Brettspiel-Test: Blood Rage (Aufbaustrategie)

von Jörg Luibl



Entwickler:
Release:
10.10.2015
Spielinfo Bilder  
Wie läuft der Kampf ab?

Die Kämpfe laufen simpel, aber aufgrund möglicher Boni und Bluffs unterhaltsam ab: Die stärkere Truppe in einem Gebiet gewinnt! Man zählt die Werte all seiner Krieger, Anführer oder Monster, darf noch eine verdeckte Karte auslegen, wobei es dadurch fiese Manöver im Vorfeld sowie Konter gibt, und dann wird alles addiert. Sehr schön ist, dass die Spielbalance durch die vielleicht übermächtig wirkenden Monster wie Feuer- oder Eisriese nicht ins Wanken gerät. Obwohl sie teilweise fatale Spezialfähigkeiten haben wie etwa der Troll, der nach seiner Invasion alle (!) Krieger in einem Gebiet vernichtet, kann man das Spiel theoretisch auch gewinnen, ohne ein Monster zu rufen.

Walhall füllt sich mit gefallenen Kriegern - aber die kehren bald zurück.
Walhall füllt sich mit gefallenen Kriegern - aber die kehren bald zurück.
Die Verlierer einer Schlacht wandern nach Walhall und kehren im nächsten Zeitalter zurück; die Gewinner dürfen das Bonusplättchen in der Region für ihre Clanentwicklung nutzen und auf der Ruhmesleiste voranschreiten. Wie gesagt: ein sehr simples und flottes System, das ohne Würfelei oder komplexe Regeln auskommt. Trotzdem geht es eher um Klasse statt Masse, zumal der Anspruch schon im Vorfeld entsteht: Wie entwickle ich meinen Clan möglichst effektiv? Wo müsste ich plündern, um meine Ziele zu erreichen? Und wie kann ich all das vielleicht so kombinieren, dass meine Krieger bei Ragnarök auch noch mit diesem einen Gebiet untergehen?

Hochwertige Ausstattung

Dass Blood Rage mit knapp 70 Euro zu Buche schlägt, liegt in erster Linie an den 49 coolen Miniaturen. Die fein modellierten Figuren von Mike McVey, der 1987 zunächst als professioneller Bemaler bei Games Workshop und dann 1999 bei Wizards of the Coast als Skulpturist anheuerte, haben sicher mit dazu beigetragen, dass dieses Kickstarterprojekt 2015 so erfolgreich finanziert wurde. Vor allem die neun Monster, darunter nicht nur Walküre und Troll, sondern auch Seedrache, Feuer- und Frostriese, sind sehr ansehnlich modelliert. Aber auch die einfachen Krieger und Anführer sind sehenswert; seit einigen Jahren hat der Künstler ein eigenes Studio; schaut mal rein. Hinzu kommt natürlich das stimmungsvolle
Die neun "Monster" sind klasse designt, darunter Zwerge, Walküre, Helkrieger, Dunkelelf, Eisriese, Feuerriese, Troll und Seeschlange.
Die neun "Monster" sind klasse designt, darunter Zwerge, Walküre, Helkrieger, Dunkelelf, Eisriese, Feuerriese, Troll und Seeschlange.
Artdesign des Spielplans, der 102 Karten, Plättchen und Wappen des britischen Warhammer-Illustrators Adrian Smith, der für seine Grafiken zu Brettspielen bereits ausgezeichnet wurde - Abzüge in der C-Note gibt es allerdings für Helme mit Hörnern auf den schwarzen Markern. Aber keine Bange, der Rest der Krieger ist hornfrei.

Was gefällt nicht so gut?

