Stille als Stilmittel
Die einzigen Worte, die man in The Quiet Man bis zum Abspann zu hören bekommt, den man nach etwa dreieinhalb bis vier Stunden erlebt, werden in den ersten fünf Minuten gesprochen. Es gibt einmal eine Warnung eines Hot-Dog-Verkäufers, der gleichzeitig auch als Informant dient und einen in New York City in den richtigen Distrikt lotst. Und dann kriegt man noch eine Drohung eines Anführers einer mexikanischen Gang. Doch ab dem Moment, an dem der Protagonist Dane dem Gegenüber anzeigt, dass er gehörlos ist, nimmt er den Spieler mit in seine akustische Welt. Und ab hier wird The Quiet Man zuerst interessant, bevor Human Head das Konzept vollkommen unlogisch umsetzt- und das meine ich erst mal nur inhaltlich.
The Quiet Man setzt auf einen Wechsel zwischen Realfilm- und Spielszenen - und dies zumeist gelungen.
Dass man z.B. bei den folgenden Nahkampf-Gefechten, die mitunter sehr schonungslos umgesetzt werden und brachiale Knockouts beinhalten, nur das krachende Aufeinandertreffen von Körperteilen als dumpfes „Pfump“ hört, ist eine gute Idee und zieht einen in die Welt der Gehörlosigkeit. Das mitunter subtile Rauschen, das darüberhinaus ein steter Begleiter ist und nur von den gedämpften Schritten unterbrochen wird, die man eher spürt als dass man sie hört, unterstützt das Gefühl, sich in einer vollkommen anderen Welt zu befinden. Ähnliches haben mit ihren jeweils eigenen Stilmitteln auch Beyond Eyes oder Perception geschafft – Spiele, die sich mit Blindheit beschäftigen.
Wenigstens das Konzept ist gut
Doch wo diese beiden Titel den Spieler stets mitgenommen aber nicht vergessen haben, dass der Teilnehmer vor dem Bildschirm nicht mit einer körperlichen Beeinträchtigung kämpft, sorgt The Quiet Man mit seinen Designentscheidungen dazu, dass man sich vom Spiel entfremdet. Dabei ist das Drehbuch inhaltlich durchaus ok, erinnert mit seiner Geschichte eines Psychopathen, der in New York City eine Nachtclubsängerin entführt, in Grundzügen mal an Das Schweigen der Lämmer, dann wiederum an David Cages Fahrenheit. Doch im Umgang mit Dane, der in der Kindheit durch einen tragischen Unfall seine Mutter verloren hat, sowie vor allem in der Interaktion mit seiner Umgebung, verliert Human Head den Faden und
Das Drehbuch um den gehörlosen Racheengel Dane ist gut und auch mit übersinnlichen Elementen gefült, die Umsetzung überzeugt deutlich weniger.
dadurch der Spieler das Interesse. Sämtliche Gesprächsszenen sowie alle Momente, in denen man als Gehörloser in der realen Welt durch Vibrationen etc. seine Umgebung sinnlich wahrnehmen würde, werden hier auf Stille sowie merkwürdig melodische Klänge bei Dialogen reduziert. Dass man als Stilmittel auf Untertitel verzichtet hat, kann ich bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen, da man den Spieler komplett in diese gänzlich fremde Welt ziehen möchte. Doch sehr schnell wird es unlogisch. Dane kann Lippen lesen. Und trotzdem darf ich als Spieler nicht erfahren, über was er sich mit den anderen Charakteren unterhält. Nicht einmal, wenn Gebärdensprache eingesetzt wird, bekommt man Hinweise. Und absurd wird es in dem Moment, wenn Dane sich tatsächlich auch verbal einschaltet. Theoretisch sollte er doch wissen, was er sagt oder zu artikulieren versucht. Doch auch hier steht man vor einer Sprach- bzw. Stummbarriere, so dass letztlich wichtige Zusammenhänge unklar bleiben. Ist der Polizist der leibliche Vater von Dane, nur eine Vaterfigur oder was jetzt? Und während ich mir noch diese Frage stelle, interessiert es mich irgendwann nicht mehr.