Special: Film & Spiel (Sonstiges)

von 4P|Team



Sonstiges
Entwickler: Spielkultur
Publisher: 4Players
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Spielinfo
 Die durch die zufälligen Zusammenstöße Lolas mit verschiedenen Personen immer wiederkehrenden in einer Art Fotostory präsentierten 'Kurzgeschichten' verdeutlichen das Prinzip, indem sie auf mögliche 'alternative Welten' hinweisen. Für Walther Kampmann stellt Lola rennt daher wie es auch für einige Computerspiele gilt eine sequenzialisierte nicht-lineare Geschichte dar: "The non-linear aspect is thus manifested in the movie as symptoms of the 'wrong turns' frequently experienced by players (one turns right instead of left; shoots the villain too quickly; fails to retrieve one's ammo, etc.)."[8]

Das Spielerische von Lola rennt - und darunter fällt neben dem oben skizzierten freilich auch die visuelle Anmutung und die verschiedenen Anspielungen auf verschiedene Filmgenres - irritiert somit die interpretativ-identifikatorische Rezeption. Weniger geht es also darum sich mit den Protagonisten zu identifizieren und deren Handlungen und Konflikte mental nachzuvollziehen, als die dargestellten Handlungsvarianten zu testen und bewerten. Denn anders als bei Filmen wie Und täglich grüßt das Murmeltier oder Sie liebt ihn, sie liebt ihn nicht (Sliding Doors), die beide ebenfalls alternative Geschichten oder Welten als Resultat spezifischer Handlungsentscheidungen zeigen, sind die Wiederholungen und Handlungsverzweigungen in Lola rennt nur wenig konsequent und motivational in die Gesamtdramaturgie eingebunden. Wie aus Spielen bekannt, handelt es sich um Varianten eines Handlungsverlaufs, die untereinander in keinem (erzählerisch-normativen) Zusammenhang stehen. Gerade im Spiel sind diese letztlich nur hinsichtlich ihrer jeweiligen Handlungen oder Ergebnisse zu bewerten.

Schluss und Ausblick

Der Frage nach dem Verhältnis von Computerspielen und Spielfilmen kann in vielfältigster Weise begegnet werden. In den obigen Ausführungen wurde dabei auf das Gemeinsame beider Medienangebote fokussiert, in dem das Spielerische und Erzählerische und dessen Formen als Bestandteile beider Medienangebote modelliert wurden. Diese Perspektivierung erlaubt so, die vielfältigen (Erzähl- und Spiel-) Formen des Computerspiels zu erfassen und nach dessen Implementierungen und Funktionslogiken im Spielfilm zu fragen.

Zu Beginn wurde angemerkt, dass Computerspielverfilmungen wie Doom für die Frage nach dem Verhältnis von Spielfilm und Computerspiel vielleicht weniger interessant seien, als Filme wie Lola rennt. Und in der Tat zeigt sich, dass wenngleich Doom einen Vorläufer im Computerspiel kennt, lediglich die narrativen Formen seines Spielvorläufers übernommen wurden (mit Ausnahme der Firstperson-Sequenz am Ende): Hintergrundgeschichte, Welt, Charaktere, Waffen etc. Der Zuschauer findet in Doom eine konventionelle Erzählung vor, die nur wenig mit dem Spielerischen des Computerspiels zu tun hat. Im Prinzip handelt es sich beim Gros der Computerspiel-Verfilmungen um meist schwache Genreproduktionen, die neben Rahmenhandlung, Szenario oder den 'Look' nur wenig mit dem Computerspiel zu tun haben.

Anders aber bei Lola rennt, dessen Spielformen durchaus auch im Computerspiel zu finden sind: Spielrunden, Wiederholungen, 'restarts' - das alles sind Formen, die sich in Spielen finden lassen und die eine spielerisch-immersive Rezeptionshaltung 'triggern' können. Wenngleich hier mit Lola rennt nur ein Beispiel in den Blick genommen wurde, zeigt sich doch, dass spätestens seit den 90er Jahren vermehrt die Übernahme von Spielformen beobachtet werden kann. Ein Grund dafür mag darin liegen, dass heutige Medienproduktionen es immer häufiger auch mit einer computerspiel-erfahrenen und -erprobten Mediennutzerschaft zu tun haben. Dabei bedienen sie sich auch an den spielerischen Funktionslogiken und Formen des Computerspiels, um schließen so an die Erfahrungen der Gamer an. Mit Sicherheit werden sich daher in Zukunft noch viele weitere Formübernahmen aus dem Computerspiel im Spielfilm beobachten lassen, ebenso wie auch das Computerspiel weiterhin narrative Formen des Spielfilms und anderer massenattraktiver Medienangebote übernehmen wird. Da heutige Mediennutzungen zunehmend durch eine spielerisch-immersive Rezeptionshaltung dominiert werden, wird es für die wissenschaftliche und außerwissenschaftliche Beschäftigung mit massenattraktiven Medienangeboten jedoch zunehmend wichtiger, das Computerspiel und die Erfahrung und Erwartung des Spielers in den Blickwinkel zu nehmen. Um diese allerdings adäquat beschreiben und analysieren zu können, ist es mehr als notwendig sich den Formen des Computerspiels zu widmen und zwar indem vorrangig auch gespielt wird.

