Test: Balan Wonderworld (Plattformer)

von Matthias Schmid



Balan Wonderworld (Plattformer) von Square Enix
Wunderwelt mit Macken
Publisher: Square Enix
Release:
26.03.2021
26.03.2021
26.03.2021
26.03.2021
26.03.2021
26.03.2021
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Square Enix hat die Erfinder von Sonic the Hedgehog engagiert, jetzt ist deren erstes Spiel fertig: Das Jump’n’Run Balan Wonderworld hat viele gute Ideen, macht aber auch haarsträubende Fehler. Was das für den Spielspaß bedeutet, erläutern wir im Test.

Naka + Oshima = ?

Es wäre vermessen gewesen, vom Erstlingswerk der Balan Company eine Sternstunde des modernen Hüpfspiels zu erwarten. Das gibt die Bilanz der Macher in den letzten Jahren schlicht nicht her: Yuji Naka mag dem Mega Drive mit Sonic the Hedgehog 1991 ein technischen Meilenstein verpasst haben, das macht ihn aber noch nicht zu einem genialen Spieleregisseur des Jahres 2021; sein letztes Studio Prope war nach der Bauchlandung mit Rodea: The Sky Soldier nicht mehr in Erscheinung getreten. Und Naoto Oshima, einst der Charakterdesigner des prominenten Sega-Igels, hat mit seiner Firma Arzest in der letzten Dekade vor allem Nintendo-Hits ins Handheld-Format übertragen und davor mit zwei Blinx-Episoden vergeblich versucht, der ersten Xbox ein Maskottchen auf den Leib zu programmieren. Nun tut sich das einstige Dreamteam hinter Nights into Dreams erneut zusammen und hat ein 3D-Hüpfspiel mit massig Kostümen produziert, das wirkt als hätte Willy Wonka ein wilde Affäre mit dem Harlekin aus besagtem Nights. Balan Wonderworld tischt dem Spieler tatsächlich eine bonbonbunte Wunderwelt auf, die sich für kein kitschiges Szenario (Unterwasser-Delphinwelt!) zu schade ist und dabei auch noch keck in Richtung Disney linst - nach jedem Bossfight führt die Spielfigur zu beschwingter Musik eine Tanzeinlage auf, bei der die gesamte Welt mitwippt und Konfetti vom virtuellen Himmel regnet.

Kostümball

In jeder Welt soll man die Probleme eines menschlichen Außenseiters lösen. Manches Objekt in der Spielwelt (hier: Fahrrad) passt dann zur jeweiligen Geschichte.
In jeder Welt soll man die Probleme eines menschlichen Außenseiters lösen. Manches Objekt in der Spielwelt (hier: Fahrrad) erinnert dann an die jeweilige Geschichte.
Im Kern ist Balan Wonderworld ein 3D-Plattformer, der an Super Mario Odyssey oder A Hat in Time erinnert: Man wählt einen Buben oder ein Mädel als Spielfigur und von einer grasgrünen Mini-Oberwelt aus überschaubar große Jump’n’Stages aus. Alle Levels schweben frei im Raum und setzen auf sehr unterschiedliche Szenarios: Vom Bauernhof geht es in eine Insektenwelt, das Winterwunderland fehlt ebensowenig wie ein Dschungelgebiet oder ein Schachspiel-Land. Dort hopst man natürlich über bodenlose Abgründe, nutzt Schwebeplattformen, löst Schalter aus und springt Feinden auf die Rübe. Regelmäßig sammelt man zusätzlich Kostüme auf: Über 80 sind im Spiel enthalten, meist sind die damit verbundenen Fähigkeiten zwingend notwendig, um im jeweiligen Level voranzukommen. Die Verwandlungen bringen ganz profane Dinge mit (weiter springen, schießen, durchs Wasser tauchen), ermöglichen teils aber auch überraschende Dinge: Als Fackel auf Beinen kann man Zündschnüre zum Brennen bringen, das Zahnrad-Männchen darf als Einziger spezielle Schalter aktivieren und die Spinnenfrau geht senkrecht die Netze hoch. Drei Kostüme kann man stets bei sich tragen und auf Schultertastendruck durchwechseln. 
Sehen niedlich aus, haben aber keinen wirklich Sinn: Die plüschigen Tim-Wesen bevölkern die Levelauswahl-Oberwelt.
Sehen niedlich aus, haben aber keinen wirklichen Sinn: Die plüschigen Tim-Wesen bevölkern die Levelauswahl-Oberwelt.
Die Krux an der Idee: Jedes Kostüm hat nur eine Spezialfähigkeit, in manchen darf man nicht mal mehr springen - das fühlt sich in einem Plattformer sehr einschränkend an. Als Mini-Kampfroboter schießt man z.B. automatisch, wenn man stillsteht, wer sich dieses Steuerkonzept - angesichts von vier Frontbuttons auf jedem Controller, von denen aber jeder diesselbe Aktion auslöst - ausgedacht hat, gehört gefeuert. Manche Kostüme sind sich teilweise zu ähnlich - z.B. gibt es mehrere, die einen in der Luft laufen lassen, andere scheinen den Spieler bewusst ärgern zu wollen: Die Laternenverwandlung schaltet das Licht in regelmäßigen Abständen einfach ab, die Sprint-Transformation wird hin und wieder langsamer. Ich schätze den Enthusiasmus der Entwickler, möglichst viele wilde Kostüme integrieren zu wollen, hier wäre aber weniger eindeutig mehr gewesen. Zudem ist das Design der Figürchen teils grenzwertig, in manchen Klamotten sieht meine Figur wie ein Vollhorst aus!

