Radsport-Stars inklusive!
Ich liebe es, wenn ich bei der Recherche zu einem Thema neue, spannende Dinge erfahre: Als erstes Rennen in Tour de France 2022 habe ich den Klassiker Lüttich-Bastogne-Lüttich gefahren – es stecken nämlich weit mehr als nur die 21 Etappen der aktuellen Frankreich-Rundfahrt im Spiel. Beim Scrollen durch die Fahrerauswahl blieb ich an Alejandro Valverde hängen. Der war doch schon in den Jahren 2002/03 dabei, als ich – ein glühender Tour-Anhänger – noch jede Etappe der großen Schleife live im TV verfolgte! 20 Jahre später fährt Valverde immer noch, und immer noch vorne mit. Ich hatte mitbekommen, dass er hier und da Klassiker gewann, einmal sogar den Straßen-WM-Titel, und auch die vielen Top-Platzierungen bei den drei großen Rundfahrten waren mir nicht entgangen. Doch jetzt wollte ich es genauer wissen! Also schürfte ich, noch bevor ich den ersten virtuellen Kilometer gestrampelt hatte, tief im Radsport-begeisterten Teil des Internets und wurde fündig: Valverde hat in seiner 20-jährigen Karriere trotz einer zwischenzeitlichen Dopingsperre (Stichwort: Fuentes-Skandal) sogar unfassbar viel gewonnen. Er rangiert in der
ewigen Bestenliste, wo für alle Erfolge und Platzierungen Punkte vergeben werden, sogar auf Rang 4 hinter Legenden wie Merckx und Bartali. Mein Gefühl hatte mich also nicht getäuscht! Und trotzdem kennen den Spanier, anders als Ullrich oder Armstrong, nur die echten Fans dieses schönen Sports.
200 Zwillinge treten zur diesjährigen Tour de France an. Das Siegerfoto steht schon vor dem Start fest...
Mir hat Valverde auf der PS5 nur bedingt geholfen – lange führte ich das Feld mit ihm an, doch im Zielsprint einer Ausreißergruppe musste ich mich mit Platz 2 begnügen. Hat euch mein kurzer Radsport-Exkurs gelangweilt oder das Wort "Ausreißergruppe" ratlos zurückgelassen? Sorry, es wird nerdig hier. Die Tour-Community wirft nur so mit Floskeln um sich – wer das Spektakel jahrelang im TV verfolgt hat, der kommt um Fachbegriffe kaum herum. Ebenso wenig wie um die obligatorische Erinnerung an Tom Simpson, der 1967 am Mont Ventoux dehydriert vom Rad fällt und verstirbt. Doch ich versuche, mich zurückzuhalten – selbst wenn bei einer Flachetappe kurz vor der flamme rouge ein belgischer Kreisel aufgezogen wird und mein Wasserträger Sorge hat, wegen eines Hungerasts die Karenzzeit zu reißen und im Besenwagen zum Etappenziel zu müssen…
The same procedure?
Viel los am Berg: Dank vorbildlichen HUD-Einblendungen habt ihr auch in turbulenten Rennsituationen stets einen guten Überblick
Das französische Cyanide-Studio versorgt uns schon seit etlichen Jahren mit den offiziellen Spielen zum bekanntesten Radrennen der Welt. Alljährlich wird ein Update mit den aktuellen Teams, Fahrern und natürlich dem Tour-Kurs ausgeliefert – die Tour de France hat nämlich jedes Jahr unterschiedlichste Etappenziele, Streckenführungen und Gastspiele in anderen Ländern zu bieten. Im Grunde genommen ist das Prozedere vergleichbar mit der Formel 1 (
hier geht’s zu unserem aktuellen Top-Test), den FIFA-Spielen oder den Motocross-Rasern von Milestone. Und natürlich bringt das Probleme mit sich: Cyanide ist kein großes Studio, demzufolge bleiben viele Dinge einfach gleich; manchmal werden sogar Inhalte gestrichen oder die Grafik jahrelang kaum angefasst. Das trifft leider auch auf Tour de France 2022 zu: Auf die neuen Inhalte gehe ich gleich ein, doch vor allem technisch tritt die Simulation auf der Stelle. Viel hübscher als die PS4-Version von 2017 ist die PS5-Fassung von 2022 nämlich nicht – immer noch sind viele Kulissen statisch und trist, die Texturqualität auf und neben dem Asphalt sehr überschaubar. Zuschauer, die die Strecken säumen und auf den Bergpässen in der Realität oft den Platz dramatisch einengen, bewegen sich im Spiel wie die allerersten Sims. Und obwohl man in den Rennen meist nur die Rücken der Profis zu Gesicht bekommt, ist es frech, dass alle 200 Radler dasselbe (!) Gesicht haben. Schwenkt die Kamera beim Etappenstart über die wartenden Sportler oder steigen sie nach der Zieldurchfahrt aufs Podest, dann sieht das einfach peinlich aus.
Wer es beim Antritt am Berg oder der Flucht nach vorn übertreibt, dem geht die Puste aus. Die Schwarz-Weiß-Sicht vermittelt das sehr gut – und obwohl sie nur einige Sekunden währt, sind eure Siegchancen dann meist passé.
Wer zum ersten Mal ein Tour-de-France-Spiel startet oder ein paar Jahre ausgesetzt hat, der sollte unbedingt die Tutorials absolvieren: Dort wird einem nüchtern, aber gut strukturiert beigebracht, wie man fährt und lenkt, welche Buttons zum Angreifen oder bei der Zieleinfahrt zum Einsatz kommen, was Zeitfahrhaltung und rotes bzw. blaues Fitness-Gel bewirken. Außerdem ganz wichtig: Wie man in den Teamfunk schaltet, um seinen Kollegen Anweisungen zu geben und Teile von Etappen schneller ablaufen lässt. Denn: So eine Tour zieht sich auch virtuell! Alle 21 Abschnitte voll zu fahren, das will sich nicht jeder antun – so kann man auch mal 100km ohne große Prüfungen in fünf Minuten "wegspulen". Gefahren wird übrigens nicht in Echtzeit: Radelt ihr eine Etappe, die in der Realität vielleicht sechs bis sieben Stunden dauert, ohne Spulen komplett ab, solltet ihr dafür eine halbe Stunde einplanen. Das HUD während der Rennen ist vorbildlich: Man hat stets die Zeitabstände zu anderen Fahrern im Blick, wird rechtzeitig über Zwischensprints informiert und sieht das Etappenprofil. Beim Bergfahren kommt eine Grafik mit dem Steigungsprofil ins Bild, geht es bergab, werden die nächsten Kurven angezeigt. Hier hat Cyanide mittlerweile ein sehr gut funktionierendes System etabliert. Beim Komfort ist aber noch Luft nach oben: Das Spulen ist praktisch, geht aber nur in einer Geschwindigkeit. Und es ist auch nicht möglich, einfach mal 50km auf Knopfdruck zu überspringen. Klug ist dafür das Warnsystem: Auch wenn ihr eingestellt habt, dass bis zur Bergprüfung X vorgespult wird, springt das System zurück zur Rennaction, wenn etwas Spannendes passiert, z.B. der Angriff eines Konkurrenten in der Gesamtwertung.