Vorschau: Miasma Chronicles (Taktik & Strategie)

von Matthias Schmid



Entwickler:
Publisher: 505 Games
Release:
23.05.2023
23.05.2023
23.05.2023
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Was ist dieses Miasma?


Der Begriff "Miasma" stammt aus dem Griechischen und steht für schlechte Dinge – üble Gerüche oder Ausdünstungen – in der Luft. Schon lange vor der Entdeckung von Bakterien, Viren & Co. macht man laut der Miasmen-Theorie genau diese schlechte Luft für die Entstehung und Ausbreitung von Infektionskrankheiten verantwortlich. Im Spiel geht es dann auch tatsächlich um eine seltsame Sache, die in der Luft liegt – fliegende Partikel oder eine fremde Macht? Das wird man im Verlauf der Geschichte herausfinden, grinsen die Entwickler. In jedem Fall hat das allgegenwärtige, schwarz flirrende Zeug ( das Miasma) im Spiel die Vereinigten Staaten in eine hinreißende Postapokalypse verwandelt. Mich erinnert das sehr schicke Spiel optisch an den Grafik-Knaller The Ascent – beide Spiele stammen aus Schweden und bedienen sich einer isometrischen Kameraperspektive, die keine allzu nahen Zooms an Texturen und Modelle erlaubt; und gerade deswegen sehen die Spiele so genial aus. "Hinreißende Postapokalypse" schreibe ich weil den verrottenden Gebäuden eine besondere Schönheit innewohnt, die auch Producer Mark fasziniert: Wer eine moderne Stadt nachbilde, der brauche laut ihm ganz schön viel Neon, damit nicht alles grau und langweilig aussieht – in einer verfallenen Welt hingegen hätten die Designer viel mehr Spielraum. Zudem sieht er Miasma Chronicles auch als Kommentar zum aktuellen Zustand unserer Welt – gezahlt wird im Spiel zum Beispiel mit Plastik, von dem nur sehr wenig übrig ist, das nicht vom Miasma beschmutzt wurde.

Die erste große Siedlung des Spiels ist voller Schmutz, improvisierter Buden und schräger Vögel. Ein virtueller Wohlfühl-Ort.
Die erste große Siedlung des Spiels ist voller Schmutz, improvisierter Buden und schräger Vögel. Ein virtueller Wohlfühl-Ort.
Schon in den ersten Spielstunden funktioniert der Kniff mit der spannenden Welt, die auch Taktik-Muffel neugierig machen soll. Ich spreche gerne mit allen NPCs, erkunde die Saloons und Garagen einer Hightech-Westernstadt und freue mich über den ansehnlichen Verfall allerorten. Es geht über geborstene Highways und von schwarzem Grind verklebte Lagerhallen, in einem kaputten Urzeit-Museum kann ich noch einige Schilder der ausgestellten Dinos lesen. Die Kamera blendet automatisch und elegant die Zimmerdecken und oberen Stockwerke aus, wenn ich ein Gebäude betrete. Einiger Ruckler in den Zwischensequenzen zum Trotz wirkt Miasma Chronicles schon jetzt wie ein ziemlich fertiges Spiel. Ich nehme einen Nebenauftrag von einer ebenso furchtlosen wie kauzigen alten Frau an, die trotz gefährlicher Froschmonster im Sumpf ausharrt, und suche nach einer Schlüsselkarte, um ein Gewehr aus einer abgeschlossenen Firmenkantine im zweiten Stock zu bergen. Dabei stoße ich immer wieder auf sehr gut eingesprochene Audio-Logs (die leider nicht weiterlaufen, wenn ich zurück ins Spiel gehe) und die ein oder andere Zwischensequenz, in der Hauptcharakter Elvis und sein großer Metall-Bruder Diggs ihre Motive erklären. Elvis hat von seiner Mutter, bevor die ihn mysteriöserweise verlassen hat, einen Handschuh erhalten, mit dem er vielleicht irgendwann das Miasma kontrollieren, eine Miasma-Wand durchbrechen und seine Frau Mama wiederfinden kann. Bis dahin freut man sich als Spieler über kleine Fortschritte, die einem ab ungefähr der dritten Spielstunde die ersten Miasma-Fähigkeiten im Kampf eröffnen. Apropos Kampf: Ich bin noch ein Stück davon entfernt, alle taktischen Feinheiten beurteilen zu können oder eine verlässliche Aussage übers Balancing abzugeben – für mich wirkten die Schwierigkeitsgrade "Story“ und "mittel" aber schon wie "anspruchsvoll" und "hart". Natürlich hatte ich auch noch keine Zeit und Muße, meine Skills und Ausrüstungen so richtig an die jeweilige Mission anzupassen.

