Was bringen die Gebäude?
Auch das Errichten eines der vier Gebäude kann sich lohnen und den eigenen Spielstil unterstützen. Wer das Denkmal baut, erhält beim Aufrüsten jeweils ein Ansehen; die Mühle produziert wie ein Arbeiter den Rohstoff der Region; der Stollen ist ein künstlicher Tunnel und damit eine Abkürzung; das Arsenal erhöht die eigene Stärke bei jedem Handel. Hinzu kommt nicht nur, dass die Gebäude unzerstörbar sind und pro Region nur eines stehen darf, sondern auch, dass es bei einer feindlichen Übernahme nicht vom Gegner genutzt werden kann. Außerdem darf man mit ihnen auch Gebiete besetzt halten, ohne dass ein Arbeiter, Mech oder Anführer anwesend sein muss. last but not least bekommt man für die zu Beginn zufällig gezogene Gebäudebonuskarte noch enstprechend Geld ausgezahlt, falls man z.B. an einer bestimmten Zahl an Seen gebaut hat.
Die Sachsen haben erst einen Mech gebaut und somit nur eine Fähigkeit freigeschaltet.
Für Abwechslung und Atmosphäre sorgen zudem die Karten. Neben den zwei geheimen Zielkarten gibt es die angesprochenen Ereignisse, die immer dann stattfinden, wenn der eigene Anführer eine Region mit Begegnungsmarker betritt. Dieser wunderbar illustrierten Karten enthalten einen Text, den man wie eine Quest in einem Rollenspiel laut vorliest. Dann hat man die Wahl zwischen drei Entscheidungen, die einem mehr oder weniger Boni einbringen. Schließlich gibt es noch die Fabrikkarten, die man erhält, sobald der eigene Anführer das Zentrum der Karte erreicht hat. Wer als Erster da ist, darf sich eine aus dem Pool aussuchen. Das Besondere daran: Sie wird an das eigene Spielertableau angedockt, so dass man statt vier jetzt fünf Aktionen zur Verfügung hat. Auch das ist eine tolle Idee, zumal jede dieser Karten einer Einheit doppelte Bewegung spendiert.
Spielmodus für Solisten
Was haben die Nordmänner vor?
Was ich sehr an Scythe schätze ist nicht nur, dass das Regelwerk mit seinen Beispielen und Hilfen sehr anschaulich ist und dass die Illustrationen auf den Tableaus das Verständnis erleichtern. Schön ist auch, dass es einen durchdachten Spielmodus für Solisten von anderen Autoren gibt, der in einem eigenen Heft erläutert wird. Das Spiel läuft nach denselben Mechaniken ab, nur dass man mit einem künstlichen Gegner namens "Automa" spielt - es gibt sogar die Möglichkeit, gegen bis zu vier dieser Bots anzutreten. Und keine Bange: Man muss nicht alles für sie an Rekruten, Rohstoffen & Co platzieren, denn sie bekommen lediglich ein Grundgerüst an Arbeitern, Geld, Ansehen etc. und folgen dann in vier Schwierigkeitsstufen ihren eigenen Karten.
Diese sind mit vorgefertigten Mustern so strukturiert, dass man von oben nach unten geordnet zwei festen Aktionsplänen folgt. Je nach Spielphase führt man alles aus, was dort angegeben ist, also z.B. die Bewegung. Anhand der Symbole auf der Automa-Karte erkennt man, welche Einheiten man in welcher Priorität über die Karte zieht. Man muss sich zwar ein wenig in das System hineinfuchsen, zumal man ja jeden Spielzug eine neue Automa-Karte mit anderen Optionen und Symbolen zieht, aber es macht auch Spaß wenn man erkennt, dass das System durchaus durchdacht und fordernd ist. Außerdem finden sich in der zwölfseitigen Anleitung genug Beispiele für diesen interessanten Spielmodus.
Fazit
Malerisch inszeniert, hochwertig produziert, durchdacht designt. Scythe ist eines der schönsten und unterhaltsamsten Brettspiele der letzten Jahre. Hier bilden Illustration, Szenario und Inhalt eine stimmungsvolle Einheit, die ich im Bereich der Aufbaustrategie selten erlebt habe. Die wunderschönen Gemälde von Jakub Rozalski regen die Fantasie ebenso an wie die alternativen 20er Jahre, in denen Tiger oder Bären als Gefährten unterwegs sind, während Mechs durch die Gegend stampfen und fünf Nationen um die Vorherrschaft kämpfen. Diese bizarre Mischung aus Bauernidylle und Stahlgewitter ist aber kein visuelles Blendwerk, sondern wird auch im Regelwerk spürbar. Die Vertreibung von Zivilisten wird mit einem Verlust von Ansehen bestraft, aus kleinen Gemälden werden Ereignisse, so dass etwas Rollenspielflair entsteht. Viel wichtiger als dieses tolle Zusammenwirken von künstlerischer Vision und Spielmechanik ist aber das angenehm offene Spielgefühl, das viele Strategien zum Ziel anbietet. Man baut erstmal gemütlich auf, muss seine Feinde nicht komplett vernichten, kann über Erfolge früh Schluss machen, im Kampf etwas bluffen und über das wichtige Ansehen wertvolle Punkte gewinnen. Hinzu kommen sehr gute Wechselwirkungen, was Aufbau, Bewegung, Rohstoffe und Entwicklungen betrifft sowie kreativ designte Spielertableaus mit gekoppelten Aktionen. Scythe zeigt zwar Einflüsse von Klassikern wie Eclipse mit dem wichtigen Zentrum der Karte, aber ist kein konservatives 4X-Spiel, sondern bietet genug eigene Ideen und einen angenehm flotten Spielfluss. Wer anspruchsvolle Brettspiele liebt, kommt um dieses Schmuckstück nicht herum. Ach so: Willkommen in unserer Top 20.
Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei bis vier Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.
Weitere Brettspieltests im Archiv!