Special: Vielfältige Taktik im Mittelalter
Der cleverste Fürst
Genau so ist es auch: Aufgrund der vier Bonuspunkte, die der Drittplatzierte für jede Tierart und jede Warensorte in seinem Reich bekommt, kann er den Führenden tatsächlich noch überholen – was für ein Finale! Also heißt es beim nächsten Mal: Die Taktik umstellen und mehr in Wissen investieren? Das ist allerdings gar nicht so einfach, denn um jedes aufgedeckte Plättchen wird in diesem Spiel gerungen und gewürfelt – eine kleine Portion Glück ist also auch dabei. Und angesichts der vielen Möglichkeiten des Aufbaus sollte man sowohl eine gesunde Balance als auch effiziente Wege der Spezialisierung finden.
Ernüchterung auf den ersten Blick
Das Faszinierende an diesem Aufbauspiel ist nicht sein Artdesign. Auf den ersten Blick wirken die Spielpläne, Plättchen und Zeichnungen fade und alles andere als edel – fast wie ein schnell kolorierter Prototyp. Und obwohl das Ganze im 15. Jahrhundert an der Loire stattfinden soll, will sich nach dem Bau ersten Gebäude keine spätmittelalterliche Stimmung entfalten. Aber wie schon beim ähnlich spröden Puerto Rico steckt die Faszination in der durchdachten Struktur: Erst nach mehreren Spielen wird man die taktische Vielfalt wertschätzen, die man bei der Entwicklung seines Reiches hat. Dabei muss man in jeder Runde das Beste aus zwei möglichen Aktionen heraus holen – man kann
Es geht also um Gebiete, Bau und Handel inklusive etwas Würfelglück, das man allerdings zwingen kann. Wie? Über den Einsatz von Arbeitern kann man das Ergebnis seiner 2W6 jeweils um einen Punkt nach oben oder unten modifizieren – so wird aus einer Sechs eine Eins, aus einer Vier eine Fünf. Das ist deshalb hilfreich, weil die beiden Zahlen bestimmen, welche der beiden Aktionen man wo ausführen darf.
Denn das zentrale Spielfeld mit den verfügbaren Waren und Gebäuden ist unterteilt in Zahlen und Farben, denen man entsprechen muss, wenn man dort zugreifen will. Liegen viele lukrative Waren auf dem Feld mit der Sechs, aber man hat nur eine Eins und Zwei gewürfelt?
Taktische Würfelmodifizierung
Dieses Spiel bietet unheimlich viele kleine und große Möglichkeiten des Punktgewinns: Wer die blauen Flüsse mit Schiffen besetzt, kann Handel treiben und nur wer das frühzeitig tut, sackt mehr Punkte ein. Nur wer genug Silber hat, kann eine zusätzliche dritte Aktion ausführen und sich ein Plättchen aus der schwarzen Mitte kaufen – sehr effizient! Hinzu kommt das eigene Territorium als Machtgrundlage: Jeder Spieler erhält einen Plan mit einem vorgegebenen Zufallsgebiet, das er erschließen kann. Dazu baut er Gebäude oder Schiffe auf den 37 bunten, mit einer Zahl versehenen Hexfeldern. Wer eine zusammen hängende Farbe komplett besetzt, bekommt umgehend Bonuspunkte – für ein drei Felder kleines Gebiet gerade mal sechs, bei fünf Feldern schon fünfzehn und für ein acht Felder großes Gebiet satte 36. Es lohnt sich auch, die sechs Farbzonen frühzeitig zu erschließen, denn auch der erste Komplettentdecker bekommt Boni. Sehr schön ist, dass man nicht sofort überall loslegen darf, sondern nur in Nachbarschaft bereits ausliegender Gebäude.
Ausblick
Manchmal wird man erst warm mit Brettspielen, wenn man ihnen eine zweite Chance gibt. So ging es mir mit Puerto Rico. Und so geht es mir mit Burgen von Burgund. Der Name suggerierte vielleicht etwas mehr Festungstaktik im Mittelalter, das Artdesign wirkte fade und der Funke wollte angesichts der vielen Mikroplättchen zunächst nicht überspringen. Aber wenn man das Regelwerk verinnerlicht und die Möglichkeiten erkannt hat, macht es richtig Laune! Ist man einmal drin, entsteht ein angenehmer Spielfluss, weil man ständig Punkte gewinnt und vorwärts kommt. Die Faszination steckt nicht nur in der Qual der Wahl, die man angesichts von zwei Aktionen bei zig expansiven Möglichkeiten pro Runde hat. Hinzu kommen das kreative, weil taktisch modifizierbare Würfeln sowie die territoriale Komponente, die über den Einzelbau von Gebäuden nochmal eine effiziente Zonenstrategie legt. Trotz dieser Vielfalt ist das Spiel kein komplexes Monster, so dass der Wettlauf der Fürsten auch in der Familie mit Kindern stattfinden kann. Übrigens auch zu zweit empfehlenswert!
Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.
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