Räumlicher Spaß am Hüpfen
Außerdem stand bei Mario natürlich klar das Hüpfen im Fokus. Er hatte zwar kurze Schlag- und Trittfolgen hinzubekommen, um sich in seiner neuen räumlichen Umgebung besser auf Gegner reagieren zu können. Im Wesentlichen ging es aber darum, durch vertrackte Passagen wie ein großes Uhrwerk oder mit einem Stampfer auf aggressive umstürzende Womp-Steinplatten zu hopsen. Anlauf, Dreifachsprung und andere Tricks halfen dabei, die zahlreichen Nintendo-typischen Geheimnisse aufzudecken. Das wurde mit toll integrierten Puzzles vermischt und ging so weiter, bis man schließlich alle 120 Sterne in der Tasche hatte (zum Durchspielen reichten bereits 70 Stück). Dann fragte man sich schließlich, welchen der wenigen weiteren N64-Starttitel man sich als nächstes zulegen sollte.
Der Clou dabei war natürlich die bereits erwähnte, butterweiche Steuerung mit dem neuartigen kleinen 3D-Knubbel der Konsole. Analog- und Flighsticks kannten PC- und Heimcomputer-Besitzer schon lange, aber nicht in dieser Form auf einem üppig ausgestatteten Gamepad mit zahlreichen bequem erreichbaren Knöpfen für konsolentypische Action.
Zu gut, um nicht kopiert zu werden
Die Polygone von Mario und dem Großkopferten lassen sich noch einzeln zählen - trotzdem lässt sich die verhältnismäßig saubere, gut gealterte Grafik auch heute noch problemlos ertragen.
Das ungewöhnliche Konzept der drei Controller-Hörnchen zum Umgreifen hat sich zwar nicht durchgesetzt – den kleinen Analogstick konnten Sony und Sega aber gar nicht schnell genug kopieren, weil er in der dritten Dimension einfach zu viel Sinn ergab! Auf diesen Konsolen musste man allerdings noch eine ganze Weile warten, bis ähnlich flüssiges Analogstick-Handling auftauchte, z.B. in Gex: Enter the Gecko mit seiner coolen Dualstick-Steuerung. Der ebenfalls prägende 3D-Titel Tomb Raider kam in Deutschland zwar schon vor Super Mario 64 heraus, nämlich als erstes Ende 1996, zeitexklusiv für den Saturn. Doch Entwickler Core Design brach sein Versprechen und lieferte in Teil 1 noch nicht die angekündigte Analogsteuerung für Segas frischen Analog-Controller. Daher steuerte sich Lara viel weniger intuitiv als Mario – von anderen zeitgenössischen Beispielen wie der steifen Resident-Evil-Handhabung ganz zu schweigen. Auch die mit viel Werberummel aufgebauten frühen Kontrahenten wie Crash Bandicoot oder Nights: Into Dreams boten nicht annähernd so viel Freiheit. Außerdem gab es bei Mario sogar Spielereien wie das wilde Drehen des Sticks, um den am Schwanz gepackten Bowser in den Abgrund zu schleudern. Wo sonst kriegte man so etwas schon geboten?
2005 erschien eine erweiterte DS-Umsetzung mit mehreren spielbaren Figuren, die mangels Analogstick aber nicht die berühmte Präzision des Originals bot (
zum Test). Das emulierte Original gibt bzw. gab es übrigens als eShop-Download für Wii und Wii U zu kaufen.
Ein wichtiger Grund für den Erfolg war auch der Umstand, dass sich die Entfernungen beim Hüpfen endlich vernünftig abschätzen ließen, deutlich besser als bei frühen Gehversuchen des Genres wie etwa Jumping Flash aus der Ego-Perspektive. Legendär ist mittlerweile auch der gutgelaunte Soundtrack von Hauskomponist Koji Kondo. Im Vergleich zu zeitgenössischen CD-Stücken auf PlayStation und Saturn klangen die Stücke zwar wie vom Alleinunterhalter auf der Bontempi-Heimorgel eingespielt, doch das tut den eingängigen Melodien keinen Abbruch. Wer dieser Tage mal depressiv zu Hause sitzt, sollte einfach eine Runde Mario 64 einlegen oder das alberne Snow-Mountain-Thema abspielen. Dann dürften sich schnell gute Erinnerungen einstellen!
Gewöhnungsbedürftige Kampfschreie
Auch solche liebevollen Nebensachen tragen viel dazu bei, dass Super Mario 64 nach wie vor einen Platz ganz oben in meinem Herzen besitzt – und zwar derart weit oben, dass ich gar nicht anders kann, als derart kitschige Formulierungen wie „ein Platz in meinem Herzen“ zu benutzen. Ein zeitlos geniales Spiel, das übrigens auch erstaunlich gut gealtert ist und selbst heutigen Jugendlichen mit Retro-Neugierde jede Menge Spaß bereiten sollte.
Schon als ich 1997 in Bowsers surrealen Boss-Levels über Lego-Steine, Feuerfallen und schmale rotierende Brücken sprang, fragte ich mich, ob diese schlichten, aber sauberen Kulissen eines Tages ähnlich ikonisch wirken werden wie es seinerzeit bei Super Mario Bros. der Fall war. Meine heutige Antwort an den Neunziger-Jan lautet klar: Ja! Jah!! Woohoo! Letse go! Mittlerweile habe ich mich nämlich sogar mit Charles Martinets gewöhnungsbedürftigem Gekreische angefreundet, welches damals die altbekannten Sprunggeräusche ablöste. Als ich auf der Cebit-Home-Messe im Jahr 1996 (oder war es die Computer 1996 in Köln? Mein Gedächtnis…) ständig Kampfschreie vernahm, dachte ich zunächst, dass jemand neben mir ein Karate-Spiel zockte. Kurze Zeit später sah ich hinter der Menschentraube am kleinen Händler-Stand schließlich eine Import-Konsole mit Super Mario 64 stehen. Der Rest ist Geschichte.