Spaßiges Zielschießen
Einzig und allein die „normalen Missionen“ profitieren von der weitläufigen Welt, da man sich selbst aussuchen kann, von wo und wie man das Missionsziel angehen will - eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu den Vorgängern. Um die Einsatzorte herum gibt es meist mehrere hochgelegene Orte, die sich wunderbar als Erkundungsplattform und Scharfschützenthron eignen. Mithilfe der eingebauten Sniper-Spezialsicht, mit der sich ebenso Bodenminen und Fußspuren entdecken lassen, findet man diese Orte und Wegmarken ziemlich leicht und bekommt hilfreiche Parkour-Markierungen am Gelände präsentiert.
Das Erspähen der Gegner ist elementar wichtig und praktischerweise lassen sich die Feinde dauerhaft markieren - entweder mit dem Visier des Scharfschützengewehrs oder mit der handlichen Flugdrohe, mit der zugleich das Gelände aus der Luft erkundet werden kann. Die Drohne ist ein wirklich tolles und mächtiges Werkzeug für angehende Scharfschützen, das jedoch vom Gegner entdeckt werden kann, was bei mir nur sporadisch passierte. Interessanter werden die Scharfschützen-Duelle erst, wenn die Gegner nahe zusammenstehen und sich gegenseitig beobachten können. In diesem Fall könnte man spezielle Lockvogel-Geschosse einsetzen oder die Aufmerksamkeit der Feinde anders ablenken … oder man schert sich nicht um das möglichst unauffällige Vorgehen.
Beobachten. Markieren. Entfernung einstellen. Zielen. Luft anhalten. Abdrücken ...
Sind die Gegner markiert, kann man sie in aller Ruhe aus der Ferne ausschalten und das ist im Gegensatz zu vielen anderen Bausteinen in Sniper Ghost Warrior 3 erstaunlich gut gelungen und spaßig: Anvisieren, Entfernung zum Ziel manuell einstellen, Luft anhalten (Zeit wird verlangsamt), den Abzug drücken und sich freuen, wenn ein Plan funktioniert. Je nach gewähltem Schwierigkeitsgrad hilft beim Luft anhalten noch ein zusätzliches, kreisförmiges Fadenkreuz um den Einfluss des Windes zu berücksichtigen, aber diese Hilfestellung lässt sich manuell abschalten, wenn man lieber selber planen möchte. Hardcore-Spieler können zudem fast alle Interface-Elemente und Menüs ausschalten. Ausbaufähig ist hingegen das Speichersystem, da es nur einen Spielstand gibt, der stetig überschrieben wird - und frei Speichern darf man nicht, was dafür sorgt, dass die Missionen an Spannung gewinnen. Trotzdem hätten die Entwickler für den niedrigsten Schwierigkeitsgrad ruhig ein offeneres System wählen können (ggf. dreimal pro Mission speichern), weil man sich auf die Platzierung der Rücksetzpunkte nicht immer verlassen kann.
Schleichen und Attacke
Neben dem gelungenen Zielschießen auf Entfernung kann man sich als Ghost versuchen und an Gegner heranschleichen, sie im Nahkampf lautlos ausschalten und ihre Überreste verstecken. Das Geschehen funktioniert halbwegs gut, jedoch könnten die eigene Lautstärke und das Wahrnehmungsfeld der Gegner besser visualisiert werden, da ist
Dishonored 2 klar im Vorteil. Last but not least kann man sich als Warrior versuchen und mit möglichst viel Feuerkraft in Call-of-Duty-Manier direkt ins Gefecht stürzen. Da der Protagonist nur wenige Treffer einstecken kann, die grauen Gegner mit der grauen Umgebung eine optische Symbiose eingehen und die Direktheit des Waffen-Handlings nicht mit anderen aktuellen Shootern mithalten kann, fällt die Warrior-Vorgehensweise im Vergleich zum Sniper deutlich zurück.
Gegner können alternativ aus der Nähe angegriffen, ausgefragt und lautlos ausgeschaltet werden.
