Gemächliches Mittelalter
Kaum erreicht man das erste Dorf, kann man den Alltag beobachten, der alles andere als turbulent, sondern eher verschlafen anmutet. Hier mal ein Angler, da mal ein Bauer, dort ein Reiter. Es fehlen lebendigere Szenen, spielende Kinder oder laufende Debatten. Ob das in späteren Siedlungen noch kommt? Schön ist: Leute tauchen nicht einfach irgendwo aus dem Nichts auf, sondern folgen ihrem Tagesablauf - man kann also jeden irgendwo finden, ohne dass Skripte ausgelöst werden müssen. Theoretisch könnte ich also den Gesuchten durch Zufall irgendwo im Wald treffen. Aber die Spielwelt ist so groß, dass man Hinweise über Gespräche sammeln sollte, die dann kleine Zielfähnchen auf der Karte
Die Bewohner sehen gut aus, allerdings lassen Mimik und Gestik manchmal zu wünschen übrig. Die Dialoge wirken noch recht steif.
erscheinen lassen. Selbst dieser Weg zum Ziel ist angenehm offen, denn man kann Reeky auf mehrere Arten ausfindig machen. Und nicht nur das: Je nach Spielart kommt es zu einer anderen Auflösung - wenn ich bei meiner Recherche mit dafür sorge, dass z.B. eine Farm letztlich niedergebrannt wird, wirkt sich das auch auf die Anzahl der späteren Feinde in einem großen Gefecht aus.
Es ist zwar beeindruckend, wie authentisch Warhorse die böhmische Landschaft mit der CryEngine abbildet: In der Beta sind knapp drei Quadratkilometer an Tälern, Dörfern und Wäldern erkundbar - die finale Spielwelt soll fünfmal so groß sein. Aber in den vielen Gesprächen mit den Dorfbewohnern lässt die Faszination merklich nach, nicht nur weil man kaum reges Leben beobachten kann. Obwohl die Gesichter inklusive Mimik ganz gut aussehen, werden die Szenen hinsichtlich der Gestik und Körpersprache einfach zu steif und auf Dauer zu ähnlich ausgespielt - im Vergleich zu den lebendigen Dialogen in
The Witcher 3 wirkt das hier manchmal wie eine Art Laientheater. Selbst heikle Situationen werden so ihrer Brisanz sowie Emotionalität beraubt.
Fähigkeiten steigen mit Gebrauch
Auch auf dem Pferd ist man unterwegs. Manchmal begegnet man Reisenden wie diesem Bogenschützen. Jeder Bewohner hat einen festen Tagesablauf.
Gerade weil der Spielrhythmus so gemütlich ist, weil hier nicht alle Nase lang etwas Dramatisches passiert, sollten diese Gespräche natürlich kleine Höhepunkte sein. Diese Statik ist schade, denn unter der schauspielerischen Kulisse steckt ein durchaus interessantes kommunikatives System. Man gewinnt im Laufe des Spiels durch praktische Anwendung nicht nur körperliche, sondern auch rhetorische Fähigkeiten, indem man mit den Leuten spricht. So hat man in den Dialogen die Wahl, ob man jemanden überzeugt, umschmeichelt, besticht oder einschüchtert. Schön ist, dass die Erfolgschancen auch vom eigenen Aussehen abhängen: In voller Rüstung steigen die Chancen, dass man bedrohlich wirkt; im noblen Zwirn kann man besser beeindrucken.
Die Charakterentwicklung bietet aber nicht nur automatische Erhöhungen beim Aufstieg, sondern auch manuelle Freischaltungen für nahezu alle Fähigkeiten von der Alchemie über den Schwertkampf bis zur Reitkunst. Wer sich auf die Rhetorik spezialisieren oder bei Händlern gute Preise aushandeln will, kann z.B. "Trustworthy Middlesman", "Negotiator" oder "Final Offer" aktivieren.
Der böse Weg und Diebstahl
Auch Alchemie spielt eine Rolle, allerdings ohne Magie, sondern auf einer historischen Basis inklusive Kräuterkunde & Co.
Was ist eigentlich, wenn ich nicht der rechtschaffene Ermittler sein will? Theoretisch kann ich auch kriminell agieren und z.B. klauen oder die Leute beleidigen. Gestohlene Waren werden allerdings als solche markiert und man wird evtl. angezeigt oder gar direkt angegriffen - sehr schön. Allerdings waren die Reaktionen beim Betreten privater Gebäude noch sehr inkonsequent bis nicht existent, obwohl Warhorse in der Theorie ein gutes System anbieten will: Betritt man ein fremdes Haus tagsüber, soll man zwei mal gewarnt werden; betritt man es nachts, soll man sofort rausgeschmissen werden. Hier müssen die Entwickler noch nachbessern, so dass diese Auswirkungen auch konsequent stattfinden; oder dass Leute auf das gezückte Schwert in der Hand des Fremden reagieren.
Wer auf Diebestour geht, muss Schlösser übrigens in einem interessanten Minispiel mit seinem Dietrich knacken, indem er die neuralgischen Punkte findet und den linken sowie rechten Stick entsprechend rotiert - ein angenehm aktives System. Immerhin wirkt im Hintergrund jetzt schon ein Reputationssystem sowohl direkt als Beziehungswert zu einzelnen Leuten als auch zu einem Ort. Ich kann es mir also nicht nur mit dem einen Händler verscherzen, sondern auch mit der gesamten Bevölkerung. Das bedeutet, dass manche gar nicht mehr mit mir reden, Quests nicht auftauchen und ich schließlich ein gesuchter Krimineller bin - hier ist Kingdom Come deutlich fortschrittlicher als etwa The Witcher 3. Wenn ich hingegen Aufträge erledige, wächst mein Ansehen und im Alltag werde ich gegrüßt und freundlicher behandelt.