In der ersten Partie dachte ich noch, dass die Statik der Schiffe erstens unlogisch und zweitens dämlich sei. Warum sind sie am Fjord festgetackert und können nicht segeln? Hier hätte man evtl. noch mehr Dynamik reinbringen können, aber vielleicht hätte man dann auch die komplette Karte nicht als eine Insel, sondern als größeres Meer mit vielen Küsten konzipieren müssen. Spätestens nach zwei, drei Partien war das deshalb kein großer Kritikpunkt mehr, weil die Schiffe erstens auch so recht wirkungsvoll sind - sie können ja zwei Gebiete beeinflussen - und weil sie zweitens durch die vielen Schlachten so schnell in Walhall landen, dass man sie danach wieder woanders einsetzen kann.

Die Mitte rund um Yggdrasil ist strategisch sehr wichtig. Übrigens: der Dunkelelf hat nur dort drei Stärke und darf als einzige Figur sofort dort starten.
Die Mitte rund um Yggdrasil ist strategisch sehr wichtig. Übrigens: der Dunkelelf hat nur dort drei Stärke und darf als einzige Figur sofort dort starten.
Über die hohe Ausschüttung an Ruhm in der dritten Runde sowie nach Abrechnung des Clanbogens haben wir diskutiert: Ist da am Ende zu viel möglich? Nachdem wir jetzt vier Partien hinter uns haben und wissen, wie wichtig der Endspurt ist, erhöht sich dadurch nochmal die Spannung. Außerdem finde ich es gut, dass man sich in der ersten Runde nicht durch "Fehler" etwas verbauen kann. Substanzielle Kritik an der in so vielen Bereichen runden Spielmechanik gibt es also nicht. Vielleicht wäre es schön gewesen, wenn man den vier Clans zumindest über eine exklusive Fähigkeit oder Verbündete von Beginn an etwas mehr Charakter verliehen hätte - so ist die Wahl zwischen Wolf, Rabe, Schlange oder Bär eine rein ästhetische.

Zwei, drei oder vier Spieler

Das optimale Spielerlebnis gibt es in Blood Rage natürlich mit vier Spielern - dann ist richtig viel los, dann ist alles umkämpft und Walhall füllt sich mit Kriegern aller Fraktionen. Aber auch mit weniger Teilnehmern kann ich es empfehlen, zumal wir es aufgrund des flotten Tempos einer halben Stunde auch zu zweit gerne auf den Tisch bringen. Zu Beginn zerstört man zu zweit gleich drei, zu dritt zwei der neun Gebiete, so dass man schneller aufeinander trifft; ansonsten gelten dieselben
Wenn Ragnarök naht, werden einzelne Gebiete komplett zerstört.
Wenn Ragnarök ruft, werden einzelne Gebiete komplett zerstört - markiert durch die runden orangen Marker.
Regeln, nur dass man beim Kartendraft nicht eine, sondern jeweils zwei Karten behält; außerdem werden bestimmte Karten aussortiert.

Fazit

Blood Rage ist klasse - willkommen in meiner Top 20 der Brettspiele! Lasst euch vom martialischen Namen nicht täuschen, denn es geht nicht um ein altnordisches Hack & Slay oder Masse statt Klasse, sondern um gut geplantes Aktions- sowie Kartenmanagement bei stetig wechselnder territorialer Machtlage. Natürlich streitet man um Gebiete, plündert Dörfer, ruft Krieger und mythische Monster, aber der faszinierende Kern dieses wunderbar illustrierten Brettspiels liegt darin, seinen Clan möglichst effizient über göttliche Aufrüstungen zu entwickeln und seine Eroberungen zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu starten - manchmal helfen Bluffs, manchmal profitiert man auch vom eigenen Untergang, wenn gefallene Krieger nach Walhall ziehen. Das schlanke Regelwerk mit seinen fünf Aktionen, das Kartendrafting und die gut ausbalancierte Steigerung von Belohnungen sorgen dafür, dass die Spannung bis ins Finale steigt. Hier sitzt man nicht stundenlang vor einem geostrategischen Status quo, sondern raubt, wächst und taktiert in einem flotten Stakkato. Last but not least inszeniert Blood Rage den mythischen Kampf sehr ansehnlich mit stimmungsvollen Illustrationen und toll designten Figuren. Also: Enslaved aufdrehen und Ruhm ernten!

