Welt ohne Seele
Die Story trieft zwar vor Klischees und bedient sich altbekannter sowie wenig spannender Motive, aber kann durchaus mit einigen interessanten Verwicklungen und Schicksalen aufwarten, die andeuten, dass Bradley etwas von seinem Handwerk
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Autsch! Das passiert, wenn man mit seinen Wurstfingern ein gesichertes Schloss knacken will... |
versteht: Da gibt's Familienzwist und Ehrenmorde, Eifersüchteleien und Intrigen. Die Texte sind teilweise lang gestrickt, aber dafür nicht immer lesenswert - viele langweilige Passagen sorgen dafür, dass man sie schnell wegklickt. Insgesamt hat der Altmeister den Mund leider zu voll genommen. Was verspricht er da im Vorwort? Hören wir mal hin:
"Dungeon Lords wurde geschaffen, um Ihnen eine lebensechte Erfahrung in einer authentischen Fantasy-Welt zu bieten."
Vergesst lebensecht, vergesst authentisch und ersetzt beides durch steril, dann kommt man der Sache schon näher. Wer abseits der Pfade in die ansehnliche Wildnis ausbüchst, die immerhin mit wiegendem Gras und natürlichem Baumbewuchs punktet, wird weder umherstreifende Tiere noch NPCs finden, sondern aufpoppende Gegner bei geringer Sichtweite. Geheimnisvolle Höhlen oder Ruinen? Fehlanzeige. Wer in Tavernen entspannt, ist meist der einzige Gast. Zecher? Barden? Trubel? Keine Spur davon. Das optisch und atmosphärisch deprimierendste Gasthaus meiner Spielegeschichte findet ihr im elfischen Arintal - ein Interieur zum Weglaufen, Tapeten aus der Hölle.
Aber nicht nur in Sachen Kulisse, auch erzählerisch liegt man eine Klasse unter spannenden Epen à la
Gothic oder
The Elder Scrolls 3: Morrowind . Das liegt daran, dass die Welt wie ein großer Baukasten aus Fantasysteinen, aber nicht wie ein homogenes Ganzes wirkt. Dungeon Lords erreicht nie dieses prickelnde Niveau, dass einen aufgeregt und neugierig ins Abenteuer abtauchen lässt. Es gibt Momente, in denen es aufblitzt, aber die sind mehr als rar gesät.
Stocksteife Statisten
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Die große Stärke liegt im offenen Charaktersystem: Jeder kann alles werden - selbst ein Zwerg darf sich an Magie und Diebeskunst versuchen. |
Ein Grund dafür liegt vor allem darin, dass die Geschichte trotz kompletter deutscher Sprachausgabe nicht von lebendigen, geschweige denn charismatischen NPCs getragen wird. Wie soll im Jahr 2005 Stimmung aufkommen, wenn es noch nicht mal Mimik oder Gestik gibt? Da stehen Gesprächspartner gut texturiert, aber stocksteif vor einem; Lippenbewegungen sind genau so Fehlanzeige wie Emotionen. Man kann sich mit keiner dieser leblosen Statisten identifizieren - egal ob Händler, Bardame oder König.
Wer in den letzten Jahren Rollenspiele von BioWare genossen hat, wird sich wie in einem schlechten B-Movie vorkommen. Selbst Nostalgiker, die einfach nur einen waschechten Dungeon-Metzler zocken wollen, werden heutzutage mit anderen Titeln besser bedient: Man nehme
Enclave , man nehme Severance oder das PS2-Abenteuer
Wizardry: Tale of the Forsaken Land aus dem Jahr 2001, das das Flair der alten Kerkerstimmung trotz statischer Helden-Grafiken (!) wesentlich besser vermittelt. Auf Sonys Konsole kam tatsächlich Wizardry-Flair auf, hier duftet es nur ganz verhalten danach.