Das komplette Lizenzprogramm
Auf den ersten Blick bekommt man in WRC 5 alles, was man sich als Rallye-Fan wünscht: Das Spiel enthält dank der offiziellen Lizenz nicht nur alle Original-Fahrer, Teams, Fahrzeuge und Schauplätze des diesjährigen Kalenders. Neben der Königsdisziplin sind sogar die kleineren Klassen WRC 2 und WRC Junior enthalten, in denen der Nachwuchs in schwächer motorisierten Boliden um Bestzeiten kämpft. Und auch die Auswahl an Spielmodi lässt kaum Wünsche offen: Zum einen gibt es schnellen Wertungsprüfungen oder Einzel-Rallyes, die auf Wunsch bis zu einem eigenen Rennkalender oder sogar der kompletten Meisterschaft erweitert werden können. Zum anderen wartet eine Karriere, in der man mit einem eigenen Fahrer Verträge mit Teams abschließt, Ziele erfüllen muss und sich mit guten Ergebnissen vom Junior bis zur Premium-Klasse vorkämpfen muss. Ganz interessant ist hier, dass die Team-Chefs unterschiedliche Prioritäten legen und z.B. auch die Team-Moral und Effizient der Mechaniker eine Rolle spielen.
Wie im realen Motorsport geht man auch hier alleine auf die Pisten.
Fans von Mehrspieler-Duellen dürfen sich lokal mit bis zu acht Fahrern messen, die nacheinander ins Auto steigen. Auch online ist das Starterfeld auf acht Teilnehmer limitiert, wenn man einem schnellen Spiel beitritt, eine öffentliche Lobby anlegt oder lieber eine private Sitzung für Freunde erstellt. Leider gibt es keinen Serverbrowser, auf dem die offenen Lobbys gelistet werden. Gleichzeitig fehlt eine Filterung nach Klassen: Meist landet man bei der automatischen Vermittlung daher in der WRC, auch wenn man vielleicht zunächst lieber als Junior erste Online-Luft schnuppern möchte. Auch habe ich die Möglichkeit vermisst, ganze Meisterschaften über die Online-Leitung oder lokal austragen zu können.Geister-Rennen am geteilten Bildschirm hätten sicher ebenfalls nicht geschadet. Nervig: In Online-Veranstaltungen werden die bunten Geisterwagen der Mitspieler leider so intensiv dargestellt, dass die Übersicht darunter leidet – eine Option zum Deaktivieren gibt es nicht. Besser sind daher die asynchronen Veranstaltungen, in denen man bei wechselnden Mini-Turnieren innerhalb eines festgelegten Zeitraums auf vorgebenen Pisten und mit bereitgestellten Wagen um den Platz am der Spitze kämpft.
Mehr Arcade als Simulation
Leider fällt es schwer, gerade beim Driften ein gutes Gefühl für die Steuerung und Fahrphysik zu entwickeln.
