Die Burgen von Burgund21.05.2012, Jörg Luibl
Die Burgen von Burgund

Special: Vielfältige Taktik im Mittelalter

Wo sind die stolzen Ritter, die prächtigen Wappen und die spannenden Schlachten? Nein, all das gibt es nicht in diesem Spiel von Stefan Feld (Notre Dame, Luna, Im Jahr des Drachen), obwohl der Name vielleicht ein mittelalterliches Szenario voller Konflikte verspricht. Stattdessen geht es um den cleveren Aufbau eines Reiches mit taktischer Würfelei – und das ist ebenso vielfältig wie kurzweilig.

Der cleverste Fürst

Die Burgen von Burgund kostet knapp 25 Euro, ist 2011 auf Deutsch erschienen und für zwei bis vier Spieler ausgelegt.
"Die Burgen von Burgund" kostet knapp 25 Euro, ist 2011 auf Deutsch erschienen und für zwei bis vier Spieler ausgelegt.
Vier Fürsten haben über fünf Runden ihre Reiche entwickelt, haben Burgen, Minen und Märkte gebaut, Gebiete erschlossen, Waren verkauft sowie Silber gescheffelt. Zwar gab es schon während des Spiels direkte Punkte, so dass man auf der Siegleiste vorwärts kam, aber jetzt wird final abgerechnet. Die Spannung steigt, denn zwei Spieler liegen nahezu gleichauf. Und obwohl die beiden anderen Spieler mit fünfzehn bis zwanzig Punkten Rückstand abgeschlagen scheinen, haben sie die meisten gelben Entwicklungen gebaut – das kann das Zünglein an der Waage sein!

Genau so ist es auch: Aufgrund der vier Bonuspunkte, die der Drittplatzierte für jede Tierart und jede Warensorte in seinem Reich bekommt, kann er den Führenden tatsächlich noch überholen – was für ein Finale! Also heißt es beim nächsten Mal: Die Taktik umstellen und mehr in Wissen investieren? Das ist allerdings gar nicht so einfach, denn um jedes aufgedeckte Plättchen wird in diesem Spiel gerungen und gewürfelt – eine kleine Portion Glück ist also auch dabei. Und angesichts der vielen Möglichkeiten des Aufbaus sollte man sowohl eine gesunde Balance als auch effiziente Wege der Spezialisierung finden.

Ernüchterung auf den ersten Blick

Das Faszinierende an diesem Aufbauspiel ist nicht sein Artdesign. Auf den ersten Blick wirken die Spielpläne, Plättchen und Zeichnungen fade und alles andere als edel – fast wie ein schnell kolorierter Prototyp. Und obwohl das Ganze im 15. Jahrhundert an der Loire stattfinden soll, will sich nach dem Bau ersten Gebäude keine spätmittelalterliche Stimmung entfalten. Aber wie schon beim ähnlich spröden Puerto Rico steckt die Faszination in der durchdachten Struktur: Erst nach mehreren Spielen wird man die taktische Vielfalt wertschätzen, die man bei der Entwicklung seines Reiches hat. Dabei muss man in jeder Runde das Beste aus zwei möglichen Aktionen heraus holen – man kann

Inhalt: Spielplan, 6 Spielertafeln, 56 Gebäude-, 42 Waren-, 28 Tier-, 26 Schiff- und 16 Burgenplättchen, 9 Würfel, 24 Holzsteine, Regelheft.
Inhalt: Spielplan, 6 Spielertafeln, 56 Gebäude-, 42 Waren-, 28 Tier-, 26 Schiff- und 16 Burgenplättchen, 9 Würfel, 24 Holzsteine, Regelheft.
sich Plättchen nehmen, sie als Gebäude auslegen, Waren verkaufen oder Arbeiter rekrutieren.

Es geht also um Gebiete, Bau und Handel inklusive etwas Würfelglück, das man allerdings zwingen kann. Wie? Über den Einsatz von Arbeitern kann man das Ergebnis seiner 2W6 jeweils um einen Punkt nach oben oder unten modifizieren – so wird aus einer Sechs eine Eins, aus einer Vier eine Fünf. Das ist deshalb hilfreich, weil die beiden Zahlen bestimmen, welche der beiden Aktionen man wo ausführen darf.

