Shakespeare lässt grüßen
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Vom Belagerungsturm auf die Zinnen: Geralt und die Elitetruppe des Königs in Aktion. |
Man fühlt sich im Prolog allerdings noch wie in einem linearen Historiendrama, wie in einem Heinrich V. von Shakespeare. Die Polen pflegen einen mittelalterlichen Stil, der seinesgleichen sucht – dagegen wirken
Two Worlds II und
Dragon Age II wie Plastikfantasy. Besonders gelungen: Die frühe Szene innerhalb des riesigen Belagerungsturms. Während sich der hölzerne Koloss malmend gen Mauer bewegt, erklimme ich mit König Foltest die Treppen in seinem Inneren bis hoch auf die letzte Plattform. Dabei besprechen wir die taktische Situation, während die gefechtsbereiten Ritter kernige Lieder singen. Als wir ankommen, rammt der Turm die Mauer, die Luke schmettert auf die Brüstung, Licht strömt herein und die Ritter stürmen mit gezückten Klingen auf die Feinde zu – jetzt darf man selbst eingreifen.
Dieses Rollenspiel ist dank neuer Engine natürlich in einer anderen Grafikliga unterwegs als der Hexer, der anno 2007 mit der Aurora-Technik von BioWare debütierte. Ob die Polen ihre überaus ansehnliche, wenn auch im Hintergrund oftmals weich gezeichnete Kulisse auch flüssig im Griff haben und aus Ladezeiten keine Halbzeitpausen machen, wird der Test zeigen müssen. Und was wird aus der Pracht auf Xbox 360 und PlayStation 3? Da gab es ja in letzter Zeit große technische Ernüchterungen. Aber ich bin auch nicht angesichts der scharfen Texturen und tollen Lichteffekte überrascht; es geht um den Stil, das Artdesign und die Regie. Die ehrgeizigen Entwickler haben mal im Schatten der Kanadier angefangen, jetzt demonstrieren sie auch in Kleinigkeiten ihre Überlegenheit: Hier schweben die Schwerter nicht zehn Zentimeter über dem Rücken der Träger, hier hängen sie festgezurrt am Rücken. Hier spritzt das Blut nicht kübelweise, sondern wohl platziert.
Wie in einem Action-Adventure
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Im ersten Akt ist man im waldigen Einflussgebiet der Elfen und der Stadt Flotsam unterwegs. |
Allerdings hat sich das Spiel gegenüber dem Vorgänger
The Witcher stark verändert, was die Inszenierung angeht. Von isometrischer Distanz ist nichts mehr zu spüren, die Kamera folgt der Schulter des Hexers ganz dicht. Das war zwar auch im ersten Teil optional möglich, aber hier fühlt man sich noch näher am Geschehen, noch mehr mittendrin, fast wie in einem Action-Adventure. Das ist nicht schlimm, zumal die Übergänge zum Rollenspiel erstens fließen und Letzteres ohnehin in seiner Definition schwimmt. Wichtig ist: Kann man Geralts Rolle spielen, indem man Entscheidungen trifft und die Folgen erkennt? Ja. Dieser filmische Fokus hat allerdings auch Nebenwirkungen: Gerade im Prolog fühlt man sich etwas gegängelt, wenn man noch nicht frei erkunden kann, sondern mit kleinen Ausfransungen einem roten Faden folgt.
Die Regie lässt ein Highlight nach dem anderen vom Stapel: Es ist auch perspektivisch sehr ansehnlich, wenn ein Drache hinter einem die Brücke aufreißt, während man nach vorne flüchtet – aber diese ersten Reaktionstests wirken manchmal wie künstliche Unterbrechungen. Mal muss man Space oder eine Maustaste drücken, um vor dem Feuer im Rücken schnell in Deckung zu gehen. Das ist durchaus spannend, wäre aber noch wesentlich intensiver, wenn man das nicht in abgetrennten Sequenzen, sondern flüssig in den Spielverlauf integrieren würde. Sprich: Warum kann ich den Hexer nicht immer aktiv steuern? Das wäre konsequenter und immersiver.
Ärgernisse & Inkonsequenzen
Ist hier also noch nicht alles Gold, was glänzt? Nein. Es gibt kleine Ärgernisse in der Vorschauversion: Einige Soldaten werden etwas zu früh geklont, außerdem wirkt die KI manchmal inkonsequent, manchmal verwirrt. Warum geht ein Feind mitten im Kampf plötzlich in die falsche Richtung? Warum werde ich trotz Sichtkontakt nicht angegriffen? Das sind zwar nur Ausnahmen, aber manchmal scheinen die Abläufe noch etwas wankelmütig.
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Es gibt zwar keine Party, aber ab und an ist man auch im kleinen Trupp unterwegs, der auch zusammen kämpft. |
Es gibt nur sporadische Aktionen innerhalb der Spielwelt: Man kann diverse Kräuter sammeln und Kisten nach Gegenständen durchsuchen – wer es einfacher haben will, nutzt sein Amulett, um einen nahen Bereich quasi zu scannen und volle Kisten glimmen zu lassen. Mal muss man eine Ballista bespannen, mal ein Hindernis magisch aufbrechen. Aktives Schlösser knacken gab es bisher nicht, obwohl man auf viele verschlossene Türen trifft. Dafür gilt es an einigen Stellen den passenden Schlüssel zu finden und einzusetzen. Aber das Reizvolle ist hier auch weniger die akribische Interaktion mit der Umgebung, sondern die hervorragende Kommunikation mit den Charakteren.
In den Dialogen kann man mit seinen Entscheidungen nicht nur über Leben und Tod entscheiden, sondern auch spätere Entwicklungen beeinflussen. Wählt man den ehrenvollen Zweikampf, um unnötiges Blutvergießen zu vermeiden? Oder bekämpft man alles, was einem über den Weg läuft? Egal wie man sich entscheidet: Es gibt keine Moralanzeige, die den Hexer auf eine gute oder böse Spur bringt. Aber jede Handlung wird später Konsequenzen haben, wenn man in bestimmten Szenen plötzlich anderen Leuten oder Dialogoptionen begegnet - im Vergleich zu
Dragon Age übrigens in wesentlich kürzeren Abständen, so dass man viel öfter etwas davon mitkriegt und der Wiederspielwert der einzelnen Abschnitte enorm erhöht wird.