Test: Flower (Plattformer)

von Jörg Luibl



Flower (Plattformer) von Sony
Flower
Entwickler:
Publisher: Sony
Release:
28.09.2017
28.09.2017
14.02.2019
12.02.2009
28.11.2013
kein Termin
Erhältlich: Entwicklerseite
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ab 1,99€
Spielinfo Bilder Videos
Sag mir, wo die Blumen sind? Wo sind sie geblieben? Ich hab sie gesehen. Hunderte und tausende davon, in allen Farben und Formen. Aber nicht in einem Antikriegslied der Hippiesteinzeit, sondern im PlayStation Network. Sony pflückte sie geschwind, um sie exklusiv in einem kleinen Spiel aufblühen zu lassen. Da fliegen sie vom Wind getragen über wunderschöne Landschaften. Steckt hinter Flower mehr als ein esoterischer Bildschirmschoner? Kann es mehr als ein stilistisches Zeichen setzen?

Die Macht der Natur

Idylle pur: Weitläufige Wiesen und schier grenzenlose Sichtweite verzaubern von Beginn an. Ihr fliegt erst als einzelnes Blatt über das Gras und sammelt beständig Begleiter - Eindrücke davon im Video!
Der Wind pfeift mir um die Ohren, während ich in zwei, drei Metern Höhe über saftig grüne Hügel fliege - eine endlose Landschaft mit schroffen Felsfingern unter mir, dunkle Bergketten am Horizont weit vor mir. Man sitzt auf seiner kleinen Couch in seiner grauen Stadt, doch schon nach wenigen Augenblicken schmeckt man dieses angenehme Gefühl von Weite und unberührter Natur. Hört sich kitschig an? Ist es auch. Aber diese idyllische Kulisse ist zauberhaft. Und eine Flugstunde später sagt der Mann mit Max Payne -Faible: Hey, das ist ja echt wunderschön!

Doch gleichzeitig verkrampft man als Spielefresser alter Schule, denn all das Schöne könnte ja (mal wieder) purer Selbstzweck sein: Mann, das ist bloß eine blöde Grafikdemo! Das ist anspruchslose L'Art pour l'art! Das ist nicht mehr als Landschaftsonanie für Käschuälgayma! Oh, wie polemisch diese professionelle Skepsis sein kann. Und sie behält ja so oft so gnadenlos ihr Recht, wenn sie die Urteile aus Archiven holt - wehret den Anfängen: Hat das kreative Team von thatgamecompany mit flOw nicht bloß einen interaktiven Bildschirmschoner entwickelt? Na?

Der Vorhang geht auf

Es malmt, es rumpelt und die Felswände bewegen sich zur Seite: Manchmal erinnert Flower an die monumentale landschaftliche Pracht eines Shadow of the Colossus.
Ja. Stimmt. Aber irgendwie will mich dieses fliegende Erlebnis nicht loslassen. Und irgendwie steckt hier mehr drin als in flOw. Aber was genau? Schauen wir mal auf die Sixaxis-Steuerung: Als ich den Controller nach vorne neige, geht das kleine weiße Blatt zusammen mit all seinen blauen, gelben und cremefarbenen Nachzüglern in den Sturzflug. Kurze Zeit später küsst mein kunterbunter Schweif diese riesige Wiese, die sich wie ein Vorhang teilt - wow! Eine dermaßen glaubwürdig animierte Landschaft habe ich noch nicht gesehen.

Ich drücke X und rase wie ein ICE durch das hohe Gras, während sich links und rechts hunderte Halme ehrfurchtsvoll verneigen. Hinzu kommt das akustische Feedback: Bei jedem Kontakt mit einer Blüte begleiten mich sanfte Klavieranschläge, die eine fortlaufende Melodie ergeben, wenn ich den Kurs halte - ja, zu Beginn wird man vor allem technisch beeindruckt. Gegen diese lebendige Flora mit ihren hunderttausenden gleichzeitigen Animationen von einzelnen (!) Stengeln, Blättern und Blüten wirken die Landschaften von The Elder Scrolls IV: Oblivion , Two Worlds & Co wie statische Wälder der Videospielsteinzeit.

Die drei Ebenen

Es gab mal eine Zeit lang einen Wasserfetisch in der Spielebranche, der viele Redakteure über Jahre zum Staunen-über-das-spiegelnde-Nass versklavte. Ich bin scheinbar dem Gras- und Blumenfetisch verfallen. Ich geb's ja zu. Also doch alles nur Grafikgeilheit? Nein, denn da verbergen sich eine interessante spielmechanische und sogar eine erzählerische Ebene unter dieser herrlich offensichtlichen ersten. Letztere würde für sich alleine aus Flower einen interaktiven Bildschirmschoner machen, aber zusammen mit den beiden anderen Ebenen entsteht ein faszinierendes Spiel mit angenehmer Tiefe.

