So grandios die VoxelSpace-Engine auch Landschaften darstellen konnte, so schlecht war sie beim Rest: Es gab kaum Polygonobjekte im Spiel, Gegner bestanden aus grob aufgelösten und animierten Sprites.
Hinter den blauen Augen lauerte allerdings auch eine hässliche Fratze: Außer der Landschaft und den beiden 3D-Objekten bestand alles andere aus extrem niedrig aufgelösten Bitmaps - gegnerische Helikopter und Panzer zuckelten und hopsten wild durch die Botanik, die Explosionen waren extrem blockhaft. Außerdem war die Landschaft eine mittlere Mogelpackung: Das tatsächliche Einsatzgebiet war ziemlich klein und drehte sich quasi im Kreis; flog man stur geradeaus, kam man immer wieder an denselben Objekten vorbei. Und witzigerweise hatte Comanche zwar ziemlich hohe Hardwarevoraussetzungen (ein 486er und mindestens vier MB RAM sollten idealerweise im Gehäuse ihren Dienst verrichten), aber zu hoch durften sie dann doch nicht sein: Wie z.B. auch bei Wing Commander 2 hatten die Entwickler keine Frameraten-Obergrenze definiert - je schneller die CPU schuftete, desto flotter flitzte der Komantsche dahin. Resultat: Ab einem Pentium-Prozessor lief das Ganze unspielbar schnell. Spätere Missionsdisks wurden daher mit einem Patch ausgeliefert, der das Spiel künstlich verlangsamte; auf der alle Extramissionen (insgesamt waren es 100!) zusammenfassenden CD-Version pappte sogar ein Aufkleber mit folgendem Text:
»Auch lauffähig auf Pentium-Systemen« - das war mal was Neues!
Rambo am Steuer
1992 war der Boeing-Sikorsky RAH-66 Comanche noch reine Prototyp-Zukunftsmusik: Erst 1996 hob der erste Helikopter tatsächlich ab (und ging kurz darauf auch schon wieder zu Boden - das Programm wurde 2004 eingestellt). Und wenn schon Zukunft, dann richtig, weswegen das Spiel auch im Jahre 2002 handelt: Vor neun Jahren haben also Drogensyndikate die Weltherrschaft übernommen und müssen nun vom mutigsten Helikopterpiloten aller Zeiten mit Raketenpower auf den rechten Weg gebombt werden. Und es hat schon seinen Grund, warum der Packungstext nur hinsichtlich der Grafik immer wieder das Wort »realistisch« bemühte - spielerisch war Comanche Arcade pur: Die drei Waffensysteme (MG, Stinger- und Hellfire-Raketen) waren gut beladen,
Die Landschaft bot mehr als genug Abwechslung - man schwirrte über grüne Auen, verschneite Hügel und an Vulkankratern entlang. Mit späteren Missionsdisketten gab es sogar reflektierende Wasseroberflächen.
das Flugmodell war extrem simpel, das Missionsdesign beschränkte sich auf mehr oder weniger ausformulierte Versionen von »Heb ab, erledige alle Gegner, komm zurück!« - eine zusammenhängende Geschichte gab es nicht, nur lose Einzelmissionen.
Die meisten Aufträge flog man am Tag, einige im Sonnenuntergang, manche während eines Schneesturms (wobei man die paar träge über den Bildschirm wackelnden Weißpixel kaum als echtes Tosen bezeichnen konnte) - und manche fanden in der vom Grün des Restlichtverstärkers beleuchteten dunklen Nacht statt. Meist war man allein unterwegs, gelegentlich wurde man von befreundeten Flügelmännern begleitet, denen man Anweisungen geben konnte - und musste, denn von sich aus konnten die Dumpfbacken eigentlich nur abstürzen (begleitet von einem gekreischten
»Mayday! I'm going down! MAYDAY!«). Damit waren sie allerdings nicht allein, denn die gegnerische KI war keinen Deut besser: Auf die Entfernung ballerte sie zugegebenermaßen zielsicher (Sogar zu gut: Gelegentlich rasten Raketen mitten durch Hügel auf einen zu.), aber auf nahe Distanz fiel den feindlichen Piloten tatsächlich nichts Besseres ein, als den Spieler dauernd zu rammen - ein klassisches Helikopter-Manöver, habe ich mir sagen lassen. Der eigene Heli vertrug einige Treffer, wobei nach und nach mehr Bordsysteme ausfielen - und irgendwann hieß es
»The enemy is celebrating your defeat!« Hing man an einer Mission fest, musste man sich durchbeißen: Die ersten paar ließen sich noch frei auswählen, danach musste zuerst eine geschafft werden, damit die nächste freigeschaltet wurde. Was spätestens bei den späteren Missionsdisks (»Global Challenge« und »Over the Edge«) in echte Knochenarbeit ausartete!