Viele Stages wecken beim Jump
Viele Stages wecken beim Jump'n'Run-Liebhabern sofort den Drang, die Welt zu erkunden - die Meereswelt ist besonders ansprechend.
Wo man, ergänzend zum Erreichen des Ausgangs, in Mario-Titeln Sterne oder Monde sammelt, warten in den Arealen von Balan Wonderworld goldene Statuen des titelgebenden Harlekins: Die sind vielfach einfallsreich verborgen und können nur mit klugem Kostümeinsatz ergattert werden. Praktischerweise kann man an jedem Checkpoint durch kurzes Warten auf einer kreisrunden Fläche den Kleiderschrank betreten und Kostüme aus anderen Welten anlegen - zwar nur solche, die man am Ende einer Stage in seiner 3er-Auswahl hatte, doch nach etlichen Levels kommt auch so eine ordentliche Garderobe zusammen. Warum sich das Spiel zu fein ist, diese Mechanik vernünftig zu erläutern, weiß ich leider nicht. Nach einer Weile steigt man aber dahinter und kann die goldenen Balans in jedem Level holen. Anders als in den hervorragenden Mario-Titeln oder auch jüngst in Sackboy: A Big Adventure reichen die Sammelgegenstände, die man im Vorrübergehen mitnimmt, nicht aus, um im Spielverlauf alle Welten freizuschalten. Das erneute Besuchen der Stages kann reizvoll sein, mir wäre es aber lieber gewesen, wenn man das ans Ende verfrachtet hätte und es nicht schon nach der Hälfte als Pflichtübung integriert hätte. Auch in diesem Punkt kann Balan Wonderworld also nicht mit der Nutzerfreundlichkeit der besseren Genre-Kollegen mithalten.

