Der Action-Horror im Wald
Nach einer längeren Schaffenspause ließen die Finnen dann 2005 die Katze aus dem Sack, was ihr nächstes Projekt werden würde: Ein "psychologischer Action-Thriller", der sich inhaltlich an Twin Peaks und Büchern von Stephen King wie z.B. Misery oder The Dark Half orientierte. Der Name:
Alan Wake. Nach der anfänglichen Spannung, immerhin ist es eine neue Marke der Max-Payne-Entwickler, wurden die Diskussionen allerdings zunehmend auf die Veröffentlichungspolitik gelenkt. Denn Microsoft hatte sich mit Remedy auf eine Exklusiv-Vermarktung geeinigt und wollte den Titel auf der Xbox 360 und Windows Vista herausbringen, um seine neuen Betriebs- und Konsolensysteme mit interessanten Kaufgründen zu versehen. Dass daraus 2010 eine exklusive Veröffentlichung auf der 360 werden sollte, während Remedy zwei Jahre später eine PC-Version mehr oder weniger in Eigenregie auf den Markt brachte, half nicht, um die Gemüter zu beruhigen. Zumal die Finnen aus Respekt vor dem Exklusiv-Partner Microsoft auf eine PS3-Version verzichteten. Gegenwärtig wiederholt sich die Geschichte, denn das aktuelle Projekt Quantum Break erscheint abermals nur auf der Xbox One sowie im Windows-Store, der nur Benutzern von Windows 10 zur Verfügung steht. Immerhin: Kauft man eine Version, kann man auf beiden Systemen spielen und sogar Spielstände hin und her schieben.
Alan Wake bietet stimmungsvolle Bilder.
Doch zurück zu Alan Wake. Der Schriftsteller, dessen Ehefrau bei einem gemeinsamen Urlaub im amerikanischen Nordwesten spurlos verschwindet und er feststellt, dass Ereignisse stattfinden, die er geschrieben hat (auch wenn er sich nicht daran erinnert), bietet viel erzählerisches Potenzial. Unter dem Strich verlor man sich jedoch in der Action, anstatt den Horror-Weg bis in die letzte Instanz weiterzugehen. Oder wie haben wir damals geurteilt? "Das ist schmackhafter Popcorn-Horror, der von Michael Bay kommen könnte - ein audiovisueller Hochgenuss mit explosiver Action." Denn auch wenn Remedy es nicht schaffte, den angepeilten psychologischen Horror zu inszenieren, haben die Finnen eines nicht verlernt: aufwändige Kulisse. Das Spiel mit Licht und Schatten in den düsteren Wäldern sorgte für enorme Atmosphäre und war uns unter dem Strich 80% wert (
zum Test). Mit zwei Download-Episoden, die bei der PC-Veröffentlichung 2012 integriert waren sowie dem Download-Titel Alan Wake’s American Nightmare stattete man dem Schriftsteller abermals einen Besuch ab, konnte aber weder der Action noch dem Horror neue Facetten hinzufügen.
Mobile Struktur-Änderungen
Auch Remedy ist mittlerweile in den Bereich des mobilen Free-to-play eingestiegen.
Ob es jetzt daran lag, dass das Mobil-Remake von Death Rally so erfolgreich war, ist schwer zu sagen. Auf jeden Fall hat Remedy die Mobilentwicklung für sich entdeckt: 2014 erschien mit Agents of Storm auf iOS Action-Strategie, die als Gratisspiel mit Mikrotransaktionen konzipiert wurde und auch mit einer ansehnlichen Kulisse auf sich aufmerksam machte. Und der ehemalige Remedy-Chef Oskari Häkkinen, der zuletzt als Head of Franchise Development die Finnen unterstützte, hat sich nach seinem Abschied mit seinem neuen Studio Futurefly ebenfalls den mobilen Spielen verschrieben.
Mit Quantum Break, bei dem abermals Sam Lake als Creative Director im Einsatz ist, scheint Remedy mechanisch zurück zu den Wurzeln gehen zu wollen: Vor dem Hintergrund missglückter Zeitexperimente werden rasante ballistische Auseinandersetzungen inszeniert - natürlich auch mit Zeitlupen und einer Variation der Bullet Time, die man hier auf eine neue Stufe hieven möchte. Erzählerisch hat man sich auf ein Episodenformat festgelegt, bei dem zwischen den einzelnen Missionen ein weiterer Teil einer mit echten Schauspielern gedrehten Serie abgespielt wird, deren Handlung sich je nach den Entscheidungen verändert, die man als Spieler getroffen hat. Ein interessantes Konzept, das uns in der Vorschau überzeugen konnte:
Quantum Break setzt auf einen Mix aus ballistischer Zeitmanipulations-Action und TV-Show.
"Die Kombination aus wuchtiger Action mit coolen Spezialkräften und einer Live-Action-Show inklusive Mitbestimmungsrecht scheint Remedy zu gelingen." Ob sich dieser gute Eindruck hält, wird der Test zeigen.
Doch wie dem auch sei: In etwas mehr als 20 Jahren hat Remedy es mit nur wenigen Titeln geschafft, Geschichte zu schreiben und mitunter sogar Standards zu definieren. Mit über zehn Millionen verkaufter Spiele (natürlich ohne Quantum Break), die die Titelseiten aller wichtigen Magazine zierten und in über 100 Ländern die Verkaufscharts anführten, dazu noch über 13 Millionen Downloads (ebenfalls ohne Quantum Break) bei digitalen Veröffentlichungen gehört Remedy zu den nach wie vor wichtigsten unabhängigen Entwicklern Europas. Gar nicht schlecht für ein paar Freaks aus der Demoszene.