Grotesker Alptraum
Aber es war gerade beim ersten Silent Hill nicht in erster Linie die visuelle, sondern vor allem die grandiose akustische Kulisse, die dafür sorgte, dass man bei jedem Schritt das Gefühl hatte, eine alptraumhafte Welt zu betreten - sehr schön hat das Ben in seiner
Soundtrack-Kritik erläutert. Die Klänge von
Akira Yamaoka sorgten im wahrsten Sinne des Wortes für nach hallende Gänsehaut. Bis dato hatte man diese gewagte Komposition aus Industrial und Metal, aus einzelnen Tönen und treibenden Synthesizern nicht gehört. Die Musik war so ungewöhnlich und voller Brüche, dass man sie bei Konami zunächst für fehlerhaft eingespielt hielt. Und gerade dieses "Falsche" oder "Unvertraute" im Ohr verstärkte das verstörende Spielgefühl. Selbst hinter treibenden Beats verbargen sich irre schreiende Chöre, so dass man den Terror fühlen konnte: Hört euch mal dieses kurze Stück "
My Heaven" an.
Spätestens als man lediglich mit einer Taschenlampe bewaffnet den ersten Monstern begegnete, war auch visuell gar nichts mehr klassisch, denn es handelte sich um missgestaltete Kreaturen, die zwar zombiesk wirkten, aber im weiteren Verlauf zu immer grässlicheren Varianten und skurrilen Alptraumwesen mutierten - in der leicht geschnittenen europäischen Version
Die Karte wurde automatisch ergänzt, so dass man Sackgassen etc. erkennen konnte.
wurden einige kindähnliche Kreaturen übrigens ausgetauscht. Auch wenn man mit "Air Screamer", "Grey Child", "Mumbler", "Split Head" und "Puppet Nurse" noch nicht ganz die extravagante künstlerische Ausdruckskraft eines
Silent Hill 2 erreichte, in der der berühmte Pyramidenkopf erstmals auftauchte, spielte das Artdesign bereits mit dem Unvertrauten und Grotesken. So konnte man vor allem die späteren Wesen nicht sofort in eine von Traditionen befüllte Schublade wie "Zombie", "Vampir" oder "Werwolf" einordnen. Und gerade weil man selbst so gewöhnlich war, verstärkte sich noch die Abscheu: Harry war ja ein ganz normaler Mann, und nicht der typische Held, der militärisch gedrillt war.
Verfluchte Parallelwelt
Trotzdem war das kein reines Fluchtspiel wie etwa
Outlast - und diese Momente des Sieges waren wichtig für die eigene Psyche. Harry konnte kämpfen, nicht nur mit Messer, Eisenstange und Pistole, sondern später auch mit Schrotflinte oder Kettensäge - und damit gegen die Kreaturen gewinnen. Das Gefühl etwas zu schaffen entstand zudem durch die stückweise Erkundung, die einem - ähnlich wie Lovecraft mit seinen recherchierenden Helden - das Gefühl gab, das Grauen irgendwie durchschauen zu können: Es gab in der Kleinstadt einige Areale und Gebäude wie Schule & Co, die mit alptraumhaften Versionen verbunden waren, die man ersteinmal erforschen musste.
Das Kreaturendesign überraschte mit alptraumhaften bis grotesken Wesen.
Ähnlich wie im fast parallel veröffentlichten
Soul Reaver konnte man zwischen Welten wechseln und so Rätsel lösen. Während man im wahrsten Sinne des Wortes Licht ins Dunkel brachte, Wege suchte, Türen öffnete und Hinweise sammelte, wurde auch die Karte automatisch um Notizen zu Sackgassen etc. ergänzt. Obwohl man bereits bekannte Orte nochmal aufsuchen musste, war das keine nervige Lauferei, sondern aufgrund neu zu öffnender Durchgänge meist sehr befriedigend, zumal auch die Architektur und Struktur sinnvoll verwoben waren. Noch befriedigender war aber auch das bzw. eines von fünf Enden: Keiichiro Toyama konnte nicht nur verstören, sondern auch sehr gut erzählen.
Silent Hill wurde zwei Jahre Später auf der PlayStation 2 fortgesetzt - es konnte im Test unser Platin erobern. Der erste Teil erschien noch für PlayStation 3 und PSP (2009) sowie und PS Vita (2012). Außerdem gab es 2006 eine Verfilmung Silent Hill - Movie, die Micha besprochen hat. Den grandiosen Soundtrack hat Ben in diesem Special vorgestellt.