Statische Bosse und Geländedefizite
Bei allem Lob für die taktische Vielfalt, gibt es auch einige Defizite. Fire Emblem setzt etwas zu oft auf das Spielziel „Alle vernichten“ und nur selten auf alternative Lösungen wie z.B. eine Flucht oder das Töten des Bosses. Gerade Letztere verhalten sich zudem recht statisch: Sie verharren häufig so lange in ihrem kleinen Bereich, ohne den Rest der Truppe zu unterstützen, bis man sie relativ einfach niedermetzelt. Immerhin gilt das nicht für alle feindlichen Story-Helden, die deutlich aktiver sind und auch mal eine Drachenader einsetzen. Unterm Strich ist die Gegner-KI der Bosse als auch jene des Kollektivs allerdings berechenbar; man kann die Karte lesen und wird nur selten von Flankierungen oder Manövern überrascht. Aber das wird dadurch abgemildert, dass sie zumindest konsequent die schwächsten eigenen Einheiten
Auch wenn der Weg zum Ziel gut geplant sein muss: Manchmal ist es zu leicht, den finalen Boss zu vernichten.
angreifen – und auch das kann sehr weh tun. Außerdem muss man der KI zu Gute halten, dass sie Schätze plündert, Gebäude besetzt oder mit Beute zu fliehen versucht, so dass Perfektionisten einiges abseits der "normalen" Vernichtung aller Feinde zu tun haben.
Es gibt auch im Gelände einige offene Wünsche. Zwar spielt der Untergrund wie Straße, Wald oder Hügel meist eine Rolle für das Vorankommen und es gibt auch mal zerstörbare Wände für Abkürzungen, aber die Höhe bringt einem z.B. keinen Vorteil in der Reichweite. Außerdem ist es ärgerlich, dass Schützen mit ihren Pfeilen oder Ninja mit ihren Shuriken quasi durch Wände feuern dürfen, die als unpassierbar gelten. Auch die Effekte der Drachenadern wirken manchmal inkonsequent: Wenn ich schon einen vereisten See schmelzen kann, auf dem Feinde stehen, dann sollen sie bitte auch untergehen – oder zumindest großen Schaden nehmen. Nicht immer kann man diese arkanen Kräfte sinnvoll einsetzen.
Zwischen Kitsch und Kunst
Viel schwerer zu verdauen als diese kleineren Probleme im Gelände ist der anschließende Kitsch im Hauptquartier. Um
Die Filmsquenzen wirken elegant und episch, die meisten Dialoge und manche Interaktionen hingegen schrecklich kitschig.
Beziehungen aufzubauen, müssen Helden nicht nur zusammen kämpfen, sondern auch reden, baden und quatschen – so weit okay. Es kommt auch immerhin eine strategische Komponente hinzu, weil man nicht alle Charaktere so einfach verkuppeln kann: es gibt also Traumpaare und ich kann mir sogar eine Beziehungsprognose anschauen. Das Problem ist, dass die vielen Dialoge in ihrer Naivität kaum zu ertragen sind, so dass ich irgendwann heilfroh darüber war, dass man sie auf einen Knopfdruck überspringen konnte. Leider geht das mit den Touchscreen-Turteleien nicht, die sich nach "Einladungen" ins Privatquartier ergeben. Es ist schon vollkommen albern, dass man vom Gesicht auf das Dekolletee schwenken kann. Was soll der pubertäre Murks? Spätestens als ich meine Frau mit einem Fingerwischer aufwecken oder nach dem Bad trocken pusten sollte, war es mir zu viel an schwülstiger Romantik. Dass man seine (auf der Astralebene natürlich im Eiltempo heranwachsenden) Kinder aus finalen Heiratsbeziehungen mit in den Kampf nehmen kann, ist da schon etwas Handfesteres, zumal sie die Fähigkeiten der Eltern übernehmen.
Einstieg mit Widersprüchen, Präsentation auf höchstem Niveau
Zwar leidet der Einstieg auch daran, dass Gut und Böse so klar wie in einem Märchen erkennbar sind, so dass man sich zunächst fragt, warum man sich nach sechs Kapiteln überhaupt für eine Kampagne entscheiden soll: Die moralische Antwort
Die Hintergrundgeschichte ist mit ihren drei Blickwinkeln auf lange Sicht interessant. Aber zwischendurch muss man viel Kitsch und Schwarzweiß ertragen.
scheint angesichts eines Vaters und Erzbösewichts, der wie ein teutonischer Sauron auftritt und mordet, während seine Familie in kompletter Naivität gebannt zusieht, eigentlich klar. Warum sollte man sich für diesen Schlächter entscheiden? Gerade zu Beginn gibt es angesichts dieses zu offensichtlich Wahnsinnigen einige Widersprüche in den dümmlichen Gesprächen. Hinsichtlich der Dramaturgie und Gesprächsführung wirkt dieses Fire Emblem wie ein Kinderspiel im Vergleich zum wesentlich reiferen
The Banner Saga 2.
Der Konflikt zwischen den „guten“, an die japanische Kultur angelehnten, Hoshiden und den „bösen“, an europäisches Mittelalter mit deutschem Einschlag angelehnten, Nohr entfaltet erst auf lange Sicht seine Reize – nicht nur, weil es Verrat und Überläufer sowie einige Überraschungen gibt, sondern vor allem aufgrund der verschiedenen Blickwinkel der drei Kampagnen, in denen man ja nicht nur identische Nebenquests aus anderer Sicht, sondern auch die Machtpolitik erlebt.
Vater oder Dämon? Der Erzbösewicht macht es einem sehr schwer, sich für die Ziehfamilie der Nohr zu entscheiden.
Man gewinnt Einblicke in das jeweilig andere Volk, lernt auch den Widerstand kennen oder fremde Mächte, so dass es dann doch nicht so eindeutig gut oder böse zur Sache geht. Entscheidend ist, dass man erst nach Vollendung von "Offenbarung", also nach 60 bis 90 Stunden Spielzeit, ein komplettes Bild dieses Krieges mitsamt seiner Fraktionen bekommt. Unterm Strich ist das durchaus ein lobenswerter erzählerischer Ansatz. Nur leider ist der Weg zur finalen Erkenntnis mitunter eher albern als dramatisch und aufgrund des dreifachen Ansatzes letztlich auch zäh: Natürlich stellt sich eine gewisse Routine ein, wenn man zum zweiten oder dritten Mal antritt.
Rechtfertigt der Perspektivwechsel die Aufteilung in drei Spiele? Nein, absolut nicht. Selbst wenn sie unterschiedlich konzipiert sind, was Anspruch und Fraktionen betrifft, wiederholen sich wie gesagt viele Spielmechaniken. Für treue Fans ist das natürlich auch eine teure (40 Euro pro Kampagne) und verwirrende Aufteilung: Was bekommt man wann? Was spielt man am besten zuerst? Wieso gibt es "Offenbarung" nur digital ab Juni?