Special: Gamedesign (Unternehmen)

von Jörg Luibl



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4Players: Was ist der Unterschied zwischen einer staatlichen und einer privaten Hochschule im Bereich des Lehrens?

Julian Kücklich: Der Unterschied besteht grundsätzlich erst mal in der sogenannten Betreuungsdichte, d.h. dem Verhältnis von Dozenten zu Studenten. An privaten Hochschulen ist dieses Verhältnis oft sehr gut, also ca. 1:10 bis 1:20, was bedeutet, dass die Studierenden eigentlich immer einen Ansprechpartner haben. An staatlichen Hochschulen ist das Verhältnis gerade in den Bachelorstudiengängen meist schlechter, aber ich habe dazu keine genauen Zahlen. Ich muss aber fairerweise dazu sagen, dass sich die staatlichen Hochschulen bemühen, die Betreuungsdichte zu erhöhen.
Private Hochschulen haben oft auch bessere Budgets für externe Lehraufträge. Das heißt, dass es ihnen leichter fällt, Spezialisten aus der Industrie als Lehrbeauftragte einzusetzen. Damit will ich natürlich keineswegs die Qualifikationen der Kollegen an den staatlichen Hochschulen in Frage stellen. Ich weiß aber aus eigener Erfahrung bei der Anwerbung externer Dozenten, wie schwierig es ist qualifizierte Leute für spezielle Themen wie z.B. Shader-Programmierung zu finden. Denn mit den Gehältern und Honoraren, die in der Industrie gezahlt werden, kann weder eine private noch eine öffentliche Hochschule mithalten.

4Players: Welche anerkannten Abschlüsse gibt es in Deutschland für Gamedesigner?

Julian Kücklich: Die staatlich anerkannten Abschlüsse sind entweder Berufsausbildungen oder tatsächliche wissenschaftliche Studiengänge, die zum Bachelor of Arts (B.A.), Bachelor of Science (B.Sc.) oder zum Master of Arts/Science (M.A. oder M.Sc.) führen. Daneben gibt es natürlich auch noch eine Vielzahl nicht akkreditierter Ausbildungen und Studiengänge.

Die wissenschaftlichen Studiengänge haben den Vorteil, dass sie neben dem praktischen Handwerkszeug auch gute theoretische Kenntnisse vermitteln, während die Ausbildungen oft wesentlich praxis- und projektorientierter sind. Die Ausbildungen sind daher eher für den schnellen Einstieg in die Industrie geeignet, während auf Basis eines wissenschaftlichen Abschlusses eine längerfristige Karriereplanung möglich ist.

Die Bachelor- und Master-Studiengänge zielen darauf ab, die Absolventen in mittlere oder auch höhere Managementpositionen zu bringen. Ich muss aber dazu sagen, dass in der Industrie oft viel stärker auf das Know-How und die Projekterfahrung geachtet wird als auf Abschlüsse und Noten.

Ein wissenschaftlicher Abschluss bietet natürlich auch die Möglichkeit zur akademischen Weiterqualifizierung, bis hin zur Promotion. Im Moment gibt es zwar meines Wissens in Deutschland keine Doktorandenprogramme für Gamedesigner, aber das ist nur eine Frage der Zeit. Unser Team an der MDH hat sich intensiv mit dieser Frage beschäftigt, aber wir sind aufgrund der uneinheitlichen Regelungen in den einzelnen Bundesländern zu keinem abschließenden Ergebnis gelangt.

4Players: Wenn man sich das Studienangebot für kommende Gamedesigner anschaut: Welche Qualität hat die deutsche Hochschulausbildung und was könnte man verbessern?

Julian Kücklich: Deutschland hat sich aus kulturellen und politischen Gründen mit der Einrichtung von Gamedesign-Studiengängen lange sehr schwer getan. In dieser Zeit ist vor allem in den USA, Großbritannien und Asien viel Aufbauarbeit geleistet worden. Das macht es für deutsche Hochschulen sehr schwer, Gamedesign-Studiengänge auf internationalem Niveau anzubieten. Auch der Fachkräftemangel ist natürlich ein Problem: sowohl die deutsche Games-Industrie, als auch die deutsche Games-Forschung sind insgesamt, von einigen Ausnahmen abgesehen, nicht auf internationalem Niveau.

Die privaten Hochschulen und Akademien haben in diesem Bereich Pionierarbeit geleistet. Die öffentlichen Hochschulen sind ja erst später auf den Zug aufgesprungen, als sie gesehen haben, dass es einen Bedarf für diese Studiengänge gibt. Allerdings habe ich den Eindruck, dass einige private Hochschulen zu schnell gewachsen sind und noch Nachholbedarf in Bezug auf wissenschaftliche Arbeit und die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses haben.

