Frankreich statt Italien
Interessieren irgendjemanden die Stories der Sniper-Elite-Spiele? Jeder Zocker kennt Solid Snake, Sam Fisher und Agent 47, Stealth-Fans wissen außerdem, wer Garrett und Corvo sind (für alle anderen: die Hauptfiguren aus
Thief und
Dishonored). Aber wer zuckt beim Namen Karl Fairburne? Der wenig charismatische Soldat hat zwar alle bisherigen Serienteile gemeistert und sich dabei meist gut geschlagen, doch einen Stern auf dem Spiele-Walk-of-Fame bekäme er sicher nicht. Das ändert sich auch mit Teil 5 nicht, weswegen ich euch nicht mit Details seiner Beziehung zur französischen Resistance oder der US-Generalität langweilen möchte. Wichtig ist aber: Nach den letzten Einsätzen in Nordafrika (
Sniper Elite 3) und Italien (
Sniper Elite 4) geht es für Karl diesmal nach Frankreich, und zwar ins Jahr 1944. Um die deutschen Besatzer an der Entwicklung der Wunderwaffe "Projekt Kraken" zu hindern, bereist er viele interessante Einsatzorte, meuchelt z.B. am Atlantikwall oder infiltriert die englische Kanalinsel Guernsey. Grafisch besonders eindrucksvoll ist ein leisetreterischer Ausflug zum
Mont Saint-Michel – der Klosterberg gibt im Spiel fast so ein beeindruckendes Postkartenmotiv ab wie in der Realität.
Keine gute Idee: Setzt aufsammelbare Waffen wie die Panzerfaust nur im äußersten Notfall ein.
Apropos Grafik: Ich habe Sniper Elite 5 auf der PS5 getestet, würde dem Spiel aber keinen Next-Gen-Look attestieren. Das Spiel sieht ordentlich bis ansprechend aus, läuft meist blitzsauber und hat ein paar feine Texturen am Start. An anderer Stelle gibt es dafür hölzerne Animationen oder mittelmäßig modelliertes Feindvolk – dramatisch hübscher als Teil 4 ist Sniper Elite 5 also nicht. Auch die blutrünstige Kill-Kamera mit platzenden Organen und herumfliegenden Knochensplittern in Zeitlupe ist sehr ähnlich wie im Vorgänger, penible Spieler ärgern sich zudem über Clippingfehler, wenn getötete Nazis plötzlich ihre Waffen fallen lassen. Und ja: Zerschossene Testikel oder perforierte Lungenflügel in Slowmotion darf man natürlich geschmacklos finden, zudem fühlt sich das Betrachten nicht mehr so spektakulär an, weil man es eben schon seit Jahren kennt.
Feldbericht
Ausflug zum Mont Saint-Michel in der Bretagne: Dieses Gebiet ist das optische Highlight von Sniper Elite 5.
Wer Teil 3 oder 4 gezockt hat, der weiß wie der Hase in spielerischer Hinsicht läuft, alle anderen passen jetzt gut auf: Sniper Elite 5 ist ein Stealth-Shooter, der in Third-Person-Sicht gespielt wird. Fairburne kann sich stehend, in der Hocke oder auf dem Bauch liegend fortbewegen, versteckt sich im hohen Gras und lehnt sich automatisch an hüfthohe Begrenzungen wie Mauern oder Kisten. Er kann pfeifen oder Flaschen werfen, um Patrouillen von ihren Wegen abzulenken oder einzelne Soldaten aus einer Gruppe wegzulocken. Der Unglückliche bekommt dann ein paar Kugeln aus dem schallgedämpften Revolver in Kopf und Körper oder wird im Nahkampf erstochen; letztere Variante ist die sicherere und leistet auch dann gute Dienste, wenn Karl mal entdeckt wird und durch Schützengräben sprintet. Generell solltet ihr aber – Überraschung! – natürlich vermeiden, Aufmerksamkeit zu erregen, denn im Kampf mit mehreren feuernden Feinden zieht Karl den Kürzeren.
Gute Texturen: Manche Leveltapeten versprüchen ein bisschen Next-Level-Zauber.
Passiert es trotz gut integrierter Sichtbarkeitsanzeige doch, dass eine Wache euer Tun bemerkt, gibt es mehrere Möglichkeiten: Reinladen natürlich. Weil euch Sniper Elite 5 jederzeit speichern lässt sowie regelmäßig Auto-Saves anlegt, ist es wahrscheinlich, dass der letzte Save-Punkt nicht lange zurückliegt. Option Nr. 2 ist die Flucht: Vorher per Fernglas markierte Feinde wechseln in den gelben (suchend) oder roten (Kampf) Status und werden mit Icons im Feld markiert, das erleichtert das Türmen. Obendrein kennzeichnet ein Zeichen die Stelle, an der man euch zuletzt gesehen hat – das ist eine nüchterne, aber hilfreiche Umsetzung der „last known position“ aus
Splinter Cell: Conviction. Macht ihr dann einige Meter gut und taucht im hohen Gras unter (Büsche sind „stabile“ Level-Objekte und lassen das leider nicht zu), kommt ihr mit dem Leben davon. Wer sich lieber durchschießt, hat auf den beiden unteren Schwierigkeitsgraden veritable Überlebenschancen: Im Uzi-Feuer fallen die Nazis schnell um und mit einer Mischung aus Nahkampf-Kills im Sprint und regelmäßigem Verband-Anlegen habe ich so manche brenzlige Situation überstanden. Zockt ihr Sniper Elite 5 kooperativ – alle neun Story-Level sind zu zweit spielbar –, dann ist der actionreiche Weg noch einfacher, weil man sich gegenseitig Deckung geben und mehrere Richtungen gleichzeitig einsehen kann.