Seelenspiele
Seit rund zehn Jahren befasst sich Deck 13, eines der namhaftesten deutschen Spielestudios, mit beinharten Action-Rollenspielen, die man gemeinhin unter dem Begriff "Soulslikes" zusammenfasst: Mit
Lords of the Fallen aus dem Jahr 2014 waren die Frankfurter sogar richtig früh dran mit so einer Art Spiel. Zwei gelungene
The Surge-Abenteuer später heben sie eine neue Marke aus der Taufe, "die Spielende in eine halboffene, sandbedeckte Welt voller alter Geheimnisse und Bedrohungen entführt, in der sie auf zwei mysteriöse Kämpfer treffen, die mit sanddurchtränkten Waffen gegen legendäre Kreaturen kämpfen.“ Im O-Ton der Pressemitteilung klingt das noch etwas holprig und bemüht, wer die Welt von Atlas Fallen aber betritt, der hat sofort das Gefühl, dass hier jemand Bock hatte, eine eigenständige Fantasy-Welt auf die Beine zu stellen: mittelalterlich anmutende Siedlungen, windschiefe Burgen, die sich an schroffe Felsformationen klammern, sandige Wüsten und gigantische Höhlen voller bodenloser Abgründe. Am Horizont thront ein erhabener Titan, derweil kämpft man als Spieler mit wuchtigen Nahkampf-Kombos gegen Sandwürmer, Riesenkrebse & Co. Sofort stürmen die Vergleiche auf erfahrene Zocker ein: Der Gigant in der Ferne lässt an die
Xenoblade Chronicles-Reihe denken, die große halboffene Spielwelt und das spaßige Surfen über den Sand sind mit dem kürzlich erschienenen
Forspoken vergleichbar. Die bleischwere Stimmung im kargen Felsendort wiederum weckt Erinnerungen an
NieR und der Inszenierung der Kämpfe wohnt eine große Portion
Darksiders inne.
Schmutziger Sand-Look, ein Hauch von Mittelalter-Mad-Max, Männer und Frauen mit Umhängen und Gesichtsmasken. Das ist die Stimmung in Atlas Fallen.
Nach mehreren spaßigen Stunden mit Atlas Fallen hat mich vor allem überrascht, dass sich das Spiel mehr wie ein großes Action-Adventure und nicht wie ein Soulslike-Rollenspiel anfühlt. Nach Lords of the Fallen und The Surge 1+2 dachte ich mir: Ich bin kein großer Kenner und Fan dieser heutzutage so beliebten Spielart, den Test sollten dann mal die Soulslike-affinen Kollegen Boris oder Eike übernehmen. Eine Preview-Reise in das geschundene Land mit den Sandmonstern traute ich mir aber durchaus zu. Und dann bin ich in den ersten zwei Stunden (auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad) kein einziges Mal gestorben! Klar, es gibt Elemente wie man sie aus Soulslikes kennt, aber für mich stecken da mehr
Darksiders,
Kingdoms of Amalur oder
Immortals: Fenys Rising drin. Meine Vorschau-Reise beginnt in einer felsigen Höhle, wo mir die ersten Feinheiten des vielschichtigen Kampfsystems beigebracht werden: Mit perfekt getimten Paraden verwandle ich Feinde in Salzsäulen, dabei weist ein kluger kleiner Indikator stets darauf hin, wann und aus welcher Richtung eine Attacke zu erwarten ist. Meine Schläge füllen derweil kleine grüne Punkte am unteren Bildrand auf, die ich dann in Gesundheits-Boosts verwandeln kann. Atlas Fallen arbeitet also nicht mit einer beschränkten Anzahl an Tränken, die erst am Lagerfeuer wieder aufgefüllt werden, sondern belohnt offensives Spielen mit Heil-Items. Das gefällt mir.
Momentum & Essenzsteine
Auch unter der Erde gibt es Spannendes zu entdecken in der Fantasy-Welt von Atlas Fallen.
Generell haben mich die vielen Details und Feinheiten der Kampf- und Spiel-Mechaniken in den ersten Stunden zwar nicht erschlagen, aber doch überrascht: Zum einen ist da dieser mysteriöse Handschuh an meinem Arm, dem eine Art Geist innewohnt und mit dem mein Held nicht nur Speicher-Ambosse aktivieren, sondern auch grün schimmernde Sand-Plattformen aus dem Boden sprießen lässt. Ich kann Rüstungen anlegen und diese in verschiedenen Kategorien hochleveln, dazu habe ich eine Primär- sowie eine Sekundärwaffe, die ich mit sogenannten "Essenzsteinen" pimpen kann. Die werden aktiv, sobald die Momentum-Anzeige – eine Art Kombo-Leiste am unteren Bildrand – die Stelle erreicht hat, wo ich sie platziert habe. Ein interessantes Konzept: So erhaltet ihr generelle Boosts wie mehr Angriffskraft oder könnt mächtige Spezialattacken auslösen – und zwar in exakt der Reihenfolge, wie ihr es im Steine-Menü selbst angeordnet habt. Dazu gesellen sich verschiedene Perks, die vom Schatztruhen-Tracker bis zu verkürzten Cooldown-Zeiten reichen. Außerdem gibt es Idole mit weiteren Spezialfähigkeiten, die Option, selbst Essenz-Steine zu schmieden, besonders harte Finisher am Ende einer Komboserie und einiges mehr. Mich hat das ziemlich an das etwas überfrachtete, aber eben auch vielschichtige Waffen- und Ausrüst-System von
God of War Ragnarök erinnert, wo man sich auch erstmal in die ganzen Mechaniken und Gimmicks hineinwühlen musste...