Meine Kollegen und ich haben uns während meiner Zeit an der MDH sehr dafür eingesetzt, diese Maßnahmen voranzutreiben, aber natürlich sind neun Monate eine zu kurze Zeit, um solche grundlegenden Änderungen durchzusetzen. Man muss ja auch sehen, dass die meisten privaten Hochschulen privatrechtliche GmbHs sind, die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten über den Einsatz ihrer Mittel entscheiden müssen. Aber das ist ein Thema, das viele private Hochschulen betrifft, nicht nur die, die Gamedesign anbieten.

Ich denke aber, dass gerade an den staatlich akkreditierten Hochschulen die Qualität der Dozenten und der Ausstattung auf einem zufriedenstellenden Niveau ist. Es gibt natürlich Verbesserungsbedarf, aber man darf nicht vergessen, dass wir uns hierzulande immer noch in der Aufbauphase befinden, während es in anderen Ländern etablierte Studiengänge gibt, deren Studenten und Absolventen international erfolgreich sind.

4Players: Es gibt in Deutschland einige Akademien, die sehr viel Geld für die Ausbildung zu einem Artist, Programmierer oder Gamedesigner verlangen. Würden Sie jungen Studenten zu der Investition raten?

Julian Kücklich: Diese Frage ist sehr schwierig zu beantworten, weil neben der persönlichen finanziellen Situation, der Qualität der Dozenten und der Ausstattung an der Hochschule, der Betreuungsdichte und der angestrebten Position in der Industrie auch noch weiter gehende Faktoren berücksichtigt werden müssen. Klar ist, dass internationale Abschlüsse mehr wert sind, aber teilweise auch erheblich mehr kosten. Klar ist auch, dass die Absolventen international bessere Chancen haben, wenn sie ihr Studium an einer englischsprachigen Hochschule absolvieren. Der deutsche Markt ist ja im internationalen Vergleich sehr klein.

Wenn die deutschen Hochschulen Gamedesigner ausbilden wollen, die sich auch international gegen die starke Konkurrenz durchsetzen wollen, müssen sie sich sehr anstrengen. Hier führt der Weg meines Erachtens nur über ein stärkeres Engagement in Wissenschaft und Forschung, internationale Kooperationen (also z.B. Austauschprogramme für Studenten, Dozenten und Absolventen), stärkere lokale Vernetzung und die Verpflichtung renommierter Dozenten und Gastprofessoren.
Meine ehemaligen Kollegen und ich sind ja international gut vernetzt und es ist uns gelungen international renommierte Gamedesigner wie Heather Kelley (siehe oben), Katie Salen (die Mitverfasserin der "Gamedesign-Bibel" Rules of Play) und Richard Bartle (der Miterfinder des MUD und Autor von Designing Virtual Worlds) für Gastvorträge an der MDH zu gewinnen. Ich hoffe, dass es den Kollegen gelingt, darauf aufzubauen und Leute solchen Kalibers für Gastprofessuren und für die Durchführung von Workshops, Master Classes und Summer Schools zu gewinnen.

Ich denke nur so wird es den privaten Hochschulen mittel- und langfristig möglich sein, sich gegen die Konkurrenz der staatlichen zu behaupten und die Abwanderung potenzieller Bewerber ins Ausland einzudämmen. Aber es ist natürlich klar, dass die Bewerber nur dann bereit sein werden, die hohen Studiengebühren zu bezahlen, wenn sie dafür einen echten Mehrwert erhalten.

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist das natürlich ein schwieriges Thema, weil viele private Hochschulen vor den damit verbundenen Investitionen zurückschrecken. Aber angesichts der momentanen Situation im Ausbildungsmarkt und der großen Umbrüche in der Gamesbranche bleibt den Hochschulen aus meiner Sicht keine Alternative.

4Players: Wenn Sie auf die letzten fünf Jahre des Mediums Spiels zurückblicken: Was hat sich innerhalb des Gamedesigns auf der einen und innerhalb der Gesellschaft auf der anderen Seite verändert?

Julian Kücklich: Genau zu diesem Thema habe ich gerade letzte Woche auf der Games Convention Online in Leipzig gesprochen, aber ich will Ihnen jetzt keinen 40-minütigen Vortrag halten. Im Wesentlichen kann man sagen, dass die Gamesbranche gerade auf allen Ebenen - Business-Modelle, Design, Zielgruppen, gesellschaftliche Akzeptanz, Technologie, etc. - eine große Transformation erlebt. Einige Trends sind positiv, zum Beispiel die Erschließung neuer Zielgruppen und die größere gesellschaftliche Akzeptanz von Games, die damit einhergeht.

