Sehne statt Bolzen
Das lag nicht nur am Umfeld, das lag auch am "Fehlen" sämtlicher Feuerwaffen. In der Steinzeit wurde ja kein Schießpulver verbrannt; man schmiss Speere, spannte Sehnen hölzerner Bögen und verkloppte Bösewichte per Keule. Und diesem ruhigen, konzentrierten Hantieren – weil weniger Schüsse einfach besser sitzen müssen als eine immer irgendwie gefährliche Kugelwand – bin ich sehr angetan. Das Schleichen durchs hohe Gras, ganz allgemein das taktische Vorgehen, gehört seit jeher zu den Stärken der Serie und diesmal passt es besser denn je zum Szenario. Vermisst habe ich bislang allerdings eine echte Herausforderung. Es kann an der frühen Spielzeit liegen, doch nach drei, vier Stunden hätte ich gerne wenigstens ein großes Lager eines feindlichen Stammes entdeckt und durch geschicktes Ausschalten seiner Wachen eingenommen. Da kommt im kompletten Spiel hoffentlich mehr.
Endlich mehr dank weniger?
Ganz allgemein ist die Welt zumindest in den ersten Stunden nicht ganz so überladen wie im vergangenen Far Cry. Auch hier bin ich zwar alle Nase lang auf irgendeine zufällige Mission gestoßen oder wurde von irgendeinem Tier
Ubisoft passt das Konzept dem ungewöhnlichen Szenario an, im Kern bleibt Far Cry aber Far Cry.
attackiert, insgesamt wirkt das Erforschen der Wälder aber entspannter als das Erkunden der Berge von Kyrat.
Und auch die Jagd macht mehr Spaß als zuletzt. Zwar reicht es noch immer, in klar markierte kleine Biotope zu stolzieren, um die dort lebenden Tiere abzuschießen – fertig ist die größere Jutetüte oder andere Verbesserungen der Ausrüstung. Ohne das Streufeuer eines Maschinengewehrs ist es allerdings nicht ganz so leicht, das Ziel mal eben niederzustrecken. Gut gezielte Kopfschüsse sollten es schon sein. Denn rennt die Beute erst mal davon, bleibt in der Eile vielleicht nur noch ein einziger, schnell aufgezogener Pfeil...
Nachdem Far Cry 3 und 4 das Spiel mit dem Feuer etwas vernachlässigt hatten, rückt Primal diesen Aspekt außerdem stärker in den Vordergrund, wenn Takkar Pfeile und Keule anzündet. Mit diesen hält er sich manche Tiere vom Hals, legt kleine Feuer und steckt Gegner mit einem Körpertreffer in Brand. Verschossene (und nicht verbrannte) Munition zieht man übrigens aus Leichen oder Kadavern wieder heraus oder bastelt sie selbst aus mindestens zwei Materialien. Man muss daher stets ein Auge darauf haben, dass der begrenzte Köcher gut gefüllt ist oder nach z.B. Holz und Schiefer Ausschau halten – ein nettes Detail.
Tierische Möglichkeiten
Gezähmte Tiere helfen Takkar übrigens auf verschiedene Weise: Wölfe knurren, wenn sie Gegner wittern, Bären finden Ressourcen und dienen als Fortbewegungsmittel, Raubkatzen stürzen sich hingegen auf einen Feind, ohne
Tiere helfen Takkar: Manche unterstützen ihn im Kampf und auf einigen reitet er sogar.
dessen Begleiter zu alarmieren. Sie dienen also vor allem Heimlichtuern, während Wölfe eher klassische Shootern-Tugenden unterstützen. Und wie macht man sich die Fauna zum Freund? Man lockt eins der gewünschten Tiere mit einem Köder an und hält einen Knopf gedrückt, nachdem man sich ihm vorsichtig genähert hat.
Aus der Sicht eines Adlers beobachtet man die Umgebung außerdem aus der Luft, bevor man sich z.B. auf feindliches Territorium wagt. Wer das Markieren von Gegnern aktiviert hat, tut das während des Erkundens und kann sich anschließend noch als Adler auf einen Feind stürzen. Das ist irgendwie witzig – für mein Empfinden aber eine unsinnige Vereinfachung, die mich aus der Rolle des Alter Ego reißt. Zumal diese Fähigkeit des Helden mit übersinnlichen Kräften erklärt wird und schon deshalb wie ein Fremdkörper in dem stimmungsvollen Szenario wirkt.