In den Missionen habe ich meistens eine Mischung aus allen drei Tätigkeitsfeldern verwendet und zunächst die Gegner markiert, dann mit dem Scharfschützen-Gewehr aus großer Entfernung die Leute dezimiert und zum Schluss die Gebäude als Ghost-Warrior-Hybrid infiltriert. Die KI-Gegner machten dabei eine durchwachsene Figur. So konnte man manchmal das halbe Lager mit einer Leiche anlocken und die Feinde in Tontaubenmanier ausschalten. Es kam ebenfalls vor, dass die Gegner alle in Deckung gingen, meine vermutete Sniper-Position mit Mörserbeschuss eingedeckt wurde und alle Gegner mehrere Minuten in sicherer Deckung verharrten, bevor sie wieder zu ihrer Routine übergingen. Letztendlich kommt das Verhalten der Feinde nicht an das KI-Niveau aus
Sniper Elite 4 heran. Dafür sind die Missionen in der Kampagne um Abwechslung bemüht. Abseits der obligatorischen Einsätze, in denen man Zielpersonen ausschalten muss, darf man zwischendurch Züge in die Luft jagen oder sich Kleidung zur Infiltration besorgen und gelegentlich ist man ohne Scharfschützengewehr oder Drohne unterwegs.
Je nachdem, ob man als Sniper, Ghost oder Warrior unterwegs ist, sammelt man Erfahrungspunkte in der jeweiligen Kategorie und kann sich mit erlangten Skillpunkten für neue Fähigkeiten oder verbesserte Fertigkeiten entscheiden. Auf dem Papier klingt das ganz nett, wenn nicht die Auswahlmöglichkeiten so eingeschränkt und großenteils langweilig wären. Schade! Hier lassen die Entwickler viele Chancen zur Individualisierung des eigenen Spielstils verstreichen.
Mit der Flugdrohne können Gebiete ausgekundschaftet und Feinde markiert werden.
Ähnlich unnötig präsentiert sich das Crafting-System, mit dem man seine eigene Munition herstellen kann, was in meinem Durchlauf bisher überhaupt nicht nötig war. Gerade das Crafting-System wirkt wie ein unnötiges Zusatzfeature, das irgendwie eingebaut werden musste, weil es andere Spiele auch haben.
Technische Macken
Sniper Ghost Warrior 3 basiert auf der CryEngine, läuft aber trotzdem nicht wirklich rund. Die Bildwiederholrate sinkt zum Beispiel bei der Drohnennutzung spürbar. Das Schlimmste sind hingegen die Ladezeiten aus der Hölle. Auf dem PC dauert der Transfer vom Hauptmenü bis ins Spiel (nicht den Prolog) ungefähr zwei bis drei Minuten; Ghost Recon Wildlands lädt im Vergleich deutlich zügiger. Beide waren nicht auf einer SSD installiert. Nach einem virtuellen Tod geht das Laden des letzten Spielstandes (zehn bis 15 Sekunden) zum Glück deutlich schneller.
Die Steuerung geht auf dem PC mit Tastatur und Maus gut von der Hand und auch auf den Konsolen ist die Steuerung durchweg gelungen (keine Eingabeverzögerung, zügige Reaktion). Die optischen Unterschiede zwischen PS4 Pro und Xbox One fallen kaum auf. Generell bot Sniper Ghost Warror 3 auf der PS4 Pro bessere Wettereffekte und eine insgesamt stabilere, aber nicht immer saubere Bildrate und leicht höhere Draw-In-Distanz. Bei Ghost Recon Wildlands und Sniper Elite 4 waren die visuellen Unterschiede zwischen Xbox One und PS4 Pro größer. Unerhört lang sind hingegen die Ladezeiten. Vom Menü bis zur Prolog-Mission dauert der Lagevorgang 90 Sekunden auf der Xbox One und 105 Sekunden auf der PS4 Pro. Der Wartezeit vom Menü bis ins Hauptspiel nimmt auf der Microsoft-Konsole 3:40 Min. in Anspruch und auf der PS4 Pro stolze 4:03 Min. Das Laden eines Speicherstandes verschlingt in etwa 35 Sekunden.