Obwohl Dennaton sich hier für meinen Geschmack zu sehr auf sicheren Pfaden bewegt und letztlich nur das verfeinert, was den ungehobelten Charme des Vorgängers ausgemacht hat, gibt es paar kleine punktuelle Änderungen. So ist man z.B. nicht mehr mit nur einer Figur unterwegs, die abhängig von der ausgewählten Maske besondere Fähigkeiten besitzt. Stattdessen folgt man immer wieder anderen Figuren, die mitunter mit merkwürdigen Ticks versehen wurden, die wiederum die Art und Weise beeinflussen, wie man den Abschnitt lösen muss. In der Rolle eines Reporters z.B. ist man mit einer Schusswaffen-Aversion konfrontiert: Will man ein Gewehr oder eine Pistole aufnehmen, entlädt er sie und schmeißt sie wieder hin. Dementsprechend muss man sich auf seine Nahkampf-Künste verlassen. In einer anderen Mission wiederum ist man Mitte der 80er Jahre à la Rambo II im Dschungel unterwegs, um gegen Kommis zu kämpfen. Doch der Marine weigert sich komplett, die feindlichen Waffen aufzunehmen und verlässt sich entweder auf sein treues Messer oder muss sich Munition für seine Knarre suchen, wenn die Magazine leer sind. So wird man immerhin ab und an mal ansatzweise überrascht und neu gefordert. Bei anderen Protagonisten wiederum hat man die Wahl, was man als Hilfsmittel mit in den Abschnitt nimmt, mit wem man versucht, die Aufgabe zu bewältigen oder welche der Maskenvariationen man aufsetzt. Hat man einmal die Wahl getroffen, gibt es übrigens keine Möglichkeit des schnellen Wechsels mehr. Stellt man z.B. fest, dass das Duo Alex & Ash (einer ist mit Kettensäge unterwegs, während der andere mit Knarren hantiert) einem aktuell nicht passt, kann man nicht problemlos zu Mark wechseln, der mit zwei MPs gleichzeitig um sich ballern darf. Hier hilft nur, die Mission komplett abzubrechen, und über den Umweg ins Hauptmenü den Neustart des Kapitels zu unternehmen.
Schöne Grüße von David Lynch
Eine Aversion gegen Pixelblut ist bei Hotline Miami 2 Fehl am Platze - ebenso eine geringe Frustresistenz.
Schon Teil 1 hat mit seiner Erzählstruktur für Verwirrung bei den Spielern und Zuschauern gesorgt. Zumindest in dieser Hinsicht schaltet Dennaton nicht nur einen oder zwei Gänge höher, sondern zündet den Turbo: Man wechselt nicht nur dauernd die Figuren, sondern springt auch ständig in der Zeit hin und her, wobei tatsächlich die Stränge irgendwann zusammen führen - oder zumindest diesen Eindruck erwecken. Absurde Szenen, merkwürdige Dialoge, ein Wechsel zwischen Film-Realität, gespielter Realität und Halluzinationen – die Dennaton-Schreiber müssen große Fans von Regisseuren/Drehbuchautoren wie David Lynch, David Cronenberg oder Abel Ferrara sein, wobei die Gewaltexplosionen auch Züge von Robert Rodriguez oder Eli Roth tragen. Schade, dass die Dialoge nicht vertont wurden, sondern nur in Schriftform ablaufen und man aufs Kopfkino angewiesen ist.
Die aberwitzige Geschichte, die mit vielen Klischees spielt und mitunter auch Grenzen überschreitet - wegen einer (optionalen) Szene mit sexuellen Anspielungen wurde das Spiel in Australien mit dem höchstmöglichen Alterslabel versehen - wäre mit Sprachausgabe nochmals cooler. Vor allem die Fanboys, die sich auf die Geschehnisse des Vorgängers beziehen und als Trittbrettfahrer bzw. Nachahmer ihre mörderischen Verbrechen begehen, hätten eine ordentliche Sprachausgabe verdient. In dieser Form lässt man leider unnötig viele Atmosphäre-Punkte liegen, die von anderen Designentscheidungen mühsam aufgebaut werden. Dazu gehört z.B. abermals das gelungene Pixelartdesign, dessen Videorekorder-Effekte wie Vor- oder Zurückspulen, Bildschirmrauschen, Bluescreen usw. die Atmosphäre gleichermaßen steigern wie sie den Spieler vor dem Schirm mitunter verwirren oder verstören können.
Überall gelungen
Am Trial&Error-Prinzip hat Dennaton festgehalten. Dennoch bleibt Hotline Miami 2 stets fair.
Obwohl Hotline Miami 2 sich auf keinem der getesteten Systeme (PC, Vita, PlayStation 4) großartig absetzen kann, favorisiere ich die Gangster-Ballade am Rechenknecht. Zwar werden die Berührungsoptionen der PlayStation-Systeme gut genutzt, indem man z.B. auf dem Touchpad des PS4-Controllers das Kartenscrolling nutzen kann, während man auf der Vita komfortabel die Zielmarkierung per Berührung auf dem Gegner platziert. Und unter dem Strich passt die Pixel-Kulisse so optimal auf den Vita-Bildschirm, wie die Baseball-Keule auf die Stirn des hinter der Tür wartenden Feindes. Doch wenn ich alle Faktoren zusammenzähle, fühle ich mich am PC am wohlsten. Die Steuerung ist akkurat, die Kulisse so gut, wie es der gewählte Stil hergibt.
Ganz großes Lob gebührt auch dem Soundtrack. Die Synthie-Kompositionen sind technisch sauberer als im „dreckigen“ Vorgänger und schaffen ein ganz großes Kunststück: Obwohl frisch und neu, lassen sie über ihren Stil Erinnerungen an B- und C-Filme bzw. Fernsehserien der VHS-Ära wach werden - klasse! Weniger klasse ist allerdings, dass der letztes Jahr auf der E3 vorgestellte Editor es letztlich nicht in die Release-Version geschafft hat. Er soll nachgeliefert werden, hätte aber die Wertung bei entsprechender Qualität nach oben drücken können.