Üppige Vorschusslorbeeren
Der "Reality Boy" bereitet den Spieler aufs Abenteuer vor - inklusive Monochrom-Grafik und Ohrwurm-Gepiepse.
Schon die frühe „Episode 0“ von Tiny & Big räumte einige Preise ab:
Auf der offiziellen Homepage füllen die Award-Logos vom Independent Games Festival & Co eine halbe Seite. Auch wir waren nach dem Anspielen begeistert. Verantwortlich dafür war neben der kreativen Spielidee auch die visuelle Umsetzung. Als Christian Niemand und seine Kommilitonen die Scape Engine auf die Beine gestellt hatten, suchten sie an der Kunsthochschule nach Verstärkung. Das urige Design der Figuren und die handgezeichneten Texturen stammen von Christian Stamm – seine verschrobenen Comics dienten auch als Vorlage für die Geschichte.
Die Hauptfigur Tiny sucht in der Wüste nach der gestohlenen Unterhose seines verstorbenen Großvaters. Auf seiner Reise durch mystische, blau glühende Tempel stellt sich heraus, dass das legendäre Feinripp-Artefakt mehr als ein bloßes Erinnerungsstück ist. Gemopst wurde sie von Tinys Gegenspieler Big, an dessen Fersen ich mich hefte. Offenbar stecken magische Kräfte in der Unterhose: Immer, wenn ich zu Big aufgeschlossen habe, schmeißt er mir gewaltige Felsbrocken in den Weg – oder auf die Rübe.
Laserkraft in 3D
Wink mit dem Zaunpfahl: Meist weist die Umgebung darauf hin, wo man am besten die Laser-Schere ansetzt.
Zum Glück hat Tiny vorgesorgt und sich ein paar nützliche Gadgets gebastelt. Eines davon ist das mit einer Seele ausgestattete Radio, welches hilfreiche Tipps und zynische Kommentare von sich gibt – allerdings nur in Textform. Auch im Rest des Spiels geben die Figuren nur Fantasielaute von sich, was aber durchaus zum Comic-Stil passt.
Das zweite und wichtigste Werkzeug ist die eingangs beschriebene Laserkanone. Wenn Big einen großen Brocken zum Schweben bringt und mir entgegen schleudert, ziehe ich schnell eine Linie drüber, bis Tiny zu schneiden beginnt. Schon stürzen mir nur noch zwei kleinere Trümmer entgegen, welche außerdem leicht nach außen trudeln. Ich sprinte flott hindurch und Big entgegen. Weil er sich aber feige aus dem Staub macht, bin ich wieder alleine und muss über steinige Wüstenpfade bis zu einer Pyramide durchschlagen. Da ein Fels mir den Weg versperrt, schneide ich ihn einfach entzwei. Als kleiner Hinweis ist an seinem Rand bereits ein schmaler Riss zu sehen.
Die Technik versetzt Berge
Durch die nahe, komplett manuelle Kamera kann man Sprünge punktgenau abschätzen, muss die Sicht aber immer selbst einstellen.
Jetzt ist es Zeit für zwei weitere Gadgets: Ich feuere die Harpune ab, laufe ein Stückchen rückwärts und zerre so die obere Hälfte des Findlings von der unteren. Eigentlich könnte ich auf den Pfad hüpfen, doch jetzt liegt der heruntergezogene Brocken im Weg. Also kommt eines meiner mobilen Raketentriebwerke zum Einsatz. Sie sind so klein wie eine Haftgranate, lassen sich überall hin verschießen und befördern durch ihren Rückstoß auch die größten Steine zur Seite oder sogar in die Luft. Also feuere ich ein Exemplar auf die linke Wand, zünde das Triebwerk und schon rutscht das Hindernis nach rechts aus dem Weg. Geschafft! Zur Not kann Tiny auch persönlich anfassen und Hindernisse mit den Händen aus dem Weg schieben.
Das Beste am Level-Design ist, dass es oft mehrere Lösungswege gibt und manchmal auch eigene Experimente ans Ziel führen. Als ich z.B. eine riesige Pyramide erforsche, hindert mich eine klaffende Lücke am Weiterkommen. Ich säble ein paar lange Balken von der Decke, doch sie poltern schnurstracks in den Abgrund. Dann dämmert es mir: Ich hätte vorher eine flache Bodenplatte verschieben müssen, welche die Balken gestützt hätte. Eigentlich könnte ich jetzt per Knopfdruck zum letzten Checkpoint zurückkehren, doch so leicht gebe ich mich nicht geschlagen. Ich laufe ein Stückchen zurück, säble eine Brücke entzwei und verfrachte das Oberteil behutsam zum Abgrund. Hier ein bisschen an der Harpune zerren, dort ein wenig mit dem Mini-Triebwerk anschubsen – und schon liegt die halbe Brücke über der Lücke und ich gelange ans Ziel.