"Wir sind in Raumschiffen gereist und haben Kriege durchfochten in Milchstraßen und auf exotischen Planeten, von deren Existenz ihr keine Ahnung habt. [&] Wir haben Dschungel durchquert und Tempel erforscht, die größer waren und fallenbewehrter als die Schützengräbensysteme eines Weltkriegs. [&] Wir lernten, jede erdenkliche Waffe und jedes erdenkliche Gefährt so zu bedienen, als handelte es sich um präzisierte Bestandteile unserer Körper. [&] Aber wir sind keine Träumer. Wir bildeten uns das alles nicht nur ein. Wir waren wirklich dort, nahmen an allem teil und behielten unsere Erinnerungen und Erfahrungen für immer. [&] Wir starben eine Million unterschiedlichster Tode, und jeder einzelne Tod machte uns weiser und lebendiger. [&] Wir sind Computerspieler." [9]

Literatur

[1]: Distelmeyer, Jan (2005): Der Weg ist das Spiel, in: epd Film, 11/2005, S. 8.
[2]: Hartmann, Bernd (2004): Literatur, Film und das Computerspiel. Münster: LIT.
[3]: Sorg, Jürgen/ Eichhorn, Stefan (2005): Playwatch - Mapping Cutscenes, in: Navigationen. Zeitschrift für Medien- und Kulturwissenschaften, hrsg. v. Jens Schröter/Gregor Schwering, 5. Jg., H. 1/2, Siegen, 2005, S. 225-240.
[4]: Vgl. hierzu auch den Spielkultur-Beitrag zu Story vs. Spiel - 1:1 von Martin Ganteföhr.
[5]: Venus, Jochen (2005): Masken der Semiose. Zur Inkongruenz medientheoretischer Perspektiven. Dissertation, Siegen, S. 301-321.
[6]: Zum Formbegriff und zu einer morphologischen Methodik siehe auch Leschke, Rainer (2004): Mittelmaß & andere Größen. Überlegungen zu den Strukturen medialer Formen.
URL: http://www.medienmorphologie.uni-siegen.de/content/Medienmorph.pdf
[7]: Vgl. auch den Spielkultur-Beitrag zu Spielformen im Spielfilm.
[8]: Kampann Walther, Bo (2005): Cinematography and Ludology. In Search of a Lucidography, in: dichtung-digital, URL: http://www.dichtung-digital.org/2004/1-Walther.htm
[9]: Meissner, Tobias O. (2001): Neverwake. Frankfurt: Eichborn, S. 7 ff.

Weitere Literatur zum Thema (Auswahl):

Distelmeyer, Jan (2006): "&unterwegs zur Abteilung Spieltheorie" Überlegungen zum Verhältnis zwischen Videospielen und dem populären Kino, in: Neitzel, Britta/ Nohr, Rolf F. [Hg.]: Das Spiel mit dem Medium. Partizipation - Immersion - Interaktion. Zur Teilhabe an den Medien von Kunst bis Computerspiel. Marburg: Schüren, S. 187-207.
Fehr, Wolfgang/ Fritz, Jürgen (1998): Computer - Film - Spiele. Wie Computerspiele und Spielfilme zusammenwachsen, in: Bundeszentrale für politische Bildung: Computerspiele auf dem Prüfstand, 68-75/98.
King, Geoff/ Krzywinska, Tanya [Hg.] (2002): ScreenPlay. Cinema/ Videogames/ Interfaces. London, N.Y.: Wallflower.
Lischka, Konrad (2001): Neuer Sinn für schwarze Streifen. Was Film und Computerspiel trennt - und verbindet, in: fluter.de/ Bundeszentrale für politische Bildung, 6.12.2001
Neitzel, Britta/ Nohr, Rolf [Hg.] (2006): Das Spiel mit dem Medium. Partizipation - Immersion - Interaktion. Zur Teilhabe an den Medien von Kunst bis Computerspiel. Marburg: Schüren. 
Nohr, Rolf (2003): Les Liaisons Dangereuses: Computerspiel und Film, in: Game Face Nr. 2/ 2003, URL: http://www.game-face.de/article.php3?id_article=11
Rauscher, Andreas (2005): Rules of the Game. Wechselspiele zwischen Film und Videospielen, in: Film-Dienst, 21/2005.
Schiffer, Christian (2006): Videogames killed the moviestar, in: Telepolis, 10.06.2006, URL: http://www.telepolis.de/r4/artikel/22/22733/1.html
Stiglegger, Markus (2006): Zeit der Spiele: der Einfluss von Computerspielästhetik auf die Inszenierung von Spielfilmen, in: Film-Dienst, 14/2006, S. 6-7.   

Kommentare

EvilNobody schrieb am
Interessanter "Bericht". Mir fällt zu diesem Thema noch der Film "Funny Games" ein. Dort wird zum Beispiel mit dem Zuschauer gesprochen, und eine Szene wird sogar zurückgespult, nachdem sie schlecht für einen Killer geendet hat. Der Bericht ist aber wie immer zu wissenschaftlich gehalten, man könnte das auch mit einfacheren Wörtern darlegen.
TNT.sf schrieb am
na neues erfährt man ja nicht grade. das was man ohnehin schon wusste hat mal wieder jemand aufs papier gebracht.
johndoe-freename-48899 schrieb am
Schöner Text! (Wenn auch eher ein wissenschaftlicher Aufsatz als ein Feuilleton-Artikel)
4P: Könnt Ihr nicht eine Druckversion der Kulturseiten anbieten, damit man diese einfacher abspeichern kann und nicht jede Seite einzeln abspeichern muss?
schrieb am