Brettspiel-Test: Bora Bora (Worker Placement (Arbeitersetzspiel))

von Jörg Luibl



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Clevere Verdopplungen

Das Artdesign erreicht zwar nicht die Qualität von Tzolk'in, kann sich aber sehen lassen.
Das Artdesign erreicht zwar nicht die Qualität von Tzolk'in, kann sich aber sehen lassen.
Und hier kann man richtig punkten, denn wer viele Leute anheuert, kann nicht nur zusätzlich expandieren, bauen oder sammeln, sondern bei identischen Leuten das Ganze auch noch in seiner Wirkung verdoppeln oder vervierfachen: Hat jemand z.B. zwei Frauen, die jeweils zwei Siegpunkte einbringen, bekommt er vier. Hat er dann noch die Verdopplungskarte, bekommt er satte acht Siegpunkte! Dieses Prinzip gilt für alle Aktionen, so dass auch Würfelziffern, Muscheln oder Prestige  entsprechend an Wert gewinnen können.

Wer jetzt denkt, dass man nur möglichst viele dieser Arbeiter braucht, um zu gewinnen, liegt falsch: Bora Bora bietet wesentlich mehr Möglichkeiten, um an Siegpunkte zu gelangen. Man kann z.B. jede Runde Aufgaben meistern, indem man Voraussetzungen wie „Besitze drei Muschelketten“ oder „Besetze drei gleiche Fischplätze“ erfüllt. Man bekommt direkt und jede Runde aufsteigend Punkte für seine Tempelpositionen: Erst einen, dann zwei, schließlich drei pro Figur, wobei man fremde Besucher sogar verdrängen kann. Außerdem gibt es direkt und jede Runde absteigend Punkte für Bauprojekte: Erst satte zehn, dann sieben und schließlich nur noch vier.

Generalisierung oder Spezialisierung

Irgendwann wimmelt es auf der Insel mit den zwölf Gebieten vor Hütten.
Irgendwann wimmelt es auf der Insel mit den zwölf Gebieten vor Hütten. Die lukrativen Fischzonen geben am Ende nochmal fette Boni.
Clevere Spieler bauen also früh und beten spät? Oder versucht man beides? Spezialisieren oder generalisieren? Aber man hat doch nur drei Würfel und evtl. Männer oder Frauen für Aktionen! Vielleicht sollte man Männer ignorieren, sich auf Muscheln und Frauen konzentrieren, denn der Schmuck kann am Ende über 30 Punkte einbringen. Allerdings darf sich nur derjenige zuerst eines der offen liegenden Schmuck-Plättchen im Wert von einem bis neun Punkten aussuchen, der Startspieler ist. Das wird man über Prestige, was wiederum Männern vorbehalten ist…

Selbst wenn man die Muschelkönigin ist: Hat man am Ende auch an die Gebiete gedacht? Bora Bora hat zwar kein territoriales Prinzip wie Burgen von Burgund, wo Regionen gleicher Farbe einen Gewinn brachten, aber es gibt einen klasse Verdrängungsmechanismus mit fetter Punkteausschüttung vor allem am Ende: Wer eine Hütte baut, darf dort den Rohstoff ernten und mit entsprechender Karte fischen, was einmalig einen bis sechs Punkte einbringt. Am Ende werden all diese Fischgebiete aber nochmal zusammen gezählt – allerdings nur für einen!

Kommentare

HoloDoc42 schrieb am
Bei Spielen von Stefan Feld stehen im Prinzip immer die Mechanismen im Vordergrund, das Thema kommt danach. Muss man mögen bzw. drüber hinwegsehen können. Bei Burgen von Burgund und Bora Bora kann ich das, bei Luna und Trajan nicht... Mal schauen wie Brügge wird.
Jörg Luibl schrieb am
Ja, das mit der Atmosphäre stimmt schon. In Village wird das dörfliche Thema mit dem Übergang der Generationen bildlich und inhaltlich gut eingefangen. Es ist auf den ersten Blick charmanter.
Aber selbst wenn die Männer und Frauen in Bora Bora (für Polynesien) ganz untypisch und unentspannt um Siegpunkte schuften müssen (man könnte das Thema auch mit Aliens und Robotern umsetzen), sind die Wege zum Ziel so vielfältig und so gut miteineinander verflochten, dass man nach drei, vier Partien noch verblüfft wird. Bora Bora war wie Burgen von Burgund ein Spätzünder. :wink:
AngryDwarf schrieb am
Ich konnte das Spiel letztens spielen und war sehr ernüchtert. In einer sehr positiven BGG-Kritik wird das Spiel als "mechanical exercise in point scoring" bezeichnet. Das trifft für mich vollständig zu. Allerdings würde ich das hier dem Spiel durchaus negativ ankreiden. Es ist absolut egal, ob da nun Männer, Frauen und Fische sind oder man einfach gesagt hätte Plättchen A gibt dir Plättchen B und3x B gibt dir x Punkte.
Die Spielmechanik ist natürlich in einer beeidruckenden Weise austariert und komponiert, aber ich jedenfalls bin nie von dem Gefühl weggekommen, eben diese Spielmechanik zu spielen und nicht das Spiel (hm,hoffentlich wird klar, was ich meine). Insoweit hat mich das Spiel sehr an das ebenfalls oft gelobte Caylus erinnert, welches ich auch unglaublich fade finde. Wem das gefällt, der wird aber sicherlich auch Bora Bora mögen. Zumal die bunten Farben das Spiel zumindest fröhlich scheinen lassen.
Um den Vergleich mit Village aufzugreifen: Hier haben es die Autoren für mich geschafft, die Atmosphäre stimmig umzusetzen. Allein der Meeple-Tod und der Familien-Nachschub ergeben schon deutlich mehr Flair als jede der Mechaniken in Bora Bora. Ich für meinen Teil spiele in jedem Fall lieber 50 Runden Village als eine Runde Bora Bora. Aber vielleicht liegt das ja auch nur daran, dass ich mich im Beruf als Jurist täglich mit extrem trockenen Mechaniken (Paragraphen) rumschlagen darf und mich in der Freizeit gerne mit etwas Lebhafterem beschäftige :P
Aber um meine Ansicht nochmal klarzustellen: Wer Hardcore-(Euro-)Strategiespiele insbesondere wegen der Verwaltungsoptimierung mag, auf eben die genannten mechanischen Punktesammel-Übungen steht und wem das Thema eigentlich nebensächlich ist, der ist mit Bora Bora hervorragend bedient. Die Verzahnung der Mechaniken ist schon fast mit einer Bach-Fuge vergleichbar :-) Die spiele ich aber auch nicht gerne...
schrieb am