Zeit zu Kämpfen


Man muss nicht studiert haben, um Miasma Chronicles zu zocken – dennoch erkennt man beim Kämpfen sofort, dass es taktischen Tiefgang besitzt.
Man muss nicht studiert haben, um Miasma Chronicles zu zocken – dennoch erkennt man beim Kämpfen sofort, dass es taktischen Tiefgang besitzt. Die Steuerung mit Controller funktionierte biem Probespiel übrigens schon sehr gut.
Wie Mutant Year Zero inszeniert Miasma Chronicles seine Kämpfe als rundenbasierte Taktikscharmützel, bei denen im Normalfall zuerst mein komplettes Team an der Reihe ist. Ich starte mit Elvis und Diggs, noch gut drei Stunden stößt die Scharfschützen Jade zur Mannschaft. Die zwei Aktionspunkte je Charakter können angenehm variabel investiert werden: Laufen und schießen. Oder besonders weit laufen. Oder laufen und heilen. Gerne auch: Granate werfen und Ramm-Attacke (mit Cooldown). Oder Flasche werfen und schießen. Charakter-Verbesserungen erlauben bald besondere Kniffe: Elvis kann in eine Art Alarm-Zustand gehen und in seinem Sicht-Korridor automatisch auf jeden Feind feuern, der diesen durchquert. Zudem gibt es Optionen, auch nach einem Schuss noch einen Sprint drauflegen. Dazu gesellen sich die Miasma-Angriffe, die besondere Energie verbrauchen und wiederum mit Miasma-Chips verbessert werden können: Elvis packt zum Beispiel eine Art Partikel-Tornado aus, der Feinde in die Luft schleudert und krachend auf Explosivfässern landen lässt.

Alles richtig schick: Auf Knopfdruck sendet man eine Energie-Welle aus, die Objekte markiert und den Weg zum Missionsziel weist. Der vom Miasma zerfressene Hintergrund macht auch was her.
Alles richtig schick: Auf Knopfdruck sendet man eine Energie-Welle aus, die Objekte markiert und den Weg zum Missionsziel weist. Der vom Miasma zerfressene Hintergrund macht auch was her.
Je nach Position, Deckung hinter einer Säule oder der Höhe eurer aktuellen Position unterscheiden sich die Wahrscheinlichkeiten, den Feind zu erwischen oder einen besonders harten Treffer zu landen. Und zusätzlich zu den vier gebotenen Schwierigkeitsgraden gibt es grundlegend die Option, Miasma Chronicles mit der Einstellung "full tactical" oder "light tactical" zu zocken – wählt ihr letztere Option, greift euch das Spiel ein bisschen unter die Arme und rundet die Treffer-Wahrscheinlichkeiten stets zu euren Gunsten auf. Die Kämpfe, die ich bislang absolviert habe, dauerten jeweils fünf bis zehn Minuten und waren ziemlich variabel – je nachdem wie doof oder klug ich mein Team lenkte und agieren ließ, konnte ich im dritten Versuch triumphal mit kaum Schaden rauskommen, obwohl ich bei zwei Fehlversuchen davor brutal versenkt wurde. Die Feinde nehmen zwar manch unsinnigen Laufweg, gehen in der Regel aber brutal nach vorn und sehr effizient vor – schon auf dem normalen Schwierigkeitsgrad solltet ihr euch kaum unbedachte Aktionen erlauben. Teammitglieder, denen die Lebensenergie ausgeht, könnt ihr per Medipack-Wurf über eine bestimmte Entfernung wiederbeleben – und dann dürfen sie sogar noch in der selben Runde austeilen.

