Brettspiel-Test: Arkham Horror (Rollenspiel (Koop-Abenteuer))

von Jörg Luibl



Spielinfo Bilder  
Ohne Fleiß kein Preis

Arkham Horror ist jedenfalls das anspruchsvollste Brettspiel, das ich bisher vorgestellt habe - selbst StarCraft erreicht nicht diese Komplexität im Detail. Das mag auf er einen Seite eine Hürde sein, denn man muss viel Zeit in die Lektüre der Anleitung investieren und gerade die ersten Spiele werden immer wieder unterbrochen, weil man nachschlagen muss, was genau jetzt eigentlich passiert. Da es keinen Computer im Hintergrund gibt, muss jemand alles manuell einleiten und überwachen, was um einen herum passiert. Hier empfiehlt sich doch die Ernennung eines erfahrenen Spielleiters, der sich um alle Werte und das Fortschreiten auf den wichtigen Leisten kümmert.

Hinzu kommt, dass die riesige Stadtkarte zwar unheimlich edel illustriert wurde, aber dass man von Symbolen und Texten in den einzelnen Vierteln zunächst überwältigt wird. Zu Beginn kann man sich darauf verlieren, weil man eineStruktur der klaren Aktionen vermisst. Es ist zunächst diffus, was die kleinen Hinweise wie Dollarzeichen, Herzen,
Man bewegt sich in der Stadt auf den angezeigten Straßen und kann bestimmte Viertel besuchen, um dort einzukaufen oder Ereigniskarten zu ziehen.
Man bewegt sich in der Stadt auf den angezeigten Straßen und kann bestimmte Viertel besuchen, um dort einzukaufen oder Ereigniskarten zu ziehen.
Pistolen oder Lupen bringen und so wandert man gerade in den ersten Spielen recht ziellos umher - lediglich die Monster und die drei Geschäfte im Visier. Man hat in jedem Viertel immer die Wahl, ob man ein Ereignis erlebt oder die auf dem Stadtplan beschriebene Aktion durchführt: Beim Polizeirevier kann man z.B. im Austausch für genug erledigte Monster und Tortrophäen zum Hilfs-Sheriff ernannt werden und bekommt den Revolver sowie den Streifenwagen. Bis man all die nützlichen Orte kennt, vergehen mindestens zwei komplette Spiele - und davon kann man keines unter zwei Stunden abschließen; im Gegenteil: bis zu vier Stunden und geduldige Spielpartner sollte man einrechnen.

Verhältnis von Glück und Taktik

Wenn man sich erst einmal durchgebissen hat, weiß man das nicht immer perfekte, aber durchdachte Regelwerk zu schätzen, denn es sorgt für eine angenehme Simulation der düsteren Spielwelt. Allerdings kann diese auch Leerlaufphasen beinhalten, in denen man das Drama vermisst, weil sich einfach nichts Entscheidendes tut - hier hätte man die Spannungskurve evtl. über einige
Vor dem Spiel wird zufällig die Karte des Großen Alten gezogen - hier ist es Yig.
Vor dem Spiel wird zufällig die Karte des Großen Alten gezogen - hier ist es Yig.
festgelegte epische Ereignisse garantieren sollen, anstatt sie Regisseur Zufall zu überlassen. In den optimalen Spielen hat man allerdings wirklich das Gefühl, an einem sich entwickelnden Abenteuer teilzunehmen: Da geht es nicht nur um das Auftauchen neuer Monster, die durch Dimensionstore schlüpfen, sondern auch um den Verderben- und Terrorlevel, der ständig steigt.

Ersterer repräsentiert das Nahen des Großen Alten, Letzterer den Zustand der Bevölkerung. Die Helden müssen versuchen, beides möglichst niedrig zu halten. Schade ist allerdings, dass es hier kaum auf kooperative Aktionen ankommt, die taktische Vorteile bringen. Natürlich spielt man zusammen und kann sich am Tisch jederzeit absprechen, wer welches Monster attackiert und wer zum nächsten Dimensionstor geht. Aber es gibt keine gezielten Manöver, in denen zwei oder drei Helden ihre Kräfte bündeln oder sich clever ergänzen könnten - jeder kämpft für sich. Auch die Missionen enthalten keine kooperativen Ziele, die das Zusammenarbeiten wirklich fordern und belohnen, sondern meist
Ein Charakterbogen mit den Plättchen für geistige Gesundheit und Ausdauer.
Ein Charakterbogen mit den Plättchen für geistige Gesundheit und Ausdauer.
Herausforderungen für eine Person. Erst im finalen Kampf schlagen alle vereint gegen den Großen Alten zu.