Für Neueinsteiger wird eine Fahrschule angeboten, in der man in diversen Lektionen in die Kunst des Rallyefahrens eingeweiht wird. Daneben kann man sich außerdem von einer Stabilitätskontrolle sowie einer aktiven Bremsunterstützung optional unter die Arme greifen lassen und auch ein Automatikgetriebe als Alternative zum manuellen Schalten wird selbstverständlich genauso angeboten wie die Art und Auswirkungen des Schadensmodells. Doch selbst ohne Hilfen tendiert die Fahrphysik deutlich stärker zum Arcade-Modell als die letzten WRC-Teile unter der Regie von Milestone, die sich eher im Bereich der Simulationen eingeordnet haben. Zwar muss man in engen Kurven etwas gefühlvoller mit dem Gaspedal umgehen und Unebenheiten können bei zu hohen Geschwindigkeit unangenehme Folgen haben, aber insgesamt reagieren selbst die PS-starken WRC-Boliden von Ford, Citroen, VW & Co ausgesprochen gutmütig, wenn auch nicht ganz so arcadig wie etwa Sega Rally. Allerdings kann man im Spielhallen-Klassiker ein viel besseres Gefühl für die Wagen entwickeln und lässig durch die Kurven driften. Hier fällt es mir dagegen schwer, mich mit dem etwas eigenwilligen Fahrmodell anzufreunden, das in dieser Form weder Arcade-Fans noch Simulationsfetischisten ansprechen dürfte. Selbst der angestrebte Kompromiss aus beiden Welten wirkt hier nur halbgar, wenn man das betagte Colin McRae Rally oder die alten WRC-Titel auf der PS2 als Vergleich heran zieht, die allesamt ein authentischeres Fahrgefühl vermitteln und bei denen ich in einen großartigen Flow aus Geschwindigkeit und kontrolliertem Schlittern komme, den ich hier höchstens im Ansatz erlebe. Recht oberflächlich wirken die Setup-Optionen: Zwar hat man die Wahl zwischen Schotter- sowie Asphaltpneus und schraubt am Fahrwerk, Getriebe, Differenzial und den Bremsen herum, doch fallen die Veränderungen relativ grob aus. Weniger technisch versierte Spieler vermissen zudem Anmerkungen, wie sich die jeweiligen Maßnahmen auf das Fahrverhalten auswirken. Und auch das Schadensmodell kann sowohl hinsichtlich der Darstellung als auch der mechanischen Folgen nur bedingt überzeugen und ist nicht immer nachvollziehbar.
Vom Truck Racer in den Rallye-Polo
Neben Regen zählt in kälteren Gefilden auch Schnee zu den Witterungsverhältnissen.
Trotzdem spricht zumindest die Auswahl an Modi in Kombination mit der Lizenzen für einen durchaus soliden Rallye-Titel. Bis zu dem Moment, in dem man sich zum ersten Mal selbst hinter das Steuer klemmt und neben der enttäuschenden Fahrphysik die Folter für Augen und Ohren beginnt. Irgendwie hatte ich schon ein ungutes Gefühl, als das Team von Kylotonn als Milestones Erben für die WRC-Serie vorgestellt wurde, denn die Franzosen bewiesen mit Gurken wie Truck Racer bisher vor allem eins: Technisches Unvermögen. Und auch beim Blick auf WRC 5 fragt man sich, ob man da wirklich ein PS4-Spiel vor sich sieht. Ja: Rallye-Fans haben sich in den letzten Jahren an technisches Mittelmaß gewöhnt, denn auch Milestones Engine fehlte ein moderner Anstrich und lässt bis heute die Leistung vermissen, mehr als 30 Bilder pro Sekunde aus den Konsolen herauszukitzeln. Wer hätte gedacht, dass ich mir das trotzdem irgendwann zurückwünschen würde? Doch dann kam Kylotonn. Und was die Franzosen jetzt fabriziert haben, ist einfach nur eine Schande für die Lizenz und Marke: Auf Bildern mögen die 13 Schauplätze der diesjährigen Saison noch ordentlich rüber kommen, auch weil sich manche Spiegelungen auf dem nassen Asphalt oder Lichteffekte von Sonnenstrahlen zwischen den Bäumen durchaus sehen lassen können. Doch sobald Bewegung in die Sache kommt, verpufft die Hoffnung auf eine akzeptable Darstellung in spürbaren Einbrüchen der Bildrate, kombiniert mit massiven Pop-ups am Streckenrand und einem schlimmen Tearing, das vor allem bei Nachtrennen auftritt. Manche Texturen erinnern sogar an die PS2-Ära. Was man der Engine neben der akzeptablen Beleuchtung lediglich zugute halten kann, ist die gute Darstellung von Staub und Partikeln, die vor allem in den Wiederholungen oder dem Fotomodus zur Geltung kommen. Trotzdem: Hingen schon die Milestone-Vertreter der WRC technisch gefühlt ein paar Jahre hinterher, sind es hier Jahrzehnte.