Darksiders stand Pate für das Spielgefühl bei den Kämpfen. Kein schlechtes Vorbild.
Die Action selbst überzeugt mit wuchtigen Manövern und einer Mischung aus Luft- und Bodenkampf: Neben den oben erwähnten Paraden gibt es eine Ausweichrolle sowie einen Air-Dash. Der hilft nicht nur beim Überqueren von zerstörten Brücken oder dem schnellen Umhersausen in der Landschaft, sondern ist auch nötig, wenn man nach oben katapultierte Feinde in der Luft verfolgen und dann mit einem Schmetterschlag zurück auf die Erde befördern möchte. Gut getimte Blocks wechseln sich mit Button-Mash-Kombos ab, ich bearbeite verschiedene Körperteile von großen Monstern (da haben sich die Entwickler auch noch ein System einfallen lassen), schicke dann einen Sand-Tornado los, gehe in die Offensive und heile mich anschließend oder ergreife die Flucht. Level-Nummern über den Feinden weisen in der weiten Spielwelt derweil darauf hin, dass so manches Monster vielleicht noch eine Spur zu tough ist…
Dörfer, Wüste & Kristalle
Wenn Sandwürmer mit Lasern schießen, dann ist den praktisch, wenn die Spielfigur flink ausweichen kann. Wie praktisch, dass man in Atlas Fallen zum Sand-Surfer wird.
Richtig gut gefallen haben mir der generelle Aufbau der Spielwelt und das Entdeckergefühl: Man hat sofort das Gefühl, eine interessante Terra incognita mit verschiedenen Landschaftstypen vor sich zu haben – einen großen interessanten Spielplatz, der erkundet bzw. erobert werden möchte. Per Druck auf den linken Stick wird gesprintet bzw. auf sandigem Untergrund über die Dünen gesurft, ständig lockt – ein bisschen wie in
Breath of the Wild – die Aussicht, hoch droben auf einer Felsnadel eine Schatztruhe zu finden oder im Wald leisetreterisch den Spuren eines Tieres zu einem besonderen Ort zu folgen. Oder man meistert eine der Kristall-Finde-Aufgaben. Die gehen so: Ihr löst, per Druck auf die Nach-unten-Taste auf dem Pad, an bestimmten Stellen die Sand-Manipulationsfähigkeit des Handschuhs aus. Dann sprießt ein Kristall aus dem Boden, bündelt die Sonnenstrahlen und wirft einen Lichtstrahl zu einem Ort, der viele Meter entfernt ist. Also flitzt man dorthin bevor die Lichtlinie erlischt, wiederholt das Prozedere und erhält nach dem vierten oder fünften Mal einen Schatz oder sogar ein Quest-relevantes Item. Das funktioniert gut und macht Laune – ein Mal, zwei Mal, mir altem
Assassin's Creed-Liebhaber vielleicht sogar zehn Mal – aber das sollte es dann bitte auch gewesen sein. Die Zahl dieser Kristall-Aufgaben in den ersten zwei, drei Stunden suggeriert mir jedoch, dass die Entwickler eine deutliche höhere Zahl des Aufgaben-Typs verborgen haben – und das wäre nicht so gut.
Macht neugierig: Die Spielwelt erfindet das Fantasy-Rad nicht neu, weckt aber sofort die Entdeckerlust.
Eine mit Icons überflutete Mini-Map müsst ihr hingegen nicht befürchten. Die Karte zeigt zwar Questgeber und manche Missionsziele an, ein bisschen eigenes Nachdenken und Suchen war bisher aber immer nötig. Zudem liegt es an euch, wie häufig ihr Spürsinn des Handschuh-Dschinns bemüht, der dann einen Schwarz-Weiß-Filter über das Bild legt und die Richtung zum aktuell gewählten Ziel weist. Mir ist im Quest-Menü aufgefallen, dass es dort nicht nur die Haupt- und Nebenmissionen gibt, sondern auch einen Quest-Typ, der Aufträge umfasst, "die einen zu interessanten Orten" führen. Das klingt einerseits verführerisch, könnte aber dem weiter oben so lustvoll beschriebenen Spaß am Entdecken einen Riegel vorschieben, wenn es so weit geht, dass mich die Aufgaben der NPCs letztlich doch zu allen spannenden Orten der Karte schicken. Ein Urteil darüber kann ich mir aber natürlich erst zum Test des Spiels im Mai erlauben.