Superhelden im Überfluss
Bin ich eigentlich der Einzige, dem die derzeitige Superhelden-Schwemme auf den Geist geht? Es gab mal eine Zeit, in der die Hollywood-Studios darauf geachtet haben, den Abstand zwischen ihren Produktionen so groß wie möglich zu halten. DCs Superman kollidierte in den siebziger und achtziger Jahren nicht mit Marvels Spider-Man. Und Peter Parker hatte gegen Ende des 20. Jahrhunderts auch keine Probleme, wenn es darum ging, einen Veröffentlichungstermin zu finden, der so weit wie möglich von Batman, Hulk oder den X-Men entfernt lag.
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Captain America orientiert sich spielerisch an Batmans letzter Auseinandersetzung mit dem Joker im Arkham Asylum.
Doch mittlerweile fühlt man sich, als ob die Superhelden einen nicht enden wollenden Staffellauf durchführen, der den Olympischen Spielen nächstes Jahr würdig wäre. Iron Mans zweiter Auftritt, Thor, Green Lantern, Captain America (der zudem auch die "Avengers" weiter einleiten soll), Spider-Man kehrt auch bald zurück, nicht zu vergessen Batmans Abschluss der Trilogie von Christopher Nolan. Und fast immer kommt ein Spiel auf den Markt, das den Film begleitet. Zu dumm nur, dass vor allem bei den letzten Marvel-Titeln aus Sega-Händen die Qualität zu wünschen übrig ließ. Und jetzt soll ausgerechnet ein Held, der im Zweiten Weltkrieg zu Propaganda-Zwecken in den USA entstanden ist und der einen Schild als Waffe führt, die Kohlen aus dem Feuer holen?
Das nächste Level
Ich gebe zu, dass ich nach dem God of War-Abklatsch Thor wenig Hoffnung hatte, dass Segas Marvel-Spiele noch die Kurve kriegen. Doch da habe ich die Rechnung ohne das Team von Next Level gemacht, das mit der Produktion von Captain America Super Soldier (CASS) beauftragt wurde. Denn die Kanadier haben ein durchaus wohlklingendes Portfolio: Die Mario Strikers-Spiele stammen aus ihrem Hause, der Xbox Live-Titel Ticket to Ride (Zug um Zug) ebenso und auch Spider-Man Friend or Foe oder Transformers Cybertron Adventures waren keine Totalausfälle. Zudem sitzen sie auch gerade an Luigi’s Mansion 2. Und dieses grundsätzliche Qualitäts-Bewusstsein spiegelt sich hier wider.
Batman lässt grüßen
Bereits in den ersten Tutorial-Minuten, in denen man mit Captain America (bürgerlicher Name: Steve Rogers) durch Schützengräben läuft und deutsche Nazi-Soldaten nach Strich und Faden verprügelt, weht ein Hauch Batman Arkham Asylum durch die Kulisse: Die Kampfanimationen sind flüssig, Cap springt behände von einem zum nächsten Gegner und verteilt Hiebe; man kann blocken, ausweichen sowie Konter setzen – und natürlich seinen Schild wie einen Batarang den Widersachern entgegen schleudern. Sprich: Next Level hat sich genau angeschaut, was die Kollegen von Rocksteady mit dem Beschützer Gothams angestellt haben. Im Gegensatz zu Thor, der sich auch an einem großen Vorbild orientiert, aber kläglich scheitert, geht das Konzept hier auf.
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Die Kämpfe sind dynamisch, aber auf Dauer abwechslungsarm. Es gibt z.B. nur etwa ein halbes Dutzend Standard-Gegner. |
Sicher: Auf lange Sicht könnte das Gegnerspektrum abwechslungsreicher sein als das gute halbe Dutzend Angreifer in zwei Kategorien (leicht/fortgeschritten), das mit einer weiteren Hand voll Bosse ergänzt wird.
Doch da sämtliche Kampfaktionen gut von der Hand gehen, wird man hier beinahe so gut unterhalten wie bei den Auseinandersetzungen Batmans mit Jokers Schergen – wobei der dunkle Ritter sowohl technisch als auch mechanisch mindestens eine Klasse vor Captain America liegt.
Next Level baut dabei auf die Trioviz-Middleware von Darkworks (Cold Fear) und zimmert damit einige interessante und architektonisch stimmige Abschnitte zusammen. Allerdings hat man auf beiden HD-Systemen mitunter starke Probleme, eine beständige Bildrate auf den Schirm zu bringen. Dass man im Gegenzug die Möglichkeit hat, sich mit Cap in komplettem 3D durch die Botanik zu prügeln, ist dabei nur ein schwacher Trost – denn auch die dritte Dimension hätte ruckelfrei noch besser ausgesehen.