Die automatisch geführte Karte mag zu Weinkrämpfen bei Karopapier-Fans geführt haben, alle anderen lernten den Komfort schnell zu schätzen.
Der Schritt zur pausenlos weiter tickenden Uhr sorgte aber auch für wohlige Schauer: Man konnte sich seiner Gesundheit nie zu sicher sein, die Gegner wanderten auf den Karten immer aktiv herum. Nahm man in einer ruhigen Ecke eine Mütze voll Schlaf, konnte es durchaus passieren, dass man unsanft von einer Riesenratte oder einer Legion grunzender Höhlenmenschen geweckt wurde - woraufhin nicht nur der Schreck, sondern auch der Schaden groß war. Und im Kampf brauchte man einen gut geschulten Klickfinger, besonders wenn die aus maximal drei Mitgliedern bestehende Party gefüllt war: Einen "All Attack"-Knopf gab es nicht, jeder einzelne Angriff, jede Magiewirkung, jeder Einsatz von Heilkräutern musste separat geklickt werden - ähnlich den Angriffen der Einheiten in Dune 2. Schon nach kurzer Zeit kam noch Magie ins Spiel, woraufhin man die Widersacher endlich auch schockfrosten oder elektrobratzen und sich selbst heilen durfte. Allerdings auch hier: Klicke-di-klick! Magie auswählen, Anwender bestimmen, Magiestärke festlegen, das Ziel suchen, und noch einen Klick, weil’s so schön war.
Kein Problem, lass dir Zeit. Ich hab's nicht eilig.
Jahaa, damals war das erfolgreiche Durchkraulen eines Monster-verseuchten Dungeons noch echte Arbeit für Männer mit Bärten, denen das Risiko einer Sehnenscheidenentzündung wurscht war!
Echtzeit ist die beste Zeit!
Besonders wichtig war es, sich eine Ordnung für das Inventar zu überlegen: Anfangs schienen die 48 Slots noch überaus großzügig dimensioniert zu sein, aber schon nach kürzester Zeit tummelten sich Steine, Stöcke, Skelettköpfe, billige Messer, Ölfläschchen, Äxte, Stiefel, flatterige Hemden und anderer Kladderadatsch darin. Sollte man diesen Misthaufen die ganze Zeit mit sich herumschleppen, um ihn irgendwann bei einem Händler verhökern zu können? Schmeißt man alles weg? Oh Mann, jetzt habe ich dieses tolle Langschwert geschenkt bekommen - aber wohin damit? Kein Platz mehr!
Im Laufe der Zeit traf man auf immer abgefahrenere Gestalten - wie das weise Drarakel.
Wichtig in diesem Zusammenhang war, dass man immer nur neun Items gleichzeitig auf dem Bildschirm zu sehen bekam - wer etwas anderes suchte, musste noch mehr klicken. Und da kam die erwähnte Ordnungsliebe ins Spiel: Wer diese nicht hegte, musste irgendwann mitten in den hektischen Kämpfen den großen Wühler machen. Ganz, ganz schlechte Idee.
Neben den Kämpfen gab es auch viele Puzzles, die aber allesamt der Simpel-Schmiede entstammten: Knöpfchendrücken hier, Item an der richtigen Stelle benutzen da. Mit erfolgreicher Anwendung von Waffengewalt, Magie oder Dietrichen an verschlossenen Schatzkisten stieg man automatisch im Rang auf, woraufhin ebendiese Aktionen noch besser von der Hand gingen. Und je besser man im Spiel wurde, desto mehr Gelegenheit hatte man, sich auf die wunderschöne Präsentation zu konzentrieren: Die Entwickler griffen tief in die VGA-Kiste und präsentierten viele toll animierte Cutscenes und atmosphärische Standbilder, elegant durch die 3D-Landschafte stapfende Feinde und ebenso große wie abwechslungsreiche Welten; vom schummrigen Wald bis zum mehrgeschossigen Dungeon, vom geisterverseuchten weißen Turm bis zum bedrohlich blubbernden Sumpf
Wie so oft ist gog.com auch für den Lands-of-Lore-Fan eine hervorragende Anlaufstelle, wenn es darum geht, die guten alten Zeiten auf modernen Systemen wieder aufleben zu lassen:
Für knapp sechs Dollar bekommt man Teil 1&2 der Serie im Paket, problemlos lauffähig auf aktuellen PCs.
Zu schade nur, dass der erste Teil auch der beste war: Zwar erweiterten die beiden Nachfolger das Spielsystem und verbesserten die Präsentation, aber die gerade beim dritten Teil auffällig krude Mischung aus frei scrollenden 3D-Levels und krümelig aufgelösten Film-Figuren entpuppte sich schnell als Atmosphäre-Killer - was dann auch ratzfatz das Ende für die eigentlich auf sieben Teile ausgelegte Serie bedeutete. Sehr ärgerlich, aber umso besser für The Throne of Chaos. Das ist, von seinem zwangsläufig veralteten Spielsystem abgesehen, erstaunlich gut in die Jahre gekommen: Die Grafik ist liebevoll pixelig und detailverliebt, die in der CD-Fassung durchgehende Sprachausgabe auf für die damalige Zeit bemerkenswert hohem Niveau. Zwar gibt es unserer Tage gute bis sehr gute Alternativen zu den Rollenspielen der frühen Neunziger (wie das nachweislich großartige
Legend of Grimrock), aber im Zweifelsfall würde ich den simplen Pixel immer dem aufwändigen Shader vorziehen.
Paul Kautz
Im Reich der Fantasie: Jede Menge Screenshots aus Lands of Lore!