Aus grau und düster wird hell und bunt: In jedem Abschnitt übernehmt ihr quasi heilende Funktionen und lasst Landschaften erblühen.
Was verbirgt sich also unter der Kulisse? Zum einen eine entspannte, aber dennoch fordernde Spielmechanik: Man kann zwar einfach so umher fliegen, ohne sich Gedanken zu machen; auch das macht Spaß. Aber Ziel ist es, Farbe und Leben in Landschaften zu bringen, indem man z.B. über bisher nicht erblühte Blumen fliegt und diese quasi aufgehen lässt - danach lassen sie ein Blatt fallen, das den Schwarm begleitet. Lässt man zwanzig Blumen über diesen Kontakt blühen, wird man also auch zwanzig weitere Blätter als Anhängsel begrüßen. Mit der Zeit kann man so einen Schweif aus tausenden Blättern entstehen lassen, den man ohne Grenzen durch die Landschaft fliegt.

Zauber der Verwandlung

Durch Neigungen und Drehungen des Controllers kann man seine Blätterschar frei in die Höhe oder zur Seite navigieren - so lassen sich selbst scharfe Kurven oder steile Manöver fliegen. Drückt man jetzt einen Knopf, egal welchen, beschleunigt sich das Ganze und man rast wie ein Derwisch durch die Wiesen, kann in die Höhe steigen und bei fallender Geschwindigkeit Manöver wie ein Segelflugzeug einleiten. Dabei konzentriert sich die Kamera immer auf das allererste Blatt, das wie ein Fadenkreuz für alle Bewegungen zuständig ist und auch den Kontakt mit einzelnen Blüten oder Blumenboni herstellen muss.

Sammelt man an bestimmten Stellen alle Blumen, kann man ähnlich wie in Okami Teile der Landschaft heilen, die dann in einer beeindruckenden Explosion aus Farbe und Funken zum Leben erweckt werden. Mal rast das frische Grün dann wie ein Fluss durch enge Canyons, mal breitet es sich in imposanten Druckwellen nach allen Seiten aus. Es gibt je nach Abschnitt brach liegende Wiesen, dunkle Flecken, inaktive Apparaturen oder einfach graue Betonpfeiler, die man nicht nur farblich, sondern auch architektonisch beleben kann.           
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Kommentare

McKnife schrieb am
@bloody snow: immer noch ne scheiß antwort, ich wollte nich wissen, was jörg meint, weil ich das ja wie du schon sagst in seinem test lesen kann, sondern was andere meinen, die Jörgs Meinung ja offensichtlich zum großteil unterstützen.
@greensleeve: danke, gute Antwort :)
greenelve schrieb am
McKnife hat geschrieben: Warum hat Flower seine 90 % verdient ?
weil Flowers meditativ sein will, entspannend und eine Erkundung der Seele und der Ruhe..und es das schafft..zudem hat es nen Bonus für das Experiment und Wagnis der Entwickler....als beispiel...
es ist kein spiel in dem sinne, mehr ein interaktives entspannen whatever
Bloody Sn0w schrieb am
McKnife hat geschrieben:ich hab mir die demo geladen, und gedacht: komm, schauste mal, vllt taugts ja was, und ich will ja auch gar nich sagen, dass das nich schick aussieht oder so, aber mir ergibt sich da einfach kein Reiz, und deshalb hätte ich jetzt doch gerne mal ne Antwort auf meine immer noch nicht beantwortete Frage:
Warum hat Flower seine 90 % verdient ?
Weil sich die Welt nicht nach dir und deinem Geschmack richtet.
Und bevor du wieder mit "nachvollziehen" ankommst:
Ich kann auch nicht nachvollziehen wie jemand Death Metal hören kann. Trotzdem spreche ich dieser Art der Musik nicht ab ein Genre zu sein, das andere Menschen mögen und dementsprechend hoch ansehen.
PS: Was Jörg explizit an dem Spiel reizt und zur Wertung führt, kannst du seinem Test entnehmen.
McKnife schrieb am
ich hab mir die demo geladen, und gedacht: komm, schauste mal, vllt taugts ja was, und ich will ja auch gar nich sagen, dass das nich schick aussieht oder so, aber mir ergibt sich da einfach kein Reiz, und deshalb hätte ich jetzt doch gerne mal ne Antwort auf meine immer noch nicht beantwortete Frage:
Warum hat Flower seine 90 % verdient ?
!Tino! schrieb am
McKnife hat geschrieben: Das zeigt doch, dass das kein objektiver Test is, sondern ein unangebrachtes gehype.
Es gibt nix objektives
das ist 'ne Erkenntnis, die dich anscheinend noch nicht erreicht hat :wink:
ansonsten habe ich das Gefühl, als ob du das Game nie gezockt hast und insofern rel. wenig Kritik zu äußern solltest^^
ich schlag mal vor, dass du Flower irgendwo gemütlich zockst und danach nochmal was zu schreibst...
ich selber würde dem Spiel eher 85% geben doch ich finde, dass Jörg nachvollziehbar genug begründet hat, weswegen es jetzt halt 90% geworden sind^^
schrieb am

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