Test: Red Dead Redemption (Action-Adventure)

von Benjamin Schmädig



Entwickler:
Publisher: Take-Two
Release:
21.05.2010
21.05.2010
17.08.2023
17.08.2023
kein Termin
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Die Jagd nach inhaltlichen Schätzen

Und plötzlich verschenkt das Spiel nicht nur erzählerisch Chancen. Was ist denn z.B. mit dem Konflikt des Grenzlandes mit der bereits motorisierten Moderne? Red Dead Redemption spielt immerhin vor fast genau 100 Jahren; schwießwütige Cowboys hatten zu dieser Zeit längst ausgedient. Wie formuliert es ein alternder Revolverheld so treffend gegenüber Marston? »We're relics.« »Wir gehören in ein Museum«,
Von der Postkutsche zum Automobil - leider schlägt Rockstar aber nie die emotionale Brücke zwischen Grenzland und technischer Moderne.
will er damit sagen und historisch gesehen hat er Recht. Der Abschied von der »guten« alten rauen Zeit findet allerdings nie statt. Er wird angedeutet, ist aber nie endgültig greifbar. Blackwater, die moderne Stadt mit ihren asphaltierten Straßen im Osten, wirkt wie ein Fremdkörper und nicht wie die unaufhaltsame Moderne, für die sie steht. Ganz zum Schluss hat Rockstar eine riesige Möglichkeit, die neue Zeit nicht nur sichtbar, sondern auch erlebbar zu machen - weil sie nichts daraus machen, verkehren sie den Effekt aber glatt ins Gegenteil. Schade.

Es stimmt, dass Rockstar eine ruhige Geschichte erzählen will. So wie hier das Ende des Westens naht, muss es leise kommen, darf nur zwischen den Zeilen spürbar sein. Und das gefällt mir! Doch wer bodenständig bleiben will, muss sich auch um die Entwicklung der Charaktere und um emotionale Bindungen kümmern. Und er sollte nicht sämtliche Akteure für den Kick des Augenblicks so überzeichnen, dass sie eine bunte Hommage an bekannte Klischees sind. Rockstar hätte entweder den einen oder den anderen Weg gehen sollen. Beide Pfade beißen sich.

Abstieg in Mexiko

Gerade im zweiten Akt, in Mexiko, gehen die Entwickler so weit, dass einige Figuren selbst für Rockstar-Verhältnisse am oberen Ende der Überzeichnung agieren. Ein taugenichtiger Frauenheld als Anführer der Rebellen und ein skrupelloses Schwein als Herr über der Staatsmacht: Witziger könnte der Bürgerkrieg im besten Sinne nicht sein! Doch warum bleibt die eingleisige Erzählung auch spielerisch so eindimensional, dass ich nicht einmal wählen kann, wem ich mich anschließe? Stattdessen schlägt sich Marston erst auf die eine, dann auf die andere Seite. Zu allem Überfluss ist es dem geläuterten Revolverhelden außerdem zu gleichgültig, wen er erschießt.

Es hätte nicht einmal weitreichenden Konsequenzen haben müssen. Welche Uniformen nach Ende des Bürgerkriegs als Staatsgewalt durch das Land streifen, hätte Rockstar über einen kleinen Schalter variieren können. Der Ausgang des Bürgerkriegs spielt ja ohnehin
Die Inszenierung der Filmszenen gelingt Rockstar gewohnt erstklassig. Die Charakterzeichnungen sind erstklassig!
keine Rolle, denn sobald das Kapitel abgeschlossen wurde, verschwinden alle bekannten Gesichter von der Bildfläche - auf dem Weg zur Gleichgültigkeit wären mit Sicherheit zwei alternative Handlungsstränge möglich gewesen! Keine Frage: Die Art und Weise, wie Rockstar seinen Western inszeniert, ist stets hervorragend und im schlimmsten Fall sehr unterhaltsam. Ich ärgere mich aber, dass ausgerechnet die GTA-Macher ihre Open World-Domäne nicht einmal einen Millimeter nach vorne bringen. Wer, wenn nicht Rockstar? Sucker Punch vielleicht, die mit inFamous gezeigt haben, welche Konsequenzen es in einer offenen Welt geben kann?

Wer macht es denn besser?