Denn das zentrale Spielfeld mit den verfügbaren Waren und Gebäuden ist unterteilt in Zahlen und Farben, denen man entsprechen muss, wenn man dort zugreifen will. Liegen viele lukrative Waren auf dem Feld mit der Sechs, aber man hat nur eine Eins und Zwei gewürfelt?

Taktische Würfelmodifizierung

Das Artdesign wirkt zwar recht fade, aber das Spielprinzip sorgt aufgrund seiner taktischen Vielfalt langfristig für Laune.
Das Artdesign wirkt zwar recht fade, aber das Spielprinzip sorgt aufgrund seiner taktischen Vielfalt langfristig für Laune.
Pech! Oder: Arbeiter einsetzen, falls man welche hat. Denn auch für ihre Rekrutierung müsste man eine Aktion opfern, in der die Konkurrenz einem vielleicht das schöne gelbe Entwicklungsplättchen mit den finalen Bonuspunkten weg schnappt. Gerade in dieser Beschränkung auf zwei Aktionen angesichts der Vielfalt an Möglichkeiten, die jeder Runde auch der Konkurrenz zur Verfügung stehen, entsteht eine angenehme taktische Qual der Wahl. Man kann nicht nur direkt beim Bau zusätzliche Siegpunkte über Türme einsacken, mehr Arbeiter über Wohnhäuser einstellen, Silber über Banken oder Minen scheffeln oder gar Gratisgebäude über Rathäuser auslegen. Hinzu kommen permanente Auswirkungen, wenn man eine der 26 gelben Entwicklungen auslegt – z.B. ständig mehr Silber bei Warenverkäufen oder Gratis-Modifikationen des Würfels.

Dieses Spiel bietet unheimlich viele kleine und große Möglichkeiten des Punktgewinns: Wer die blauen Flüsse mit Schiffen besetzt, kann Handel treiben und nur wer das frühzeitig tut, sackt mehr Punkte ein. Nur wer genug Silber hat, kann eine zusätzliche dritte Aktion ausführen und sich ein Plättchen aus der schwarzen Mitte kaufen – sehr effizient! Hinzu kommt  das eigene Territorium als Machtgrundlage: Jeder Spieler erhält einen Plan mit einem vorgegebenen Zufallsgebiet, das er erschließen kann. Dazu baut er Gebäude oder Schiffe auf den 37 bunten, mit einer Zahl versehenen Hexfeldern. Wer eine zusammen hängende Farbe komplett besetzt, bekommt umgehend Bonuspunkte – für ein drei Felder kleines Gebiet gerade mal sechs, bei fünf Feldern schon fünfzehn und für ein acht Felder großes Gebiet satte  36. Es lohnt sich auch, die sechs Farbzonen frühzeitig zu erschließen, denn auch der erste Komplettentdecker bekommt Boni. Sehr schön ist, dass man nicht sofort überall loslegen darf, sondern nur in Nachbarschaft bereits ausliegender Gebäude.

Ausblick

Manchmal wird man erst warm mit Brettspielen, wenn man ihnen eine zweite Chance gibt. So ging es mir mit Puerto Rico. Und so geht es mir mit Burgen von Burgund. Der Name suggerierte vielleicht etwas mehr Festungstaktik im Mittelalter, das Artdesign wirkte fade und der Funke wollte angesichts der vielen Mikroplättchen zunächst nicht überspringen. Aber wenn man das Regelwerk verinnerlicht und die Möglichkeiten erkannt hat, macht es richtig Laune! Ist man einmal drin, entsteht ein angenehmer Spielfluss, weil man ständig Punkte gewinnt und vorwärts kommt. Die Faszination steckt nicht nur in der Qual der Wahl, die man angesichts von zwei Aktionen bei zig expansiven Möglichkeiten pro Runde hat. Hinzu kommen das kreative, weil taktisch modifizierbare Würfeln sowie die territoriale Komponente, die über den Einzelbau von Gebäuden nochmal eine effiziente  Zonenstrategie legt. Trotz dieser Vielfalt ist das Spiel kein komplexes Monster, so dass der Wettlauf der Fürsten auch in der Familie mit Kindern stattfinden kann. Übrigens auch zu zweit empfehlenswert!

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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