Die Herrschaft der Superpixel
Comanche entpuppte sich für die junge Firma als Bad im Geldspeicher: Das Hauptprogramm nebst der Missiondisketten verkaufte sich wie wahnsinnig. Klar, dass man die Maschine so lange wie möglich zu melken gedachte: Es gab über die Jahre verteilt drei Nachfolger, das erste VoxelSpace-System kam auch in der Panzer-Rumpelei
Armored Fist zum Tragen (und demonstrierte da, dass ihm Bodennähe nicht gut stand), die
Delta Force rannte durch Voxel-Landschaften. Es war sogar eine Comanche-Version für das SNES in Arbeit, das den neuen SuperFX-Chip nutzte (wie
StarFox) - doch die wurde leider mitten in der Entwicklung eingestellt.
Zusammen ist man weniger allein: Die Flügelmänner waren hirnlos, nahmen aber Befehle entgegen.
Die Voxel haben den Kampf gegen die Polygone verloren - da sich ihre Berechnung im Gegensatz zur linearen Algebra nicht einfach per Zusatzchip beschleunigen lässt und texturierte, schattierte und postprozessierte Polygone einfach auf lange Sicht mehr Details lieferten. Nichtsdestotrotz sorgten sie für einige der schönsten Bilder der Spielegeschichte - nicht nur in Comanche, sondern auch in
Outcast,
Blade Runner oder
Crysis. Das Bemerkenswerte an ihnen ist, dass sie nicht so schlecht altern wie krude Polygone: Klar, aus heutiger Sicht wirkt das Ganze aufgrund der hölzernen Sprites und der generell mickrigen VGA-Auflösung natürlich antiquiert - und dennoch mag ich die fließende Darstellung der Landschaft immer noch sehr. Als ich für den Oldie des Monats die DOSBox anschmiss, den alten Flightstick auspackte und zum ersten Mal wieder die grausam quäkige Musik vernahm, war ich sofort wieder im Jungkautz-Modus: Ich erinnerte mich wieder an die Wette mit meinem Kumpel, wer den Canyon, der direkt gegenüber der ersten Startfläche lag, als Erster mit Vollgas und ohne anzustoßen durchqueren konnte. Ich erinnerte mich an das nervenzerfetzende, durch Hügel getarnte Anschleichen an gegnerische Stellungen, während die Bordelektronik den nahenden Comanche-Tod aus den Boxen plärrte. Ich erinnerte mich an die Mission »Joker's Wild«, in der man mit 999 Raketen bewaffnet gegen 30 wahnwitzig angreifende »Werewolf«-Gegnermaschinen antreten musste. Das Ganze hatte mit einer Flugsimulation mal so gar nichts zu tun; der
»Realistisch bis zum Abwinken«-Spruch aus dem damaligen
ASM-Test war, wie soll man sagen, ein Haufen Bullshit. Aber die Grafik blendete hervorragend den Verstand aus. Gunship 2000 war mir zu träge, Falcon 3.0 bedurfte einer ganz besonderen Stimmung, damit es seine volle Wirkung entfaltete. Comanche dagegen war pures Adrenalin - hohl, prachtvoll, herrlich laut! Der beste Abreger vor
Doom.
Paul Kautz
Comanche in stiller Aktion: Schaut euch die Screenshots an!