Der Bildschirm brennt
Der Bildschirm erstrahlt in Neon-Lila. Grelles Licht überstrahlt die Chimären-Ritterin Briar, die ihr Schwert in den tiefschwarzen Himmel reckt. Gleißende Blitze lecken vom Griff bis zur Spitze, bevor ihr geisterhafter Schatten Lute sanft die Spitze der gigantischen Waffe berührt. In Sekunden wird das Schlachtfeld mit Energie geflutet, als der brachiale Ekstase-Finisher die letzten Überreste meiner Feinde beiseite fegt. Puh. Gewonnen. Es folgt die Abrechnung: Was?! Nur Bronze?! Tja, die spektakuläre Schlacht gegen Besessene und Geister-Dämonen hat wohl einfach zu lange gedauert. Viel Glück beim nächsten Mal!
In seinen besten Momenten ist Soulstice eine unheimlich gelungene Reminiszenz an gute alte PlayStation-2-Tage. Die selbsternannten „AA-Entwickler“ vom italienischen Studio Reply Games machen zu keiner Sekunde der knapp 20 Stunden langen Story einen Hehl daraus, dass die klassische Over-the-Top-Action von Devil May Cry die Hauptinspiration für ihren eigenen Spectacle-Fighter gewesen ist. Mit festen Kameraperspektiven, dem zu Beginn sehr klassisch anmutenden Kampfsystem sowie sammelbaren Kristallsplittern in verschiedenen Farben ist man eben auch gefühlt ganz schön nah dran am großen Capcom-Vorbild.
Die Stadt Ilden, Schauplatz von Soulstice, hat definitiv bessere Zeiten.
In Soulstice übernehme ich die Kontrolle über das ungleiche Duo Briar und Lute. Das Schwesternpaar wurde zu einer Chimäre verschmolzen – in dieser finsteren Fantasy-Welt sind das übermenschliche Kriegerpaare, die sich den Mächten des Chaos entgegenstellen. Diese durchdringen nämlich den Schleier, der die Welt der Lebenden von den Toten trennt – und die Menschen durch Geister korrumpiert und zu hirnlosen Zombie-Kriegern oder gefährlichen Besessenen macht. Chimären bestehen aus Ritter und Schatten, einem Krieger und einem Geist, deren Seelen untrennbar miteinander verbunden sind. Sie sind die Elitekrieger einer Art Krieger-Kirche, die die Schrecken des Chaos eindämmen will.
Im Kampf gegen das Chaos
An den Docks der Stadt startet das Hack'n'Slay Abenteuer. Die Kulisse auf Unreal-Engine-Fundament ist durchaus ordentlich.
Briar und Lute werden zur Heiligen Stadt Ilden geschickt, über der sich ein Chaoswirbel aufgetan hat. Die Mission: Die Stadt befrieden und das Chaos zurückschlagen. In den völlig zerstörten, von Geistern, Korrumpierten und Besessenen heimgesuchten Straßen und Katakomben der Metropole steht aber nicht nur der Kampf gegen das Chaos im Fokus der Story. Vor allem die Beziehung von Briar und Lute, die Ereignisse, die zu ihrer Chimären-Fusion führten, sowie die Transzendenz, eine Art Chimären-Endstadium, spielen eine wichtige Rolle. Immerhin ist Briar selbst vom Chaos korrumpiert – und besitzt so mächtige Fähigkeiten, die sie gleichzeitig aber auch jederzeit vernichten könnten.
Welt und Handlung sind für mich immerhin interessant genug, um über die stocksteife Inszenierung der Dialoge und Rückblenden hinwegzusehen, die in rein englisch vertonten Gesprächen abgehandelt werden. Es gibt zwar ein paar ordentliche Zwischensequenzen, aber den brachialen Bombast von Devil May Cry 5 oder älteren Platinum-Krachern wie Metal Gear Rising oder Vanquish sucht man hier vergeblich. Stattdessen stehen sich die Charaktere oft steif gegenüber, während man sich durch die rein englisch vertonten Dialogzeilen klickt. Figuren wie der schattenlose Ritter Donovan oder die fiesen, durch die Transzendenz mutierten Chimären-Gegenspieler, bringen aber genug Charme mit, um die Handlung durchweg solide ins Ziel zu tragen.
Außer Kontrolle: Die korrumpierte Ritterin Briar besitzt mächtige Fähigkeiten, die auch ihr Verhängnis sein können.
Zwischen Dante und Guts
Die Chimäre Briar und Lute ist ein ungleiches Duo. Die Seelen der zwei Schwestern sind verschmolzen, Lute ihres Körpers beraubt worden.
Figuren und Spielwelt von Soulstice sind dabei visuell und inhaltlich stark von Animes wie Berserk beeinflusst, ohne zu stark abzukupfern. Vor allem der Stil der Figuren hat mich dabei direkt abgeholt – das Duo aus der vom Kampf gezeichneten Kriegerin Briar mit ihrer kindlichen Geister-Begleitung Lute, die ihr oft mit großen Kulleraugen über die Schulter lugt, funktioniert hervorragend, zumal auch die Dynamik zwischen Schatten und Kriegerin passt. Auch die Welt kann vor allem bei dem Blick auf Ilden einige stimmungsvolle Panoramen erzeugen, wenngleich sie trotz Unreal-Befeuerung bei weitem nicht mit der Pracht von Devil May Cry 5 mithalten kann.
Zudem sind sich viele der Bereiche viel zu ähnlich. Von einem düsteren, zerstörten Dock geht es über in Trümmer liegende Brücken und Innenräume hinab in die finstere und verwüstete Kanalisation. Gerade in Gebäuden unterscheiden sich die Gebiete nur über ihre Farbpalette, was bei über 25 Level-Abschnitten irgendwann eintönig wird. Es gibt zwar positive Ausnahmen wie die zerstörten Slums oder Abschnitte im letzten Spieldrittel, insgesamt sind mir die Schauplätze aber nicht abwechslungsreich genug. Zwar ist das grundlegende Leveldesign mit vielen Extra-Räumen und einigen Geheimnissen durchaus in Ordnung, grundsätzlich ist aber deutlich spürbar, dass man die Entwicklungs-Ressourcen an anderer Stelle investiert hat.