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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Kommentare

hauih schrieb am
Habe das Spiel nun auch gestestet.
Die Aufmachung ist klasse da gibt es nichts aber bei mir ist der Funke nicht übergesprungen.
Irgendwie spricht mich das Spiel nicht wirklich an.
Kann gar nicht genau sagen was es ist aber es kam keine Spannung auf und ich hatte dsa gefühl es es mehr aufg dsa Glück als auf Taktik ankommt.
tomtom73 schrieb am
Kleiner Tipp für alle, die das Spiel etwas zu unausballanziert finden, weil man nur auf eine Weise gewinnen kann. Eigentlich sind's sogar 3 kleine Tipps:
1. Rage-Gewinn durch Plündern verändert sofort den aktuellen Rage-Stand des Spielers, sodass dadurch eine Synergie entsteht, da beim Erfolg quasi kostenlose Aktion ausgeführt wurde. Darüber hinaus lohnt es sich immer noch in der 3 Ära Rage-Provinzen zu plündern...
2. Der Drakkar kann wie normale Einheiten bewegt werden, allerdings nicht zum beliebigen sonder nur zum "benachbarten" Fjord, sprich nicht zum gegenüber gelegenen...
3. Klanentwicklung verschafft dem Spieler bereits viele Vorteile während des Spiels, deswegen gibt's am Ende keinen Ruhm dafür - nicht einmal 10 Punkte - (optional kann man einen Bonus für Klanentwicklung zu Ehren einer bestimmten Gottheit einführen wie z.B. 3 Karten von Tyr). Dies erlaubt auch anderen Strategien (z.B. mit Loki-Karten eigene Figuren opfern, indem Schlachten gezielt verloren werden) gegen den üblichen Weg (Gewinnen+Entwickeln) zu bestehen.
In unserer Runde funktioniert das sehr gut und macht das Spiel viel lebendiger und spannender bis zum Schluss...
SirJethro schrieb am
Zwei weitere Partien gespielt. Die letzte war ein ziemlich Abzug. Der Gewinner konnte über 200 Punkte einsacken, ich kam auf um die 50 und der Zweitplatzierte auf rund 80. Wieder einmal wollte in meiner Spielweise nichts klappen, bekam die Leisten nicht hoch und im dritten Zeitalter hatte ich gerade einmal 8 Wut Punkte. Der Gewinner erzielte Punkte, durch mehrere und valide Strategien, es klappte sozusagen alles, jede Kombination, die massig Punkte bringt, wie zum Beispiel die doppelte Anzahl an Punkten bei Ragnarök. Durch den stets hohen Hornwert konnte er auch das Spielfeld mit Spielfiguren überschwemmen.
Dazu hat er Spieler Nummer 2 in einem sehr wichtigen Kampf mit der Karte, die alle Sonderfähigkeiten (Thors Vorrang) auflöst, gewonnen.
Gerade diese Karte stieß bei Spieler 2 bitter auf, da er dachte, bereits mit seiner Kampfkarte (Heimdalls Wache), die bereits einen Vorrang hat würde er gewinnen und er beschwerte sich über die " extra Sonderkarte".
Was mir aber auch wieder auffiel. Der Sieger aus der Schlacht um Yggdrassil hat Vorteile, dadurch, dass er dort verweilen darf. Erst recht, wenn eine starke Präsenz dasteht. Während die anderen im nächsten Zeitalter erst wieder Figuren ins Spielfeld bringen müssen, kann er sofort wieder Plättchen plündern, denn die Schlecht gewinnt er, alleine durch seine Grundstärke der Figuren.
SirJethro schrieb am
Hallo,
