Gib Gummi!
Einen wesentlichen Beitrag dürfte in diesem Zusammenhang die enge Zusammenarbeit zwischen Turn 10 und Pirelli leisten: Die Integration einer Software erlaubte es den Entwicklern, die originalgetreuen Daten des Reifenherstellers aus deren Testkammern direkt ins Spiel zu importieren. Das Zusammenspiel zwischen Pneus und Asphalt kam in der Serie nie besser zur Geltung als hier, was man auch in der zuschaltbaren Echtzeit-Telemetrie erkennt, bei der nicht nur G-Kräfte und Motor-Drehzahlen, sondern u.a. auch Temperaturen sowie die Bodenhaftung jedes einzelnen Reifens betrachtet werden. Kleiner Nachteil der Pirelli-Geschichte: Da Turn 10 die gelieferten Daten bewusst nicht nachträglich bearbeiten wollte, wirkt der optionale Reifenverschleiß nur absolut und lässt sich nicht passend zur gewählten Renndistanz skalieren. Da man in den meisten Veranstaltungen den Kurs durchschnittlich nur drei bis fünf Mal umrundet, spielt der Verschleiß in der Praxis daher kaum eine Rolle. Gleiches gilt übrigens für den Benzinverbrauch, der automatisch mit dem Reifenabbau
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Mit den kraftvollen Muscle Cars rauchen die Reifen. |
aktiviert wird und wieder nicht getrennt eingestellt werden darf. Unter diesen Voraussetzungen ist es verständlich, warum Boxenstopps und Reifenwechsel nicht unbedingt auf der Tagesordnung stehen. Entsprechend wurde das Thema von den Entwicklern erneut sehr stiefmütterlich behandelt, denn sie haben dem Spiel nicht mal eine animierte Crew spendiert.
Fantastische Motorenklänge
Im Gegensatz dazu hat sich Turn 10 bei den Aufnahmen für die Motorengeräusche voll ins Zeug gelegt: Eine Gänsehaut ist garantiert, wenn man zum ersten Mal hinter dem Steuer eines potenten Boliden sitzt und die Drehzahl in die Höhe treibt! Im Gegensatz zu Gran Turismo 5 klingt die Maschine meines BMW M3 hier so aggressiv, wie es sich gehört! Da bahnt sich jede einzelne Pferdestärke lautstark ihren Weg in meinen entzückten Gehörgang. Doch nicht nur der Flitzer aus Bayern überzeugt im Audiobereich auf ganzer Linie - auch die meisten Modelle anderer Hersteller zeichnen sich durch ihre individuellen Klänge aus, die sich nach Tuningmaßnahmen sogar verändern. So röhrt, faucht, schreit, dröhnt und kreischt es in einer brachialen 5.1-Motorensinfonie aus den Boxen. Die Soundeffekte bei Kollisionen können dieses hohe Niveau leider nicht halten, denn auch im Vergleich zum Vorgänger fallen sie nicht mehr so druckvoll aus, wenn es scheppert. Besser wurde das Quietschen der Reifen umgesetzt - der elektrolastige Soundtrack mit seinen treibenden Beats ist dagegen Geschmackssache, aber lässt sich zum Glück stumm schalten.
Unbehagen auf der Siegerstraße
Es ist eigentlich immer ein schönes Gefühl, Rennen zu gewinnen. Doch wenn es zur Gewohnheit wird und man sich nicht mal sonderlich anstrengen muss, weicht die Freude der Langeweile und Demotivation. Genau mit diesem Problem hat die Karriere in Forza 4 zu kämpfen: Selbst nach über sieben Saisons innerhalb der neuen Welt-Tournee und einem Fahrerlevel jenseits der 30 will meine Siegesserie einfach nicht reißen und würde selbst einen Sebastian Vettel vor Neid erblassen lassen. Dabei hatte mir Game Director Dan Greenawalt im Rahmen eines Events eigentlich versichert, dass sich die Leistung der KI meinem Können anpasst und nach knapp zehn
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Spannende Positionskämpfe bilden im Rahmen der Welttournee leider die Ausnahme. |
Rennen einpendelt - manuelle Einstellungen hinsichtlich der Leistung meiner Mitbewerber sind nämlich nicht erlaubt. Leider. Denn die adaptive KI funktioniert einfach nicht! Ihre Bremspunkte liegen viel zu früh und man spürt trotz fragwürdiger Abflüge, dass sie nie ans Limit geht. Statt spannender Positionskämpfe warten entweder stupide Rempeleinlagen im Mittelfeld oder einsame Fahrten an der Spitze, bei denen man in den viel zu kurzen Rennen kaum gefordert wird und selbst bei vorsichtiger Fahrweise noch relativ locker als Erster die Ziellinie überquert. Und baut man doch mal Mist, nutzt man einfach die optionale Rückspulfunktion und macht den Fehler ungeschehen, sofern man sie nicht vorher in den Einstellungendeaktiviert hat, um einen größeren Bonus abzusahnen. Denn wie schon bei den Vorgängern, so gilt auch hier: Je weniger Fahrhilfen man nutzt, desto großzügiger fällt der Geld- und Punkteregen am Ende aus - Abzüge gibt es allerdings für Schäden, die man aus eigener Tasche zahlen muss. Schön ist, dass sich mittlerweile auch sauberes Fahren positiv auf die Einnahmen auswirkt: In Anlehnung an das Kudos-System aus Project Gotham Racing werden das Durchfahren von Kurven, Überholmanöver, Drifts, Windschattennutzung und Geschwindigkeit in vier Stufen bewertet und zumSchluss in Credits umgerechnet. Gleichzeitig stärkt Turn 10 die Gewichtung sauber gefahrener Rennrunden für die Plätze auf den Online-Bestenlisten, wo eine langsamere, aber saubere Runde zu einer höheren Platzierung führen kann als eine schnellere, bei der man schon mal die Bande touchiert oder von der Rückspulfunktion Gebrauch gemacht hat.
Strafen in Form von addierten Sekunden bei Abflügen oder gar Verwarnungen für aggressive Pistensäue gibt es nicht, was aber gerade in Bezug auf Onlinerennen durchaus sinnvoll gewesen wäre. Wer nicht selbst hinters Steuer will, kann wieder einen Fahrer anheuern, muss die Einnahmen aber dann brüderlich mit ihm teilen. Das ist prima, wenn man auf einer Rennstrecke antreten muss, die einem partout nicht liegt. Allerdings ist ein Sieg selbst bei der Verpflichtung eines (teureren) Top-Fahrers nicht garantiert, so dass man im Zweifelsfall doch lieber selbst den Job übernimmt. Schade ist, dass Turn 10 nicht wieder die Idee des Drivatars aus dem ersten Forza-Teil aufgreift, bei der man einer KI seinen eigenen Fahrstil beibringen konnte.