Hinzu kommt, dass die Spielbalance nicht nur je nach den gezogenen Karten, sondern auch je nach Zusammensetzung der Gruppe stark schwanken kann. Obwohl je nach Anzahl der Spieler die Monster und das Nahen des Alten nach oben oder unten angepasst werden, sollte man Arkham nicht zu zweit besuchen: Da hat man eigentlich keine Chance und man fühlt sich auf der riesigen Karte irgendwie verloren - hier sollte man höchstens so spielen, dass jeder gleich zwei Figuren steuert. Und man sollte auch nicht mit mehr als fünf Leuten losziehen, denn dann wird es wiederum zu einfach, weil die Monster quasi direkt nach dem Auftauchen fallen. Optimal ist eine Gruppe mit vier bis fünf Leuten.

Fazit

Ich schätze H.P. Lovecraft, ich mag kooperative Spielkonzepte sowie umfangreiche Brettspiele in edler Präsentation - und Arkham Horror ist eines der stimmungsvollsten seiner Art! Die Ausstattung ist mit all den Illustrationen im 20er-Jahre-Stil einmalig und das Charaktersystem ist ebenso clever wie die Auswahl an Helden und Monstern üppig ist. Wer die Box das erste Mal auspackt, wird erst Wow und danach Woooow sagen. Aber Kevin Wilsons düsteres Rollenspiel rutscht nur knapp in meine Empfehlungen, weil es letztlich fantastischer aussieht als es sich spielt. Keine Bange: Es ist kein Blender, sondern eher ein zeitintensives Monster von einem Abenteuer, das zwischen grandiosen Momenten und zähen Phasen schwanken kann wie ein Dreimaster auf hoher See - und das bis zu vier Stunden in einer Sitzung. Manchmal hat man Glück und die Zufallskarten sorgen für eine gelungene Dramaturgie, manchmal jagt man ohne große Ereignisse einfach Monstern hinterher. Etwas mehr kreative Missionen und kooperative Taktiken sowie Straffung durch vorgegebene Großereignisse hätte dem Leerlauf vorbeugen können - zumal das Teamplay wird in anderen kooperativen Brettspielen besser inszeniert wird. Trotzdem gehört Arkham Horror zu den interessantesten Brett-Rollenspielhybriden. Und das Erlebnis dieses Spiels kann ein unheimlich intensives sein, wenn man sich in seine Charaktere hinein steigert und dazu noch die passende Musik laufen lässt. Dann entfaltet dieses Abenteuer gnadenlose Reize, die für ein paar Stunden fesseln können.


(Mittlerweile sind zahlreiche Erweiterungen erschienen, die das Spielerlebnis noch verbessern und die Dramaturgie etwas fokussieren können - vgl. Wikipedia. Anm. d. Red.)

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir haben keine Zeit für Verrisse. Das ist zunächst ein Angebot, das wir euch zusätzlich bieten. Deshalb konzentrieren wir uns auf die empfehlenswerten Vertreter und die kreativen Geheimtipps, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

Weitere Brettspieltests im Archiv: Galaxy Trucker, StarCraft - Das Brettspiel, Agricola, Hive, Doom - Das Brettspiel.