ich konnte noch keine weitere Partie bestreiten, möchte aber dennoch auf die Ausführungen eingehen. Das offizielle FAQ konnte ein paar unklare Sachverhalte klären. Zum Beispiel wurde mir dann auch bewusst, dass man Schiffen theoretisch eingreifen kann, oder das es bei der Auswertung der Karten die Spielerreihenfolge wichtig ist.
Dass man Ruhmespunkte nur durch eine gewonnene Schlacht erhalten kann, war mir klar. Aber das alleinige Plündern kann gegebenfalls schon eine Menge bringen, sofern man seine Leisten nach oben drücken möchte. In der Verbindung mit der Fähigkeit nochmals plündern zu dürfen für 2 Wut erst recht. Hier war es dann beim letzten Spiel der Fall, dass sich ein Spieler komplett in ein 3er Gebiet gestellt hat. Neben 2 Kriegern war der Eisriese mit dabei und das zu plündernde Plättchen war der +5 Ruhmespunkte Bonus. Da er viel Wut übrig hatte und niemand mehr ein Dorf besetzen konnte, war er in der Lage, dort fleißig Punkte zu sammeln.
Ich glaube eine gute Kartenkenntnis, um sich dann eine Strategie zu erstellen, wird das wichtigste sein. Vor allem auch die Strategie in jedem weiteren Zeitalter anzupassen. Nur selbst die beste Planung bringt wenig, wenn der Gegenüber einen Strich durch die Rechnung macht.
k1719377 schrieb am
SirJethro hat geschrieben:Auch wenn der Thread hier schon etwas älter ist, hoffe ich hier dann noch weitere Antworten (irgendwann) zu sehen. Ein Kumpel von mir hat eine riesige Sammlung an Brettspielen aufgebaut. Dementsprechend vielseitig ist sie. Bei unseren Runden kommen meistens die eher anspruchsvollen Games zum Zug wie aktuell Ein Fest für Odin. Von Blood Rage hatte ich mir zuvor einige Tests angesehen und diese fallen in der Regel auch gut aus. Aufgrund der Thematik und Neugier habe ich es mir zu Weihnachten schenken lassen. Nach 2 Partien ist der Funke jedoch nicht richtig übergesprungen, vielleicht auch deswegen, da ich "komplexere" Spiele mag und hier ist dann doch recht wenige Möglichkeiten zur Entfaltung gibt.
Was mir besonders negativ auffällt ist, dass das Spielfeld zu klein wirkt. Dadurch entstehen immer wieder Monopolstellungen, das heißt ein Spieler setzt sich komplett in ein Gebiet und kann dann (so gut wie) nicht mehr attackiert werden. Anfangs konzentriert man sich ohnehin darauf zunächst, getrennte Wege zu gehen und die Gebiete zu plündern. Wenn das Gebiete dann durch Ragnarök nicht einmal zerstört wird, kann der Spieler auch im nächsten Zeitalter munter dort weiter stehen.
Dazu finde ich, dass das Belohnungsplättchen von Yggdrassil zu gut ist. Derjenige, der dort die Schlacht gewinnt (und meistens sind viele Figuren beteiligt), hat womöglich nach dem Sieg seine (halbe) Armee dort stehen und kann von da aus munter weiter in ein Gebiet ziehen oder dort bleiben, um im nächsten Zeitalter wieder gleich 3 Boni auf einmal einzukassieren. Die Verlierer dagegen müssen zunächst wieder Einheiten aufs Feld bringen, was Wut und Zeit kostet. Klar, bringen diverse Karten das strikte Muster ins Wanken, aber das ist wie gesagt mein erster Eindruck von den Dingen, die mir weniger gefallen.
Da ich nicht weiß, ob Sie das Spiel noch einmal gespielt haben, wollte ich an dieser Stelle noch etwas einwerfen. Ich glaube, dass viele Spieler diverse Möglichkeiten in...
schrieb am