Wie läuft der Kampf ab?
Die Kämpfe laufen simpel, aber aufgrund möglicher Boni und Bluffs unterhaltsam ab: Die stärkere Truppe in einem Gebiet gewinnt! Man zählt die Werte all seiner Krieger, Anführer oder Monster, darf noch eine verdeckte Karte auslegen, wobei es dadurch fiese Manöver im Vorfeld sowie Konter gibt, und dann wird alles addiert. Sehr schön ist, dass die Spielbalance durch die vielleicht übermächtig wirkenden Monster wie Feuer- oder Eisriese nicht ins Wanken gerät. Obwohl sie teilweise fatale Spezialfähigkeiten haben wie etwa der Troll, der nach seiner Invasion alle (!) Krieger in einem Gebiet vernichtet, kann man das Spiel theoretisch auch gewinnen, ohne ein Monster zu rufen.
Walhall füllt sich mit gefallenen Kriegern - aber die kehren bald zurück.
Die Verlierer einer Schlacht wandern nach Walhall und kehren im nächsten Zeitalter zurück; die Gewinner dürfen das Bonusplättchen in der Region für ihre Clanentwicklung nutzen und auf der Ruhmesleiste voranschreiten. Wie gesagt: ein sehr simples und flottes System, das ohne Würfelei oder komplexe Regeln auskommt. Trotzdem geht es eher um Klasse statt Masse, zumal der Anspruch schon im Vorfeld entsteht: Wie entwickle ich meinen Clan möglichst effektiv? Wo müsste ich plündern, um meine Ziele zu erreichen? Und wie kann ich all das vielleicht so kombinieren, dass meine Krieger bei Ragnarök auch noch mit diesem einen Gebiet untergehen?
Hochwertige Ausstattung
Dass Blood Rage mit knapp 70 Euro zu Buche schlägt, liegt in erster Linie an den 49 coolen Miniaturen. Die fein modellierten Figuren von
Mike McVey, der 1987 zunächst als professioneller Bemaler bei Games Workshop und dann 1999 bei Wizards of the Coast als Skulpturist anheuerte, haben sicher mit dazu beigetragen, dass dieses Kickstarterprojekt 2015 so erfolgreich finanziert wurde. Vor allem die neun Monster, darunter nicht nur Walküre und Troll, sondern auch Seedrache, Feuer- und Frostriese, sind sehr ansehnlich modelliert. Aber auch die einfachen Krieger und Anführer sind sehenswert; seit einigen Jahren hat der Künstler ein eigenes Studio;
schaut mal rein. Hinzu kommt natürlich das stimmungsvolle
Die neun "Monster" sind klasse designt, darunter Zwerge, Walküre, Helkrieger, Dunkelelf, Eisriese, Feuerriese, Troll und Seeschlange.
Artdesign des Spielplans, der 102 Karten, Plättchen und Wappen des britischen Warhammer-Illustrators
Adrian Smith, der für seine Grafiken zu Brettspielen bereits ausgezeichnet wurde - Abzüge in der C-Note gibt es allerdings für Helme mit Hörnern auf den schwarzen Markern. Aber keine Bange, der Rest der Krieger ist hornfrei.
Was gefällt nicht so gut?
In der ersten Partie dachte ich noch, dass die Statik der Schiffe erstens unlogisch und zweitens dämlich sei. Warum sind sie am Fjord festgetackert und können nicht segeln? Hier hätte man evtl. noch mehr Dynamik reinbringen können, aber vielleicht hätte man dann auch die komplette Karte nicht als eine Insel, sondern als größeres Meer mit vielen Küsten konzipieren müssen. Spätestens nach zwei, drei Partien war das deshalb kein großer Kritikpunkt mehr, weil die Schiffe erstens auch so recht wirkungsvoll sind - sie können ja zwei Gebiete beeinflussen - und weil sie zweitens durch die vielen Schlachten so schnell in Walhall landen, dass man sie danach wieder woanders einsetzen kann.
Die Mitte rund um Yggdrasil ist strategisch sehr wichtig. Übrigens: der Dunkelelf hat nur dort drei Stärke und darf als einzige Figur sofort dort starten.
Über die hohe Ausschüttung an Ruhm in der dritten Runde sowie nach Abrechnung des Clanbogens haben wir diskutiert: Ist da am Ende zu viel möglich? Nachdem wir jetzt vier Partien hinter uns haben und wissen, wie wichtig der Endspurt ist, erhöht sich dadurch nochmal die Spannung. Außerdem finde ich es gut, dass man sich in der ersten Runde nicht durch "Fehler" etwas verbauen kann. Substanzielle Kritik an der in so vielen Bereichen runden Spielmechanik gibt es also nicht. Vielleicht wäre es schön gewesen, wenn man den vier Clans zumindest über eine exklusive Fähigkeit oder Verbündete von Beginn an etwas mehr Charakter verliehen hätte - so ist die Wahl zwischen Wolf, Rabe, Schlange oder Bär eine rein ästhetische.
Zwei, drei oder vier Spieler
Das optimale Spielerlebnis gibt es in Blood Rage natürlich mit vier Spielern - dann ist richtig viel los, dann ist alles umkämpft und Walhall füllt sich mit Kriegern aller Fraktionen. Aber auch mit weniger Teilnehmern kann ich es empfehlen, zumal wir es aufgrund des flotten Tempos einer halben Stunde auch zu zweit gerne auf den Tisch bringen. Zu Beginn zerstört man zu zweit gleich drei, zu dritt zwei der neun Gebiete, so dass man schneller aufeinander trifft; ansonsten gelten dieselben
Wenn Ragnarök ruft, werden einzelne Gebiete komplett zerstört - markiert durch die runden orangen Marker.
Regeln, nur dass man beim Kartendraft nicht eine, sondern jeweils zwei Karten behält; außerdem werden bestimmte Karten aussortiert.
Fazit
Blood Rage ist klasse - willkommen in meiner Top 20 der Brettspiele! Lasst euch vom martialischen Namen nicht täuschen, denn es geht nicht um ein altnordisches Hack & Slay oder Masse statt Klasse, sondern um gut geplantes Aktions- sowie Kartenmanagement bei stetig wechselnder territorialer Machtlage. Natürlich streitet man um Gebiete, plündert Dörfer, ruft Krieger und mythische Monster, aber der faszinierende Kern dieses wunderbar illustrierten Brettspiels liegt darin, seinen Clan möglichst effizient über göttliche Aufrüstungen zu entwickeln und seine Eroberungen zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu starten - manchmal helfen Bluffs, manchmal profitiert man auch vom eigenen Untergang, wenn gefallene Krieger nach Walhall ziehen. Das schlanke Regelwerk mit seinen fünf Aktionen, das Kartendrafting und die gut ausbalancierte Steigerung von Belohnungen sorgen dafür, dass die Spannung bis ins Finale steigt. Hier sitzt man nicht stundenlang vor einem geostrategischen Status quo, sondern raubt, wächst und taktiert in einem flotten Stakkato. Last but not least inszeniert Blood Rage den mythischen Kampf sehr ansehnlich mit stimmungsvollen Illustrationen und toll designten Figuren. Also: Enslaved aufdrehen und Ruhm ernten!
Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.
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