Gemeinsam allein
Die Tatsache dass Six, die Heldin des Vorgängers, nun als KI-Begleiterin meiner Spielfigur Mono agiert, raubt nichts von der Bedrohlichkeit: Egal ob ich mich im Gras vor der Flinte des groben Jägers (mit Jutesack über dem Gesicht) ducke, mit angehaltener Luft durch brackige Tümpel tauche oder mich in einem Horror-Klassenzimmer vor den Blicken der riesigen Lehrerin verberge: Mono und Six sind immer die Schwachen, die von überraschend platzierten Fallen zerquetscht, gierigen Mäulern verschlungen oder schrägen Puppenkindern eingefangen werden. Angenehm fand ich, dass Tarsier zwar bekannte Gruselmotive aufgreift (düsterer Schulkorridor, Puppen, Jägerhütte im Wald) diese aber intelligent und überraschend aufbereitet, anstatt sich in Horror-Plattitüden zu ergehen. Klar, manches Monster hat einen Hauch von Ohngesicht (aus dem Ghibli-Film Chihiros Reise) an sich, andere Feinde erinnern entfernt an die Kettensägen-Hinterwäldler aus
Resident Evil 4 und einige Perspektiven und Kameraschwenks habe ich so ähnlich schon in
Inside erlebt - trotzdem wirkt Little Nightmares 2 nie wie die Verquickung bereits durchgenudelter Motive, sondern stets wie ein eigenständiges Spiel, dessen optische Umsetzung von Anfang bis zum (bisherigen) Ende fulminant ist.
Hüpfen, schieben, kämpfen
Nanu, wer schaut denn da so neugierig? Die Horror-Lehrerin könnte von einer Giraffe abstammen...
Für den spielerischen Gehalt habe ich nicht ganz so warme Worte: Wer den Vorgänger oder andere ähnlich gelagerte Spiele wie
Limbo,
Inside,
FAR: Lone Sails oder
Unravel kennt, wird nur selten überrascht. Man schiebt Kisten und aktiviert Schalter, lässt Gewichte herab oder öffnet Klappen, stirbt natürlich in diversen Fallen und hilft sich neuerdings durch Räuberleiter gegenseitig hoch. Tarsier gelingt zwar eine bekömmliche, wohldosierte Melange aus Laufen, Denken, Springen und ein wenig Kämpfen - wirklich geistreich oder herausfordernd sind die spielmechanischen Elemente aber bisher selten. Kleine Schleichpassagen muss man teils mehrfach absolvieren, um die Bewegungen der Feinde zu studieren, und ein, zwei Rätsel ärgerten mich, weil ich die Lösung eigentlich schon hatte, aber das ungenaue Werfen von Gegenständen ein Vorankommen verhinderte.
Die bisher gezeigten Abschnitte sind allesamt äußerst sehenswert und liebevoll gestaltet.
Auch würde ich gerne noch mehr Klettern und durch Ritzen kriechen - die Areale sehen zwar hinreißend aus, so richtig viel zum Entdecken gibt es kaum. Immerhin warten ein paar versteckte Kopfbedeckungen für meine Figur Mono. Die Steuerung empfand ich als einen Tick direkter als im ersten Teil, trotzdem sind mir die Kontrollen noch immer etwas zu träge. Richtig stark ist dagegen das spürbare Gewicht von Waffen - z.B. wenn meine schwächliche Figur ein Rohr hinter sich herschleppt und dann unter große Kraftaufwendung einem Gegner über den Schädel zieht. Little Nightmares 2 geht mehr in die Tiefe als sein Vorgänger, anstatt für spielerisch relevantes Suchen oder komplexere Mechaniken nutzen die Entwickler den gewonnenen Spielraum aber nur für tolle Kamerawinkel und dreidimensionaler wirkende Areale - in Wahrheit ist nach ein paar virtuellen Metern in die Tiefe nämlich meist Schluss.