Tödliche Leisetreterin


Charakter-Köpfe: Blech-Boy Diggs (links) hat eine große Klappe, Held Elvis (rechts) ist ein bisschen Everybody
Charakter-Köpfe: Blech-Boy Diggs (links) hat eine große Klappe, Held Elvis (rechts) ist ein bisschen Everybody's Darling. In der Bildmitte seht ihr den Bürgermeister der Westernstadt Sedentary – einen Zigarren quarzenden Kopf im Glas.
Besonders gut gefallen haben mir die Stealth-Optionen vor den eigentlichen Kämpfen: Gerade mit Jade, die über ein Gewehr mit Schalldämpfer verfügt, kann man so im besten Commandos- oder Shadow Tactics-Stil schleichend das Gegnerfeld ausdünnen. Feinde wegzulocken und dann im Sichtschutz einer Betonsäule umzunieten, fühlt sich richtig gut an. Und es ist auch bitter nötig, denn wer plump in größere Gruppen rennt und Alarm auslöst, kämpft auf verlorenem Posten. Spannend finde ich beim Schleichen den Übergang vom Echtzeit-Ablauf zum Rundenkampf: Ich rücke langsam und in der Hocke vor, nutze Deckungen aus und studiere die Positionen und Laufwege von Wachen. Ist dann ein Feind einer klirrenden Flasche nachgegangen oder sowieso in einer Ecke, wo ihn kein Kollege sieht, dann drücke ich auf die "Ambush"-Taste, friere das Geschehen damit ein, lege das Scharfschützengewehr an und töte mit einem Schuss. Während dieser Schleich- und Erkundungsphasen kann ich stets munter zwischen den drei Figuren hin- und herwechseln (Robo Diggs kann z.B. Türen zerstören) und mich entweder allein oder im Verbund über die Karte bewegen. Bunt markierte Felder auf dem Boden zeigen nicht nur im Kampf die eigene Zug-Reichweite an, sondern verraten auch, ob Gegner eine Stelle im Blicke haben oder dort ein Ablenkmanöver hören könnten. Das wirkt alles schon ziemlich durchdacht!
 

AUSBLICK



Alles supi im Miasma-Land? Nice Technik, interessante Spielwelt, taktischer Tiefgang mit viel Variation und Anspruch… Eigentlich ja, würde ich sagen – zumindest war ich in puncto Kämpfen noch nicht weit genug drin, um eventuell repetitives Missionsdesign oder Balancing-Probleme nach 20 Stunden aufzudecken. Ich kann aber schon sagen, dass die wirklich schönen Umgebungen und die vielversprechende Story-Exposition allein nicht ausreichen, um Miasma Chronicles auch für echte Strategie-Muffel interessant zu gestalten – dazu wird zu viel und selbst auf dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad zu anspruchsvoll gekämpft. Wen diese Aussicht nicht stört, sondern vielmehr freut, der hat für den 23. Mai einen Must-Have-Titel auf dem Wunschzettel. Oder ihr kauft das Game einfach in drei, fünf oder zehn Monaten – scheint für die Bearded Ladies ja auch okay zu sein…

Einschätzung: sehr gut / Fit4Hit
Miasma Chronicles ab 32,89€ bei kaufen
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Kommentare

4P|Matthias schrieb am
Solon25 hat geschrieben: ?22.04.2023 09:04 Wie immer von Matthias gewohnt gute Lesekost :)
<3
sourcOr schrieb am
Spiel sieht viel zu gut aus auf den Screenshots
Solon25 schrieb am
Wie immer von Matthias gewohnt gute Lesekost :)
4P|Matthias schrieb am
NagumoAD hat geschrieben: ?21.04.2023 19:02 Hey, danke für den Einblick auf der ersten Seite. Interessant und unterhaltsam sowas mal lesen zu können.
Dankeschön - das freut mich
4P|Matthias schrieb am
BloodGod hat geschrieben: ?21.04.2023 19:22 Wie ist das mit der Bearded Lady am Ende gemeint?
So heißt der Entwickler. Und am Anfang gehe ich darauf ein, dass sie sagen, dass sich ihre Spiele über einen langen Zeitraum hinweg verkaufen - darauf nimmt das Ende Bezug...
schrieb am