."

Fast erwartungsgemäß folgte, was im Internet allgemein als Streisand-Effekt tituliert wird: Die Kürzung machte viele Leser erst recht neugierig. Und jene, die die Originalform des Artikels nicht gesehen hatten, begannen natürlich nachzuforschen. Und stolperten so u.a. über die Kurz-Vita Wainwrights. Die bezeichnete sich dort als freischaffender "video games consultant" und führte neben einigen Presseorganen auch den Eidos-Mutterkonzern Square Enix als einen ihrer aktuellen Klienten auf.

Ihren Twitter-Account hatte sie mittlerweile auf 'protected' gestellt und angemerkt, dass sie ein paar recht garstige Botschaften aus der Spielergemeinde erhalten hatte. Über Square Enix ließ sie verlauten: Für den Publisher sei sie in der Vergangenheit in beratender Funktion tätig gewesen. Viele andere Journalisten würden dies ja auch machen. Sie habe aber keines jener Spiele für irgendein Magazin getestet. [Anmerkung der Redaktion: Es handelt sich tatsächlich um eine bei Publishern nicht unübliche Praxis, die dazu dient, Feedback einzuholen und außerdem schon im Vorfeld abschätzen zu können, in welchen Wertungsbereich ein Spiel fallen dürfte. Den normalen Gepflogenheiten zufolge werden jene, die sich auf ein derartiges Zubrot einlassen, dann zumindest bei Magazinen mit entsprechenden Standards von der gesamten Berichterstattung über das Produkt ausgeschlossen - nicht nur von der Rezension.]

Findige Internet-Detektive stöberten derweil einige durchweg positive Berichte und Interviews  rund um Square Enix auf, die Wainwright in der Vergangenheit verfasst hatte. Auf ihrer eigenen Webseite hatte sie zudem noch ein für die Sun niedergeschriebenes Review von Deus Ex: Human Revolution verlinkt . Sowohl für Play.tm  (9,3 von 10) als auch für für IncGamers (via N4G , da mittlerweile nicht mehr verfügbar) hatte sie Lara Croft and the Guardian of Light getestet und dabei 9,3 und 9,5 von 10 Punkten vergeben.

Der letzte Stand: Wainwright hat damit begonnen, Referenzen zu Square Enix zu löschen. In ihrem Profil wird der Publisher nicht mehr erwähnt. Auch die Twitter-Botschaft, in der sie ihre Tätigkeit erwähnt hatte, wurde mittlerweile entfernt. 

Der Chefredakteur der britischen Branchenmagazine MCV und Develop, Michael French, ließ  durchblicken , dass das Mutterunternehmen der beiden Magazine (Intent Media) bei Eurogamer angefragte und um die Streichung der entsprechenden Passage ("ziemlich gemeine Inhalte") gebeten habe. Eurogamer habe das dann gemacht. Man habe nie rechtliche Maßnahmen bemüht. MCV ist einer der Arbeitgeber von Wainwright und habe sich schützend vor ein Mitglied der Redaktion stellen wollen. Allerdings dürfte die Kolumne dem Verlag gleich doppelt ein Dorn im Auge gewesen sein: Intent Media ist auch der Veranstalter der in der Kolumne deutlich kritisierten Gaming Media Awards.

Florence steht zu seiner Äußerung : Man habe ihm gesagt, dass Eurogamer mit rechtlichen Schritten gedroht worden sei. Er lasse sich nicht als Lügner hinstellen. Walker, der das Geschehen rund um die Awards und die Marketingaktion scharf verurteilt hatte, mahnt währenddessen zur Ruhe. Bei aller gerechtfertigten Kritik sei das Ganze mittlerweile zu einer Hexenjagd mutiert.

"Now, sadly, it has become a witch hunt, and that needs to stop. Wainwright absolutely should be condemned for her actions this morning, but that’s where it should stop. She’s young, she’s inexperienced, and she’s fucked up. She has the right to apologise for that and to be forgiven. An angry mob acting like pricks provides an unhelpful perspective when trying to highlight issues that need changing.

And most of all, the noise is providing exactly what many want – a distraction from the core points of Rab’s article, thus allowing it to all settle down once the big fuss is over, letting everyone carry on just as they were."

Auch Florence selbst merkt an , dass die teils frauenfeindlichen Reaktionen unangemessen und nicht im Sinne seiner Kolumne seien.

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