Egal, welcher Aufgabe sich Faith annimmt: Das Ziel ist stets offensichtlich, ihren Weg dorthin muss sie jedoch erst finden. Die Runner's Vision zeigt ihr zwar eine mögliche Route an, die schnellste ist das allerdings selten. Das Aufspüren des effektivsten Wegs ist daher ein zentrales Element und gelegentlich steht die Hilfe gar nicht zur Verfügung. Dann muss man sich genau umschauen und abwägen, welche Objekte Faith als Kletterhilfe dienen können. Ich habe die Vision ohnehin von Beginn an abgeschaltet, denn dieser Fluss aus Innehalten, Erkunden und geschicktem Klettern ist nach wie vor eins der stärksten Elemente in Mirror's Edge!
Wer ist der Schnellste?
Wer will, legt auf Knopfdruck übrigens an einer beliebigen Stelle einen Startpunkt fest, markiert irgendwo das Ziel und bietet die Herausforderung nur Freunden oder öffentlich an. Das System ist klasse – auch deshalb, weil man die
Markierungen anderer Spieler komplett deaktivieren kann. Hatten diese Anzeigen in einer früheren Version noch verhindert, dass ich mich ungestört in Faiths Welt fallen lassen konnte, hat das fertige Spiel meine schlimmsten
Befürchtungen zum Glück zerschlagen.
Grafische Unterschiede
Die PC-Version zeigt das schärfste Bild, zumal man die Darstellung über zahlreiche Optionen der Leistung des Rechners anpassen kann.
Auf den Konsolen fallen schon in naher Entfernung fehlende Details und unscharfe Texturen auf. Im Gegenzug darf man selbst auf PS4 und Xbox One die Größe des dargestellten Bildausschnitts verändern.
Man muss lediglich den entsprechenden Menüpunkt einstellen.
Tatsächlich beweist Dice viel Feingefühl beim Darstellen spielerischer Möglichkeiten in der virtuellen Umgebung: Da Catalyst zum Spiel gehörende Wettläufe sowie andere Herausforderungen nur so lange dezent markiert, wie man sich in unmittelbarer Nähe befindet, wirkt die offene Welt angenehm aufgeräumt.
Das Entfernen von Chips aus zahllosen Datenspeichern ist zwar profane Klickarbeit, es belohnt aber stets das Erreichen neuer Orte. Und weil genau das einen großen Teil des Prinzips Mirror's Edge ausmacht, wirkt es hier weniger störend. Als aufgesetzt empfinde ich lediglich die mitten in der Spielwelt platzierten Fragmente irgendwelcher Daten, die beim Drüberlaufen, -klettern oder -springen verschwinden. Die Erklärung ihrer Präsenz ist nach Videospiellogik halbwegs schlüssig, dennoch empfinde ich in der Luft schwebende Kugeln einfach als Störung.
Schwarz ist das neue Weiß
Dabei sind die gelben Fragmente sogar verschmerzbar; viel seltsamer muten etliche Auftraggeber an, die sich keinen Millimeter von der Stelle bewegen. Das ist dermaßen befremdlich, dass es dem Schauplatz einen wichtigen Teil seiner Glaubwürdigkeit raubt. Dank ihnen wirkt Glass nicht wie eine lebendige Stadt, sondern wie eine in der Zeit gefangene
Die Datenfragmente wirken wie Fremdkörper in der Umgebung.
Momentaufnahme. Auch Wachen bewegen sich kaum vom Fleck, Patrouillen begegnet Faith praktisch nie.
Ich ärgere mich vor allem deshalb darüber, weil die Welt abseits dieser Schwäche ausgenommen prachtvoll ist! Sprintet man zu Beginn noch wie im Vorgänger an weiß-grauen Wänden vorbei, klettert man später durch Stadtteile, die z.B. von einem sattem Blau geprägt sind. Matt spiegelnde, tiefschwarze Oberflächen setzen markante Akzente in dieser futuristischen Vision. Wie vor acht Jahren überträgt Dice die einfachen Formen starker Konzeptzeichnungen in eine plastische Umgebung – und spätestens, wenn nachts die strahlenden Werbeclips gigantischer Monitore durch gläserne Plattformen schimmern, zeigt das neue Mirror's Edge überwältigend schöne Panoramen!
Dass Faith in manchen Fenstern Menschen beobachtet, Stimmen in geschlossenen Räumen sieht und sich gelegentlich jemand anmerkt, dass er gerade jemanden auf dem Dach gehört hat, verleiht der Umgebung sogar ein wenig Leben. Hier unterstreichen die reduzierten visuellen "Stichpunkte" den edlen Minimalismus. Zahlreiche Schweber zischen zudem durch die Luft, der Nahverkehr durchquert die Stadt in Form einer Hängebahn, Autos sind auf schnellen und langsamen Straßen unterwegs. Catalyst braucht keine komplett funktionierende Welt. Für mich gehört es zu jenen Spielen, die ihre Vision mit wenigen Pinselstrichen nur andeuten - die der Kopf aber zu einer faszinierenden Illusion ergänzt.