Ablaufroutine und Stilbrüche
Leider ist alles andere außerhalb dieser psychologisch interessanten Fragerunden spielerisch nicht der Rede wert und statt offener Erkundungsreize oder wenigstens detektivischer Recherche herrscht meist Ablaufroutine, zumal man auf Knopfdruck die Anweisung bekommt, wo man als Nächstes hin soll: Geh ins Obergeschoss, geh in Behandlungsraum C, geh ins Archiv und so weiter. Viel zu oft muss man einfach nur von A nach B laufen und dort eine Puppe oder einen Brief platzieren oder mal extrem simple Schalterrätsel bewältigen - und besonders weitläufig ist die Anlage nicht. Hinzu kommen unlogische Situationen wie plötzlich verschlossene oder geöffnete Türen, obwohl man sich nicht in einer surrealen Erinnerung, sondern in der toskanischen Realität befindet, in der es weder Geister noch Übersinnliches gibt.
Die größte Herausforderung bleibt die hakelige Steuerung, denn man muss ständig die Karten auf den Fluren langsam heranzoomen (warum werden die nicht einmal archiviert und gut?), hängt schonmal an kleinen Hindernissen und öffnet in schlimmer Monotonie Türen oder Schränke - manchmal muss man beide Flügel sogar einzeln anwählen, sonst kommt man nicht durch. Sehr enttäuschend ist zudem,
Man ist nicht nur im Gebäude, sondern auch außerhalb unterwegs - und gerade dort werden die technischen Schwächen auf PS4 und Xbox One sichtbar.
dass man zwar manchen Gegenstand als 3D-Objekt näher untersuchen kann, inklusive halbherzigem (!) Drehen und Zoomen, aber dass man hier weder etwas entdecken noch rätseln kann. Selbst Briefe darf man nicht komplett auf die Rückseite drehen. Hier wurde viel Potenzial verschenkt!
Stattdessen muss man sich sehr viel vorlesen lassen, immerhin gut auf Deutsch eingesprochen, und braucht eine Lupe, um so manche Texthinweise zu lesen, die in zu kleiner Schrift oben rechts angezeigt werden. Hinzu kommen die Stilbrüche in der Präsentation, die einen mit ihren gezeichneten Rückblicken immer wieder aus dem Erlebnis herausreißen. Immerhin wirken die gespielten Passagen in der Vergangenheit mit ihren surrealen Verzerrungen oder dem Gang durch die diffus graue Welt der 30er Jahre mit den puppenhaft Inhaftierten eindringlicher - hier wird trotz schrecklich steifer Animationen zumindest die kalte Fratze von Wärtern ebenso greifbar wie das entseelte Gesicht all der gequälten menschlichen Marionetten.
Labyrinth der Langeweile
Irgendwann ab dem letzten Drittel dieses Psychotrips war ich aber nur noch genervt. Wie gut man das Erkunden inszenieren kann, ohne dass man sich dermaßen gegängelt fühlt, hat
What Remains of Edith Finch kürzlich eindrucksvoll bewiesen - hier erlebt man das Gegenteil. Was hat die Entwickler bloß geritten, dieses erzählerisch so interessante Abenteuer dermaßen künstlich zu strecken? Hier wird das Klischee des "Wandersimulators" leider rücksichtslos bedient, weil irgendjemand auf die Idee kam, dass es außerhalb der Psychiatrie ja noch eine Landschaft, einen Friedhof und Pavillons gibt.
Die Psychiatrie besteht aus zwei Etagen - es gibt ein Treppenhaus inklusive Aufzug. Man kann sich kaum verirren, da es in jedem Flur eine beschriftete Karte sowie auf Knopfdruck (Touchpad) genaue Angaben zum nächsten Zielort gibt.
Also muss man plötzlich einem Leichenwagen hinterher laufen, nur um dabei die schwache Technik anstatt eine idyllische Toskana zu erleben. Nur auf den allerersten Blick sorgt das Licht zusammen mit der Architektur sowie der Flora für so etwas wie mediterranes Flair. Aber im Gegensatz zum ansehnlichen
The Vanishing of Ethan Carter ist dieses von der Unity-Engine inszenierte Town of Light vor allem außerhalb der Psychiatrie eine komplette grafische Ernüchterung - hier kommt es beim langsamen Wandern zu Popups, Flimmern und starken Bildrateneinbrüchen. Auf den zweiten Blick sieht das nicht schön, sondern nur noch spröde aus - jegliche Faszination geht hier flöten.
Aber auch das Spieldesign bricht während dieser Ausflüge aufs Land komplett ein: Man muss tatsächlich wie an der Schnur gezogen Lichtern folgen, jedes Gestell eines Spielplatzes nutzen und in einem surrealen Labyrinth der Erinnerungen einige Bildmotive an Wänden finden. Hab ich einige gesagt? Es sind 17! Und wenn da erst 1/17, dann 2/17, dann 3/17 eingeblendet wird, während man blöde umherirrt, fühlt man sich wie in einem schlechten Ubisoft-Film, in dem Assassinen irgendwelche Federn sammeln sollen. Es war lediglich die Aussicht auf das baldige Finale, die mich durchhalten ließ.