Einen derartigen Moment hatte ich schon einmal, im Outdoor-Drama
Firewatch, einem der wenigen Spiele, die es – nach meinem Dafürhalten – schaffen, das emotionale Drama eines guten Films oder Buchs in ein Videospiel zu kanalisieren. In Firewatch erfährt der Spieler im Rahmen eines unheimlich sensiblen Intros von der Erkrankung der Frau der Spielfigur. Ich habe es mir eben nochmal im Video angesehen und hatte sofort wieder feuchte Augen. Damals hatte ich mir gedacht: Wahnsinn. Wie gut ist das gemacht, wie sehr rüttelt das an meinen Gefühlen? Und: Warum kriegen so etwas Wunderbares alle
Call of Dutys der Welt mit ihren teuer bezahlten Hollywood-Autoren nicht hin? Ich kann und möchte Under the Waves an dieser Stelle noch nicht die erzählerische Qualität von Firewatch andichten – aber das Potenzial für eine gut geschriebene Geschichte ist hier definitiv am Start.
Vom Suchen und Schwimmen
Was sehen wir hier? Die ersten offiziellen Spielszenen und Screenshots geben auch Rätsel auf.
Doch ich wollte ja noch über das normale Unterwasser-Tagwerk von Stan sprechen: Anfangs stapft er mit seinen schweren Stiefeln durch geflutete Gänge, ich lasse ihn ein paar Luken aufdrehen und muss Ausschau halten nach dem richtigen Weg. So weit, so überschaubar. Als die Räumlichkeiten unter Wasser, vor allem in puncto Höhe, ausladender werden, kommt der zweite Aha-Moment: Ich muss zu einer Stelle auf einer höheren Ebene gelangen, entdecke aber keine Leiter. Da gibt mir ein anwesender Entwickler einen kleinen Tipp: Schwimm doch. Häh, schwimmen? Kam mir gar nicht in den Sinn, weil Stan ja bisher nur über den Boden geschlurft ist. Also löse ich seine Stampfer auf Knopfdruck vom Ozeangrund und schwimme schräg in die Höhe. So weit, so normal in einem Unterwasserspiel. Drücke ich dann jedoch erneut den Button, dann landet Stan auf der oberen Plattform und ich wechsle wieder zum Lauf-Modus. Das klingt banal, hatte aber einen Touch vom Über-den-Rand-gehen bei
Super Mario Galaxy. Denn dadurch gewährt mir das Spiel volle Bewegungsfreiheit im Unterwasser-Raum, bewahrt mich aber gleichzeitig davor, sämtliche Bewegungen umständlich in 3D ausführen zu müssen. Zum nächsten Dreh-Ventil vor einer Stahltür muss ich also nicht hinschwimmen, sondern kann wieder ganz normal laufen. Cool irgendwie.
Stan kann sich unter Wasser frei bewegen oder träge über den Meeresboden stapfen.
Ich bin allerdings gespannt, welche spielerischen Herausforderungen das Team von Parallel Studio vorbereitet hat. Ich kann mich als Spieler durchaus in Story-Games stürzen und einen geringen Gehalt an Geschicklichkeits- oder Skill-Prüfungen verkraften, aber so ein bisschen wohldosierte Action könnte Under the Waves vielleicht gut tun. Auf Screenshots gibt es zarte Hinweise auf übernatürliche Phänomene und das Steuern des Forschungs-U-Boots im zweiten Teil der Demo hat auch Laune gemacht – ich bin ganz nah an einen riesigen Blauwal herangekommen und habe mich gefragt, welche Gefahren und Geheimnisse im undurchdringlichen Dunkel des Meers wohl noch warten. Trotzdem: Möchten die Entwickler auch Zocker jenseits der Walking-Sim- und Story-Games-Blase ansprechen, dann könnten ein paar Zugeständnisse in Richtung "mehr traditionelle Spielemente" hilfreich sein.
Guter Mann
Creative Director Ronan Coiffec in seinem Arbeitsplatz bei Parallel Studio.
Nach meinem Anspieltermin treffe ich mich mit Ronan Coiffec, dem Game Director des Spiels, der gleichzeitig Gründer und Chef des Entwicklerstudios Parallel Studio ist. Mit ihm plaudere ich über virtuelle Unter-Wasser-Vorbilder, die Einbindung einer Meeresschutz-Organisation in die Entwicklung und die Spielmechaniken in Under the Waves. Und dann sind wir beide erstaunt: Er zunächst, dass ich
EQQO, das letzte Spiel des Teams – ein Wohlfühl-Erzählspiel mit stimmungsvoller Optik und mythologisch angehauchtem Setting – nicht nur kenne, sondern auch für 4Players getestet habe (siehe
Besprechung hier). Und dann staune wiederum ich, weil Ronan davor ein Spiel verantwortet hat, das mir sogar noch besser gefallen hatte: Den Schwarz-Weiß-Horror
White Night, damals noch als Kreativchef der Indie-Entwicklers Osome Studio. Nicht nur ein nettes Beispiel, wie klein die bunte Welt der Videospiele manchmal doch ist, sondern auch ein schöner Zufall, dass ich damit quasi der perfekte Redakteur bin, um über sein nächstes Spiel Under the Waves zu schreiben…