Fantastisches BioWare
Mit
Dragon Age hat das US-Entwicklerstudio Bioware neben
Mass Effect, das sich im Sci-Fi-Milieu bewegt, ein klassisches Fantasy-Setting etabliert. Die bisher erschienenen drei Spiele waren allesamt sehr erfolgreich, jedes verkaufte Millionen Exemplare und erhielt mindestens einen DLC. Zudem erschien bereits 2010 einen Anime-Film, dazu gibt es eine Webserie, zahlreiche Comics und auch einige Romane. Ein reichhaltiger Kosmos also, aus dem die neue Serie Dragon Age: Absolution schöpfen konnte. Aber wann und wo spielt die Serie, die vom koreanischen Studio Red Dog Culture House für Netflix umgesetzt wurde?
Tief im Herzen des Magierreiches
Miriam konnte den Sklavenhaltern in Tewinter entkommen und schlägt sich als Diebin durch.
Die Hauptfigur der Serie ist die Elfin Miriam, die als Sklavin im Imperium von Tewinter aufwuchs, aber entkommen konnte und sich seitdem als Diebin verdingt. Als ihre große Liebe Hira, die sie einst verlassen hatte, plötzlich auftaucht und um Hilfe bittet, wallen in Miriam alte Gefühle wieder auf. Daher sagt sie zu, der Gruppe um Hira und den charismatischen Fairbanks zu helfen. Die Magierin Hira ist im Auftrag der Inquisition unterwegs, um dem Reich von Tewinter ein mächtiges Artefakt zu stehlen, bevor die Magier es gegen den Rest der Welt einsetzen können.
Miriams Kumpel Roland, ein orlaisischer Krieger, ist ebenso dabei wie die Qunari-Magierin Qwidion und der Zwergenkrieger Lacklon. Miriam soll die Gruppe als Ortskundige ungesehen in den Palast bringen. Dort wollen Fairbanks und Hira das Artefakt bergen, um danach so schnell wie möglich zu verschwinden. Doch der Auftrag läuft nicht so planmäßig ab wie erhofft. Dafür sorgen der mächtige Magister Rezaren, mit dem Miriam noch eine persönliche Rechnung offen hat, und Tassia, die Kommandantin der Palastwache…
Handlung von der Stange
Der Dieb Fairbanks hat für den Coup auch den menschlichen Krieger Roland, Zwergenkämpfer Lacklon und die qunarische Magierin Qwidion angeheuert.
Die Geschichte der Serie ist in der Zeit nach der Inquisition angesiedelt, die im dritten Teil der Spielereihe eine große Rolle spielt. So ist z. B. Cassandra, die rechte Hand des Inquisitors, kurz zu sehen. Auch die Auseinandersetzungen zwischen den Magiern und den Templern, von Beginn an Thema in der Serie, kommen in Dragon Age: Absolution vor. Allerdings sind die Verbindungen nicht so eng, dass ein Neuling in der Welt von Dragon Age hier nichts verstehen würde – ganz im Gegenteil. Die Serie erzählt eine derart generische High-Fantasy-Story, dass sie auch völlig für sich stehend funktioniert. Vorwissen aus den Games ist schön, aber nicht unbedingt nötig.
Eine Gruppe von Helden wird angeheuert, um aus einem gut gesicherten Gebäude einen großen Schatz zu stehlen –- und dann läuft alles anders als geplant: Solche Plots hat sich schon Robert E. Howard vor 90 Jahren für seinen Fantasy-Barbaren Conan ausgedacht. Und auch Abenteuer für Dungeons & Dragons oder Das Schwarze Auge, die so beginnen, dürfte es zu Hunderten geben. Zwar haben sich die Macher erfahrene Drehbuchautoren gesucht – Tim Sheridan schrieb etliche DC-Animations-Verfilmungen, Mae Catt war als Autorin unter anderem an der deutlich besseren Fantasy-Serie The Legend of Vox Machina beteiligt – aber eben niemanden aus dem BioWare-Studio oder dessen Umfeld auf einen wichtigen kreativen Posten gesetzt.
Der Zauber der Spiele fehlt
Als ihre große Liebe Hira plötzlich auftaucht, lässt sich Miriam von ihr überreden, bei einer Diebestour mitzumachen.