Kommentare

sirisu schrieb am
Hab das Spiel am Wochenende auf einer Geburtstagsparty eines Freundes, der leider weit weg wohnt gespielt. Ich fand es super klasse und hat echt viel Spaß gemacht. Leider mangelt es mir in meiner Umgebung an Brettspiel-interessierten Freunden, sonst würde ich es sofort kaufen.
Beckikaze schrieb am
Genau das ist es ja. Arkham Horror ist nichts anderes als ein Abenteuerspiel. Es geht nicht um die gezielte Planung, es geht um die Geschichte, die Atmosphäre. Das heißt also, dass man das Licht schmuuerig macht, die Cthulhu Soundtracks auflegt und in der Atmosphäre des Spiels versinkt. Das Spiel ist durchaus komplex, aber ich gebe dir Recht, dass es nicht die Planungsfähigkeiten des Einzelnen herausfordert, sondern das Erinnerungsvermögen, welche kleine Regel man ebenfalls noch vergessen haben könnte.
Das Spiel ist nichts für Planungsfetischisten, sondern für Leute, die auf Atmosphäre stehen. Und da ist Arkham ganz weit vorne. Deswegen ist die von mir angesprochene Hausregeln auch so toll, denn es macht das Spiel noch intensiver, noch geschichtslastiger und es vermindert die Downtime für alle Spieler, weil jeder auch nochmal vorliest. :)
gracjanski schrieb am
Beckikaze hat geschrieben:Willkommen. :)
Das Spiel ist einfach überragend. Ganz wichtig: Spielt mit der Hausregel, dass man die Karten vorgelesen bekommt und nur bis zur Entscheidung jeweils vorliest. Das erhöht das Rollenspielflair enorm.
Bsp.: Wenn du den Dieb bestehlen willst - willst du?
Ja. -> Mache eine Glücksprobe.
Und auch nur die jeweils eintreffenden Konsequenzen vorlesen.
Echt super, aber manchmal auch böse. :twisted:
die hausregel kenne ich... erhöht nur leider den Zufallsfaktor :(
gracjanski schrieb am
"das ist ein Nachteil des Spielsystems, das sich leider etwas zu stark auf den Zufall verlässt, so dass taktische Planungen in den Hintergrund geraten."
Ja, genau das macht mir am Spielen zu schaffen. Ich schwanke gerade mein Arkham zu verkaufen. Wir haben gestern gespielt und es ist zwar bestens präsentiert, aber alle waren der meinung, wenn man nur das Spiel an sich nimmt, dann ist es eher ain abenteuerspiel, das durch zufällige Karten vorangetrieben wird als durch eigene Planung (der Unterschied zu Starcraft, Runewars, Im Wandel der Zeiten, Agricola usw. ist immens). Ausserdem dauert es sehr lange bis man wirklich alle Optionen kennt, da durhc die vielen Erweiterungen so viel Inhalt dazugekommen ist. Aber komplex ist das spiel nicht, ergo gibt es nicht viel nachzudenken. Das Glück spielt eine zu grosse Rolle, sei es durch Würfeln oder Items oder Begegnungen. Vielleicht kann man das Ganze durch Hausregeln entschärfen, aber ich sehe da nicht viele Möglichkeiten. Ein paar Ideen:
- Zu Beginn bekommt man statt zufälligen Karten 2 Karten zur Auswahl und nimmt sich eine. Wenn man einkauft, bekommt man auch immer 1 Karte mehr als geschrieben.
- Heldenwahl: 3 x Spieleranzahl und alle nehmen sich die Helden,die man will.
- Verschlungen durch Begegnungen ist nicht möglich, stattdessen zieht man eine invalidität oder geistige Krankheit
Ich lese mich noch ein bisschen ein und gebe dem Spiel noch eine chance.
"Arkham Horror ist jedenfalls das anspruchsvollste Brettspiel, das ich bisher vorgestellt habe - selbst StarCraft erreicht nicht diese Komplexität im Detait"
na das sehe ich komplett anders. AH ist bloss aufgebauscht durch viele Optionen, aber jede Entscheidung bedingt nicht durch viele Faktoren, die man im Auge behalten muss bzw. einplanen muss. Das ist Komplexität. AH hat bloss viel Inhalt, aber wenn ich etwas erreichen möchte (z.b. ein Tor verschliessen), dann muss ich nicht viel beachten, hängt eh vom Glück ab. Will man bei Starcraft eine kleine Armee von 5 Einheiten...
SilentOpera schrieb am
Oh Mann bin ich doof. Okay ich habs echt überlesen. Dabei ist das Spiel unkomplizierter als Runewars oder Warhammer 40K =) Dankeschön jetzt sind alle Unklarheiten beseitigt.
schrieb am