Metal Gear Jeanne
Im Verlauf des rund 15-stündigen Abenteuers gibt Bayonetta immer wieder das Ruder ab an ihre Kolleginnen Jeanne und Neuzugang Viola. Jeanne kommt lediglich in drei Nebenkapiteln zum Einsatz, wo sie in 2D-Abschnitten eine Einrichtung infiltriert und dabei in bester Stealth-Manier unbemerkt bleiben soll. Irgendwo zwischen dem C64-Klassiker Elevator Action und dem famosen Indie-Hit
Mark of the Ninja angesiedelt, sucht ihr in einem mehrgeschossigen Gebäude den Weg zum Ausgang. Dabei versteckt ihr euch vor Homunculi-Patrouillen in Schränken oder Luftschächten. Schleicht ihr euch hinterrücks an, bereitet ihr den Wachen mit einem Finishing Move ein rasches Ende. Verlorene Lebensenergie stellt ihr übrigens wieder her, indem ihr mit Jeanne unter die Dusche geht. An blödsinnigem Humor und sexuellen Anspielungen hat es Bayonetta eben noch nie gemangelt, wenngleich die Serie diesbezüglich zahmer als gewohnt ist.
Punk-Hexe Viola
Wenn Bayonetta im letzten Moment Angriffen ausweicht, aktiviert sie die Hexenzeit, das Spiel bremst ab und macht ihre Widersacher besonders verletzlich.
Hexennachwuchs Viola wiederum kommt in mehreren Kapiteln der Hauptgeschichte zum Einsatz und sorgt durch zwei Kniffe für ein völlig anderes Spielgefühl, was leider immer wieder für Irritationen führt, wenn man vorher mit Bayonetta gespielt hat. Denn statt durch Ausweichen im richtigen Moment die Hexenzeit zu aktivieren, pariert Viola Angriffe mit ihrem Katana. Sie kann Attacken blocken und sich währenddessen sogar bewegen, Angriffen von oben oder hinten ist sie aber schutzlos ausgeliefert, wovor nur Ausweichrollen schützen. Außerdem hat sie neben dem Schwert, das beide Angriffsbuttons nutzt, auch noch Wurfpfeile dabei. Diese erfüllen denselben Zweck wie Bayonettas Pistolen, machen aber etwas mehr Schaden. Mehr Waffen gibt es für Viola zwar nicht, dafür lässt sich ihr dämonischer Freund Cheshire aber flexibler im Kampf nutzen als die Bestien der Kollegin. Im Gegensatz zu Bayonetta kann sich Viola nämlich jederzeit frei bewegen und austeilen, während das Katzenmonster selbstständig über den Bildschirm tobt. Viola sorgt zwar für weitere spielerische Abwechslung, bleibt aber hinter Bayonettas Facettenreichtum zurück – nicht nur spielerisch, sondern auch hinsichtlich Darbietung und Präsentation. Bayonettas hat eine Fülle an detailverliebt gestalteten Kostümen, Viola darf nur ihr T-Shirt wechseln. Auch das plastikhafte Charaktermodell und die englische Sprecherin lassen zu wünschen übrig.
Spiel und Technik alter Schule
In Szenen wie dieser ist Bayonetta 3 kein schönes Spiel: Simple Levelgeometrie und matschige Texturen offenbaren die technischen Grenzen der Switch. In Bewegung geht aber alles so schnell, dass das nur selten stört.
Apropos englische Sprecherin: Anders als in den beiden Vorgängern wird Bayonetta diesmal nicht mehr von Hellena Taylor vertont, sondern von Branchengröße Jennifer Hale (
Metal Gear Solid 4,
Mass Effect). Die Gründe werden aktuell auf sämtlichen Gaming-Seiten (z. B. auch bei uns
hier &
dort) diskutiert, zentrales Thema ist die Bezahlung. Dessen ungeachtet liefert Jennifer Hale gewohnt ordentliche Arbeit ab und imitiert den gewohnten britischen Zungenschlag der Hexe vorzüglich. Wer vom Besetzungswechsel nichts weiß, wird ihn also kaum bemerken, obwohl Bayonetta 3 mehr vollwertige Videosequenzen bietet als seine Vorgänger, die sich überwiegend auf spärlich animierte Standbilder konzentrierten. Da ihr die hanebüchene Story aber spätestens nach dem ersten Durchspielen wahrscheinlich ohnehin wegklicken werdet, könnt ihr auch getrost zur japanischen Sprachausgabe wechseln und gegebenenfalls deutsche Untertitel zuschalten. Die passt dann nämlich noch besser zum völlig überdrehten Stil und zur alle Sinne betäubenden Inszenierung in bester Anime-Tradition.
In drei Nebenmissionen begibt sich Hexenschwester Jeanne auf Agententour: In 2D-Abschnitten trickst sie Gegner aus, versteckt sich in Spinden und deaktiviert Fallen.
Denn Bayonetta 3 versperrt sich sämtlichen modernen Trends und feiert sich selbst als nicht ernst zu nehmendes Spaßfeuerwerk japanischer Schule. Das ist man von Platinum Games so gewohnt und auch diesmal eskaliert das Team um Hideki Kamiya bis ans Limit der Switch-Prozessoren. Wie bei Michael Bays Filmen scheint selbst ein 65-Zoll-Fernseher noch zu klein, um die irrwitzigen Dimensionen einzufangen, ganz zu Schweigen vom Spielen im Handheld-Modus. Der funktioniert zwar einwandfrei, vom gewaltigen Bildschirmtreiben bleibt auf dem kleinen Screen aber wenig übrig – umso schwieriger wird es, im effektüberfrachteten Kampfgetümmel gegen Riesenbosse den Überblick zu behalten. Vereinzelt gerät sogar die Bildrate ins Stocken, weitgehend strebt sie aber die 60er-Marke an und sorgt für ein rasantes Spielgefühl.