Nun kann man argumentieren, Fantasy sei in seinen Themen eben limitiert, wenn es möglichst klassisch sein soll – und das lässt sich auch nicht wegdiskutieren. Aber ein wenig origineller als bei Dragon Age: Absolution hätte es schon sein dürfen. Gerade die ambivalenten Magier in den Spielen, die oftmals als Schurken wider Willen in Erscheinung traten und daher auch eine tragische Komponente aufweisen, sind in der Serie stereotype Schurken oder Helden, auch wenn die Autoren dem fiesen Magister zumindest einen nachvollziehbaren Grund für seine Handlungen geben. Nun erzählen auch die Games sicher nicht die originellsten Geschichten unter der Sonne, punkten dafür aber mit einer epischen Länge und entsprechender Gravitas, was die Auswirkungen der Ereignisse auf die Fantasy-Welt angeht. Dagegen ist Dragon Age: Absolution leider nur ein Appetithappen, der mit seinen kaum halbstündigen sechs Folgen auch wenig Zeit erhält, einen großen Plot aufzubauen.
Besonders der mächtige Magier Rezaren hat keine Lust, sich von dem mächtigen Artefakt zu trennen, mit dem er große Pläne verfolgt.
Die Story ist auch am Ende der ersten Staffel, die durchaus auf eine Fortsetzung ausgelegt ist, nicht einfallsreicher als zu Beginn. Immerhin trauen sich die Macher, auch "woke" Themen einzubauen, die allerdings erfahrungsgemäß nicht bei allen Fantasyfans gut ankommen. Und damit zusätzlich für Kritik sorgen dürften. Wie es besser geht, zeigt die bereits erwähnte Vox-Machina-Serie bei Amazon Prime, die auf den Abenteuern einer bekannten D&D-Spielrunde aus den USA basiert und neben einem originelleren Ansatz etwas mitbringt, das Dragon Age: Absolution völlig abgeht: Humor. Obwohl auch Vox Machina eine im Kern düstere Story erzählt, erlauben die schrägen Figuren und Dialoge ein Lachen – und das hätte auch der Dragon-Age-Serie ganz gut zu Gesicht gestanden.
Kann man sehen, muss man aber nicht
Optisch ähneln sich beide Serien sehr, obwohl Dragon Age: Absolution in Korea und Vox Machina in den USA entstand. Allerdings ist dieser spezielle für westliche Augen gefällige Anime-Look auch weitverbreitet:
The Witcher: Nightmare of the Wolf sieht ganz ähnlich aus, ebenso die Dragon's-Dogma-Serie bei Netflix. In Sachen Blut und Gewalt hält sich Dragon Age: Absolution zwar nicht zurück, so brutal wie
Cyberpunk Edgerunners oder Vox Machina, die beide mit einer Freigabe von 18 Jahren versehen wurden, fällt die Serie allerdings nicht aus. Dennoch ist sie für Kinder definitiv ungeeignet, Netflix selbst bewertete die Serie mit einer Freigabe ab 16 Jahren.
Um das Artefakt zu erbeuten, muss die Gruppe an Kommandantin Tassia und Magister Rezaren vorbei.
Bei der Sprachausgabe hat die englische Fassung, bei Netflix als Original angegeben, die Nase leicht vorn, aber auch die deutsche Version der Serie ist absolut gelungen und überzeugt mit Profi-Sprechern. Und so bleibt unter dem Strich eine zwar in der Handlung sehr erwartbare, aber spannend und emotional erzählte Fantasy-Story, die für Fans der Dragon-Age-Spiele ein paar Easter Eggs bietet, aber auch Neulinge nicht im Regen stehen lässt. Und dir für Fans von Dungeons & Dragons oder der Divinity-Reihe genug mitbringt, um 150 Minuten Zeit in die Serie zu investieren. Eine echte Perle wie beispielsweise
Arcane ist es aber nicht! Wer auf große Offenbarungen für
Dragon Age: Dreadwolf, das angekündigte vierte Spiel der Reihe, hofft, der wird zudem enttäuscht: Mehr als kurze Erwähnungen einiger bekannter Figuren hat die Serie nicht zu bieten. Wichtig für Serienfans: Dragon Age: Absolution bekommt zwar ein ordentliches Ende und könnte so abschließen, ist aber dennoch deutlich auf eine Fortsetzung getrimmt. Ob die kommt, bleibt angesichts der Qualität abzuwarten.