Robinson Crusoe ohne Stress
Ein indianisch anmutender Junge erwacht an einem idyllischen Strand. Nach ersten unbeholfenen Schritten zwischen Krebsen und Möwen schaut er sich um - und erblickt eine scheinbar menschenleere Trauminsel im grellen Sonnenlicht. Alles wirkt karibisch unbeschwert, zumal er sich weder um Nahrung noch um Werkzeuge kümmern muss. Man bekommt sofort Lust, überall herumzustöbern, zumal die Tiere so putzig animiert das Weite suchen und alles sehr lebendig wirkt. In
RiME geht es nicht um das knallharte Überleben à la Robinson Crusoe, sondern um das weitgehend entspannte Erkunden, Klettern sowie Rätseln.
Ein Junge strandet auf einer idyllisch anmutenden Insel.
Nicht über Texte oder Dialoge, sondern lediglich über die Kulisse wird die Neugier geweckt und erzählt: Bereits an der Küste entdeckt man marmorweiße Ruinen sowie eingestürzte Brücken. Bald darauf zeigen sich im Tal die ersten Tempelanlagen mit seltsamen Tierstatuetten. Außerdem steigen mehrere blaue Lichtsäulen gen Himmel. Und Moment, war da nicht gerade eine Gestalt im knallroten Kapuzenmantel? Wenn man ihr folgt, verschwindet sie im letzten Moment wie ein Spuk - immer wieder. Wer ist das? Was hat es überhaupt mit dieser Insel auf sich? Und wer ist man selbst? Man hat ja nicht mal einen Namen!
Journey und ICO lassen grüßen
Die monumentale Kulisse und die akrobatische Spielmechanik erinnern mitunter an ICO.
Hinsichtlich der rätselhaften Symbolik sowie des indirekten Storytellings erinnert dieses Abenteuer umgehend an zwei außergewöhnliche Spiele:
Journey und
ICO. Auch die Spielmechanik fühlt sich vertraut an: Aus der Schultersicht kann man gehen oder rennen, sich abrollen oder springen, schwimmen und tauchen. Man kämpft zwar nicht, aber ganz à la ICO klettert man an Türmen und Wänden hinauf, presst sich an schmalen Simsen gegen die Wand oder springt waghalsig über Abgründe. Diese Akrobatik läuft weitgehend intuitiv, wird durch visuelle Hinweise etwas erleichtert, aber man kann auch mal abstürzen - meist jedoch ohne ernsthafte Folgen.
Zwar hat der Junge keine Waffe, aber eine magische Gabe: seine Stimme. Als er sie auf einem Hügel vor einem Podest mit blauem Licht einsetzt, fliegt es wie ein zauberhaft entfachter Wind gen Tal und erfüllt dort eine der Tierstatuen mit Leben, die daraufhin bläulich schimmert. Als er sie alle beseelt hat, erscheint ein rotweißer Fuchs (oder is es ein Katzenbär?) und plötzlich bebt die Erde. Eine Säule bohrt sich aus dem Boden gen
Der kleine Fuchs zeigt oftmals den richtigen Weg.
Himmel, eine Wendeltreppe erscheint und ganz oben wartet der putzige Vierbeiner, der einem fortan mit seinem Bellen als eine Art Wegweiser dient. Am Ende einer Brücke öffnet der Junge mit seinem Schrei eine Wand, in der sich ein magisches Tor öffnet - schon wieder konnte er eine Art Totem beseelen und als Schlüssel nutzen. Er kann mit seinem Singsang auch spärlich flackernde Flammen auflodern lassen und sich so mehr Licht verschaffen. Wer die Augen offen hält, kann zudem weitere Lieder finden; das Sammeln von Vasen & Co hält sich aber angenehm dezent im Hintergrund und wird einem nie auf dem blinkenden Teller serviert.
Abwechslungsreiche Rätsel
Auch wenn sich die Rätsel zunächst ebenso intuitiv wie leicht lösen lassen, werden sie alle überaus charmant inklusive stimmungsvoller Lichteffekte und orchestraler musikalischer Begleitung
Tolle Aussicht, halsbrecherisches Kraxeln.
inszeniert. Und sie gewinnen über die acht bis zehn Stunden an Abwechslung sowie Anspruch, wobei Ursache und Wirkung meist logisch verknüpft bleiben. Man kann Wildschweine mit Futter anlocken, so dass sie Dornengestrüpp niederwalzen und der Weg frei wird. Man muss Kisten optimal platzieren, um Mechanismen für Plattformen auszulösen und rechtzeitig bzw. an den richtigen Stellen die Stimme einsetzen, klettern oder ausgiebig tauchen und den Wasserstand anpassen. Zu den Highlights gehören die perspektivischen Rätsel, in denen man die Kamera optimal drehen muss oder die Spiele mit dem Sonnenstand, in denen der Schatten wie in einem Schiebepuzzle zur Lösung führt.
Man wird hier nie in verkopfte Sackgassen im Stile eines
The Witness geraten, wo es vor allem um Denksport ging. Man interagiert und grübelt weitaus mehr als in reinen Atmosphärespielen à la
Abzu oder mysteriösen Erzählspielen à la
What Remains of Edith Finch. Aber: Man spielt hier wesentlich aktiver. Gelungen sind auch die labyrinthischen Erkundungen in den dunklen Arealen, zumal der Wechsel vom friedlichen grellen Tageslicht hinein in die düsteren Gewölbe zur Dramaturgie des Erzählten gehört, denn so ganz beschaulich bleibt es nicht und es gibt durchaus eine Bedrohung.
Die Regie baut sie behutsam auf und lässt sie dann zunächst über Greifvögel frei, so dass der Juge nicht mehr so einfach im
RiME auf dem PC:
Man kann mit Tastatur oder Gamepad spielen, die Belegung sowie Grafikdetails wie die Bewegungsunschärfe anpassen. Mit einer GeForce 1080 GTX sind auf "Ultra" (in 1920x1080) Slowdowns spürbar. Auf einer GeForce 770 GTX sind ähnliche Probleme bei unter "Medium" vorhanden. Der Verzicht auf Anti-Aliasing verschafft Besserung, aber nicht immer und überall.
Tageslicht spazieren kann - er muss sich Schatten suchen oder selbst welche erschaffen oder während der Ausflüge ins Meer schnell untertauchen, um nicht zur Beute zu werden. Sehr gelungen ist neben den längeren Tauchgängen auch der atmosphärische Wechsel innerhalb der Spielwelt, wenn sich schwarze Gestalten an den Stränden zeigen, die sich ängstlich abwenden, wenn man sich nähert. Hier fühlt man sich ein wenig an "Ohngesicht" aus dem Zeichentrickfilm "Chihiros Reise" erinnert. aus Dabei sind die monumentalen Aussichten sowie
Was hat es mit den Totems und den Gestalten auf der Insel auf sich?
ausgelösten Mechaniken ebenso eine Belohnung wie die subtilen erzählerischen Hinweise über Bildtafeln oder Symbole.
Schade nur, dass es auf allen System nahezu permanent Bildratenprobleme gibt - egal ob auf Xbox One, PlayStation 4 (inkl. Pro) oder PC. Tequila Works scheint die Unreal Engine nicht richtig im Griff zu haben. Allerdings wirkt sich das aufgrund der eher gemütlichen sowie in der Konsequenz verzeihlichen Spielmechanik nicht stark auf das ebenso entspannte wie stimmungsvolle Erlebnis aus. RiME punktet ohnehin weniger mit technischen Details, sondern vielmehr mit seinem klaren, überaus eleganten Comic-Artdesign sowie dem geschickten Einsatz von Licht.