Deren Gut/Böse-System nimmt sich Red Dead Redemption immerhin zum Vorbild, wenn John Marston gemäß seiner Taten Ehre gewinnt oder verliert. Die spielerischen Unterschiede zwischen einem Helden und einem Verruchten sind allerdings gering. Jeder kann stets tun, was er möchte - dem Gesetzlosen fällt es lediglich schwerer. Eine Idee für die Zukunft: Warum erhalte ich nicht nur als bekannter Gauner Zugang zu besonders hoch dotierten Pokertischen? Seltsam auch, dass John Marston nach jedem wichtigen Auftrag an Ehre gewinnt oder zumindest keine einbüßt. Wo ist das Gut/Böse-System, wenn es ans Eingemachte geht?  

Kommentare

No Cars Go schrieb am
Hab's nun nachgeholt. Nach dem dramaturgisch unterirdischen Einsteig stand ich schon kurz davor, das Spiel auf der Stelle wieder zu verkaufen, glücklicherweise rettet es sich im Verlauf ein wenig.
Das Spiel scheitert an seinen eigenen Ansprüchen, allen voran dem Anspruch, sich selbst so ernst zu nehmen; während man in GTA einfach mal seinen unernsten Ballerspaß in einer satirischen Welt haben darf, dokumentiert und bewertet RDR die Taten des Spielers in Form von Moral und Fame-Metern - spiele ich ein rücksichtsloses Arschloch, wird sich die Moral-Anzeige aber nicht im allergeringsten auf die Cutscenes auswirken, in denen Marston sich stets höflich und besonnen, teils sogar weise gegenüber Gutmeinenden beträgt.
Die große Spielwelt mit ihrer gigantischen Weitsicht ist (gerade für das Jahr 2010) atemberaubend schön, aber immer, wenn ich mich gerade mit meinem Pferd in der Atmosphäre verlieren möchte, kommt aus irgendeiner Ecke ein Algorithmus, der meint, er müsse mein unterstelltes ADHS mal wieder mit irgendeinem random event wie Banditen am Wegesrand usw. wegstupsen;
Kontakt mit Wasser über Lendenhöhe hinaus bedeutet den sofortigen Tod; manchmal fallen zwei Quests dramaturgisch so ungünstig auf demselben lokalen Fleck zusammen, dass eine Cutscene, in der Marston einen freundlichen Plausch hält, vor dem Hintergrund eines Dutzends Banditen stattfindet, die ihm gerade eigentlich den Kopf wegschießen wollen.
Ein anderes Mal werde ich von mehreren NPCs jäh auf offener Straße beschossen, ohne einen einzigen roten Blip auf der Minimap vorzufinden. Wehre ich mich, riskiere ich, dass die Polizei auf der Stelle mit einer ganzen Kavallerie nach mir fahndet, obwohl mir das Spiel im Laufe der Story an anderen Stellen weismachen will, dass die Polizei ihre Bürger nicht richtig schützen könne und unterbesetzt sei.
Innerhalb von Storymissionen kann ich alles und jeden über den Haufen schießen, ohne dass es jedwede moralische Konsequenz für mich hat. Außerhalb von Storymissionen...
johndoe1197293 schrieb am
Hatte bisher die PS3 Variante zu dem Game ausgeliehen und fand es sehr gut. Die relative durchschnittliche Grafik und die teilweise kellerigen FPS gingen mir aber auf die Nerven. Habe mir heute die GOTY Version für die Xbox geholt und freue mich schon nacher auf`s Zocken!
Shadow22 schrieb am
Ich habe es letzte Woche endlich mal gespielt! Aufgrund finanzieller und zeittechnischer Knappheit, habe ich es aufgrund des Tests erstmal liegen lassen.
Ich bin so froh, dass ich es gespielt habe! Was ein Wahnsinsspiel! Sicher, es ist nicht perfekt und teilweise kann man dei Kontrapunkte des Tests nachvollziehen. Das wird aber imo alles wieder ausgeglichen, durch die (über weite Strecken) sehr gute Story, den coolen Helden, die grandiose Kulisse und vor allem: dem Reiten. Rockstar hat die Bewegungen des Pferdes absolut toll hinbekommen und als ich meinen ersten Rappen gefangen hab, war das einfach ein geiles Gefühl.
Weltklasse Spiel und vor allem hat es mir viel besser gefallen als z.B. GTA IV, welches einfach überbewertet wurde.
Genauso wie Bayonetta - omg.
schrieb am