Kommentare

LeKwas schrieb am
Hm, also 'lieblos' ist imho kein Adjektiv, das dieses Spiel passend umschreibt, 'planlos' trifft es da viel besser - also so, wie man es auch von diversen 3D Sonics gewohnt war. :biggrin:
Ehrlich gesagt hätten sie daraus auch imho eher einen Cartoon anstelle eines Videospiels machen sollen, ich denke, dass so etwas in der Art bei Kindern ganz gut ankommen könnte:
Spoiler
Show
/Edit: Um nochmal auszuführen, wie planlos das ganze eigentlich konzipiert ist: Viele merken an, dass sie Balan für einen toll designten Charakter halten, und da ist anscheinend auch ordentlich Arbeit reingeflossen, gleichzeitig aber lässt das Spiel - wohlgemerkt, sein eigenes, nach ihm benanntes Spiel - es kaum zu, dass man ihn überhaupt spielen darf (abseits der ständig recycelten QTE-Passagen). Er wird in seinem eigenen Debütauftritt von Sidekicks zum Sidekick degradiert.
Levi  schrieb am
ChrisJumper hat geschrieben: ?09.04.2021 22:12 Dennoch, wir alle wollen neue Spiele und Kunst die nicht nur einem Schema F nachahmen sondern auch etwas neues probieren. Denn das ist später, mehr wert als die hundert fünfte Version von einem Egoshooter wie Call of Duty.
Tjo... Und genau so wirkt Balant Wonderworld wie der 100ste lieblose Ideenlose Abklatsch eines 3d Platformers, der zudem noch schlecht umgesetzt ist.
Das Spiel ist weder handwerklich gut, noch hat es andere Qualitäten, die die handwerklichen Mängel wett machen würden.
Mal so als Gegenbeispiel:
Deadly Premonition, technisch damals mindestens ne Gurke wie jetzt balant wonderworld... Aber Atmosphäre zum schneiden.
Oder anderes Beispiel: Sonic Worlds. Das Spiel krankte an nicht funktionierenden Leveldesign und einen Gegner-Cast aus der Vergessenheits-Hölle. Hatte aber mit seinem Parcour Gameplay etwas spaßiges auf den Tisch gebracht, das leider vom schlechten Leveldesign aufgefressen wurde.
Oder wonderful 101. Fehlende Tutorial, zu langatmige Level, und teils schlecht umgesetzte Genre-Ausflüge. Aber Inszenierung und Core-Gameplay zum verlieben, wenn es denn funkt.
Hat Balant Wonderworld auch nur einen Aspekt, der irgendwie funktioniert und Spaß macht?
Es gibt hunderte dieser grandiosen Spiele mit Ecken und kanten, die vielleicht nicht jedem gefallen, aber irgendwo ihre Abnehmer/Verehrer finden. Balant Wonderworld hat es jedoch nicht verdient, in dieser Riege aufgenommen zu werden. Allein schon, weil es eben keine versteckte Perle ist, sondern ein Spiel "by numbers". Das ganze Spiel ist auf möglichst großen Gefallen bei jüngeren Publikum getrimmt. Ohne Ecken. Ohne Kanten. Ohne funktionierende Ideen.
Assassins Creed und CoD sind auch solche Maserngeschmack Spiele... Aber diese sind dann wenigstens gut umgesetzt.
CritsJumper schrieb am
Psycake hat geschrieben: ?08.04.2021 05:58 Also ja, ich finde das Spiel schlecht. Dank meiner Demoerfahrung und den internationalen Reviews stehe ich zu der Erfahrung und werde es so schreiben.
Du kannst deine Gegenmeinung schreiben und es so akzeptieren oder mich als unwissenden Hater abstempeln. Aber letzteres werde ich nicht so stehen lassen.
Ist schon ok. Nicht jede Entwickler:innen erreicht ihr Maximum oder eine hinreichende Annäherung an die Vision.
Ich freue mich (meistens) einfach nur wenn Entwickler:inne den Mut haben etwas neues zu probieren. Ja mir erscheint die Immunabwehr der Spieler:innen oft einfach wie eine Überreaktion, wenn etwas nicht vertraut ist.
Es ist gut, wenn jemand auf die Nachteile dieses Spieles hinweist. Ich wollte nur dafür sensibilisieren wenn eine Vielzahl von Spieler:innen die Demo herunter geladen haben und sich über die schlechte Qualität echauffieren, ohne die Release Version probiert zu haben. Ja die kann auch schlecht sein und dann muss die Zielgruppe entscheiden ob das unter aller Sau war, sonst gibt es sogar wahrscheinlich keinen Fix.
Von daher ist das alles relativ gesund.
Niemand ist ein Hater, wenn er der Opposition noch zuhört.
Wahrscheinlich ist Balan Wonderworld ein schlechtes Spiel weil es erhebliche Mängel besitzt und wahrscheinlich ist nicht nur die Demo sondern auch das Spiel schlecht. Dennoch, wir alle wollen neue Spiele und Kunst die nicht nur einem Schema F nachahmen sondern auch etwas neues probieren. Denn das ist später, mehr wert als die hundert fünfte Version von einem Egoshooter wie Call of Duty.
Psycake schrieb am
Scorplian hat geschrieben: ?08.04.2021 12:34 Edit:
Ach egal, ich hab mich da mal wieder zu sehr reingesteigert.
Ich mag einfach keine objektiven Formulierungen, vor allem wenn (zumindest etwas) provokativ, und fertig.
Muss mich hier auch CHEF3000 anschließen. Auch ich finde es völlig okay, wenn man seine Meinung frei aus der Leber heraus sagt. Leider scheint es mir manchmal so, dass wenn man nicht "meiner Meinung nach" oder "ich finde, dass" dazu schreibt, man dies wohl direkt als objektiven Fakt hinstellt und keine andere Meinung akzeptiert.
"Subjectivity is implied" sagte Joseph Anderson mal in einem Video desselben Namens und dem stimme ich zu.
Finde es auch dementsprechend immer frustrierend, wenn Gegenkommentare dann schreiben "Der reitet doch nur auf der Hasswelle mit", "der hat keine Ahnung" und "Oh, diese Hater!" Dementsprechend harsch kann dann mein Kommentar auf so etwas sein (wobei ich mich wohl auch hinein gesteigert habe). Ich bin da vielleicht ebenso empfindlich wie du bei objektiven Formulierungen.
Ein Gegenkommentar der Marke "Sehe ich anders" oder "Stimme ich nicht zu" finde ich hingegen vollkommen okay. In dem Fall bin ich auch gerne für interessante Diskussionen zu haben.
Kann aber deine Seite gut verstehen und weiß, dass solche Formulierungen Objektivität implizieren können.
Sollten wir uns aber das nächste Mal uneins sein, habe ich durchaus nichts gegen eine entspanntere Diskussion. ^^
schrieb am