Andere Entwicklung betrachte ich mit Sorge, z.B. die rapiden Veränderungen bei den Vertriebswegen und Geschäfts- und Finanzierungsmodellen. Hier besteht die Gefahr, dass klassische Developer, die jahrelang an einem Titel arbeiten, quasi über Nacht von jungen, agilen Mobile- oder Social-Games-Developern ausgebootet werden. Die Gamesindustrie muss als ein Art Ökosystem betrachtet werden, in dem starke Abhängigkeiten zwischen den verschiedenen Sektoren bestehen. Das gerät dann durch solche Entwicklungen schnell aus dem Gleichgewicht, mit möglicherweise schlimmen Folgen für die Firmen und ihre Mitarbeiter.

Ich habe auch im Rahmen meines Antrittsvortrags als Professor an der MDH über dieses Thema gesprochen und darauf aufmerksam gemacht, dass die Gamedesign-Ausbildung zwar ein Stück weit immun gegen Trends sein muss, aber dass diese Trends natürlich genau beobachtet werden müssen, um die Leute nicht am Markt vorbei auszubilden. Auch hier haben viele ausländische Hochschulen einen Vorteil, weil sie einfach näher an den internationalen Zentren der Gamesentwicklung sind. Angesichts der aktuellen Situation im Gamesmarkt werden sich deutsche Entwickler, Publisher und Bildungseinrichtungen innovative Konzepte überlegen müssen, um den Anschluss nicht zu verlieren.

4Players: Vielen Dank für das Gespräch.    

Kommentare

Arakiru schrieb am
Servus gh0, sag mir doch mal bitte bitte:
Wo ist das Zitat mit dem Messer und dem Kuchen her ?
Ich kolabier jedes Mal vor Lachen. Ist das zufällig aus 'nem SPENCER/HILL Film ? Für Aufklärung wär' ich total dankbar. :)
gh0 schrieb am
Oldholo hat geschrieben:
Zum Interview:
Ich fand's..nichtssagend. Etliche Verweise auf wissenschaftliche Arbeiten zwar, aber so gut wie nichts, was mich jetzt wirklich informiert hätte.

Ach komm, der ist doch nur geil auf die klicks!
Oldholo schrieb am
LordBen hat geschrieben:Es wird doch niemand gezwungen das Interview zu lesen. Wem der Text zu schwer verständlich, trocken usw... ist oder wens auch einfach nur nicht interessiert soll ihn nicht lesen. Ich finds nur daneben deswegen die Qualität des Interviews bzw. die Person die interviewt wurde runterzumachen.
Hier möcht ich mich auch mal einklinken:
Du hast damit zwar Recht - niemand muss es lesen, aber das ist nicht Sinn eines Interviews bei 4P. Mal abgesehen von ein bisschen "Gamingjargon" (Raid, Loot, Fraggen, Campen, usw.) erhebt 4P eben nicht gerade den Anspruch, sonderlich anspruchsvoll zu sein. Wenn da nun plötzlich ein Interview rauskommt, bei dem in jedem Satz ein Fremdwort ist, welches die meisten Leser wohl erst einmal googlen müssten, ist das eben zumindest deplatziert. Nicht wegen 4P, denn die haben das Ganze ja vermutlich wie es ist gepostet, aber wegen Kücklich, der darauf hätte Rücksicht nehmen sollen.
Als publizierender und dozierender Wissenschaftler gehört es eben auch dazu, Inhalte für die Zielgruppe verständlich aufzubereiten. Da kann man sagen, was man will.
Zur Sache generell:
Ich würde an sich liebend gerne Gamedesign studieren, weniger der vermittelten Inhalte, sondern vor Allem der späteren Berufschancen wegen, doch der springende Punkt sind eben die enormen Kosten. Monatlich fast einen ganzen Riesen abdrücken kann ich einfach nicht, und viele Andere auch nicht, auch wenn sie Spaß daran hätten und die Branche weiterbringen könnten. Hier sollte man dann tatsächlich viel mehr tun, denn momentan sind wissenschaftliche Abschlüsse in diesem Bereich leider eben wegen der Kosten ziemlich elitär. Wenn staatliche Hochschulen sich da mehr dran setzen oder die Privaten ihre Ausgaben und damit auch die Preise senken (was mehr Entgegenkommen der Gastdozenten erfordert), dann wird's auch was mit dem Standort Deutschland. :)
Zum Interview:
Ich fand's..nichtssagend. Etliche Verweise auf wissenschaftliche Arbeiten zwar, aber so gut wie nichts, was mich...
Boesor schrieb am
wOJ hat geschrieben:Wie es um unser Land bezüglich Games bzw. Gamedesign steht? Beschissen. Ich hab noch nie was gutes made in Germany gespielt.
Noch nie? Das könnte allerdings eher an dir als am Angebot liegen.
Boesor schrieb am
Norrin Reed hat geschrieben:Hallo also wo hat der Hr. Kücklich seinen Abschluß gemacht, ich dachte Magister gibt es nur noch in Österreich.
Magister gibt es auch noch in Deutschland, läuft nur aus.
schrieb am