Vorschau: Harveys Neue Augen (Adventure)

von Jan Wöbbeking



Entwickler:
Publisher: Rondomedia
Release:
15.08.2018
15.08.2018
26.08.2011
14.08.2019
2019
14.08.2019
14.08.2019
14.08.2019
Erhältlich: Digital (PSN, Xbox Store, GOG, Steam, Nintendo eShop)
Erhältlich: Digital (PSN, Xbox Store, GOG, Steam, Nintendo eShop)
Erhältlich: Digital (PSN, Xbox Store, GOG, Steam, Nintendo eShop)
Spielinfo Bilder Videos
Hochauflösender Minimalismus

Das trashige Design bleibt dem Vorgänger treu, wurde aber dezent mit etwas mehr Details aufgepäppelt und läuft nun auf Wunsch auch knackscharf in 1080p. Die Sprecher hinterlassen ebenfalls einen professionelleren Eindruck. Insbesondere der auch als Schauspieler tätige Erzähler Götz Otto (spielte z.B. den Bösewicht Stamper in "Der Morgen Stirbt nie") macht seinen Job gut. Er trägt Lillis Gedankengänge – mögen sie auch noch so abstrus klingen - mit seelenruhiger, freundlicher Märchenonkelstimme vor, in die sich gerne auch ein zynischer Unterton mischt.

In den späteren Kapiteln ist Lilli auch außerhalb der Klostermauern unterwegs.
In den späteren Kapiteln ist Lilli auch außerhalb der Klostermauern unterwegs.
Wenn es sein muss, verleiht er seinen Sätzen den nötigen Nachdruck – z.B. wenn die Heldin sich partout nicht wie befohlen zur garantiert ungefährlichen Reifenschaukel begeben will, welche an einem termitenzerfressenen Baum über dem Abgrund hängt. Außerdem mit von der Partie: Alex Grimm als ein ziemlich veränderter Harvey, Alianne Diehl als Lillis beste Freundin Edna, Thomas Fitschen als Dr. Marcel. Die geschrumpfte Zahl an Dialogzeilen (ca. 7.000 statt 20.000) hat sicherlich auch ihren Teil dazu beigetragen, dass die Sätze diesmal sorgfältiger betont wurden. Auch die Musik passt bestens: Neben skurrilen, aber ruhigen Instrumentalstücken gibt es auch einen von Poki gesungenen Titelsong, der mir schon seit Tagen als Ohrwurm im Kopf herumgeistert.

Keine Ketchup-Eskapaden mehr

Der Experimentierfreude werden diesmal engere Grenzen gesetzt: Lilli hat zwar einen gehörigen Knall, kann sich mangels gespaltener Persönlichkeit aber nicht mit Gegenständen unterhalten. Außerdem lässt sich nicht mehr alles mit allem anderen kombinieren. Stattdessen wird per Leertastendruck angezeigt, mit wem oder was ein aufgehobenes Etwas wohl benutzt werden könnte. Zusätzlich wurde das bewusst altmodische Verben-System wieder abgeschafft und durch ein einfaches Zwei-Tasten-Interface ersetzt. Erscheint ein Auge über dem Cursor, kann Lilli einen Gegenstand näher unter die Lupe nehmen.

Die linke Taste ist für die Hand reserviert: Mit ihr wird je nach Kontext ein Ding benutzt, gegessen, getrunken oder ins Inventar gestopft. Letzteres ploppt auf, wenn der Cursor sich dem entsprechenden Streifen am rechten unteren Rand nähert – auf Wunsch lässt es sich auch mit einem Klick öffnen. Im Gespräch werden die Themen und Dialog-Ebenen durch kleine quadratischen Logos symbolisiert.

Selbsthilfe für Fortgeschrittene
»Shiny Rainbow Miyuyasake!« Das ebenso beliebte wie dümmliche weibliche Geek-Duo spricht nur in Anime-Phrasen.
»Shiny Rainbow Miyuyasake!« Das ebenso beliebte wie dümmliche weibliche Geek-Duo spricht nur in Anime-Phrasen.

Auf eine Hilfe-Funktion verzichtet Daedalic aber – stattdessen gibt die eine oder andere Figur mir bei der Unterhaltung einen Wink mit dem Zaunpfahl. Die beiden Anime-Fans z.B. haben mich mit ihren dümmlichen Phrasen über magische Lichtkrieger derart auf die Palme gebracht, dass ich gar nicht anders konnte, als ihnen den im Garten gefundenen Sprengzünder in die Hand zu drücken. Welchen sie natürlich auf der Stelle mit der hübschen Haarnadel entschärfen, auf die Lilli ohnehin scharf war. Noch cooler ist, auf welch elegante Weise ich mich kurze Zeit später der Bombe entledige. Mehr verrate ich nicht, um euch nicht den besten Gag des ersten Kapitels zu versauen.

Während der Erforschung des Schulgeländes gibt es allerhand typische Inventar-Rätsel und Botengänge zu beackern: Nachdem ich einem meiner Gesprächspartner einen Presslufthammer überreicht habe, meißelt er damit wild an den Bodenplatten herum, weil sich seiner Meinung nach dort eine uralte Kirchenverschwörung aufdecken lässt. Mit seiner Hilfe kann ich nur rechnen, wenn ich ihm bei der Suche helfe, also hilft nur ein Ausflug ins muffige Schullager. Der dort an der Garderobe aufgehängte Greis wird normalerweise nur zur Geschichtsstunde aus der Kammer geholt und soll mir aus seiner Zeit bei den Tempelrittern erzählen. Dumm nur, dass ich ihm dazu erst einmal eine thematische Gedächtnisstütze bauen muss – aus allerlei Gegenständen, welche ich natürlich anderswo finde.
 

AUSBLICK



Endlich muss Daedalic sich nicht mehr mit „Altlasten“ herumschlagen: A New Beginning und The Whispered World lagen lange auf Eis, doch in Harveys Neue Augen kann Jan Müller-Michaelis sich wieder richtig austoben und das Adventure von vorne bis hinten nach seinen  Vorstellungen gestalten. Die klare Linie tut dem Spiel gut - schon die Preview-Version ist wieder erbarmungslos albern. Die Figuren sind natürlich nicht ganz so durchgeknallt wie in der Anstalt. Trotzdem macht es tierisch viel Spaß, mit Lilli alle möglichen Gemeinheiten auszuhecken, deren makabre Konsequenzen sie als anständige Klosterschülerin natürlich brav ins Unterbewusstsein verdrängt. Vor allem die Dialoge sind wieder wahnsinnig witzig. Mit dem Verzicht auf das Verbensystem und die beinahe unbegrenzten Kombinationsmöglichkeiten verliert die Serie allerdings einer ihrer coolsten Elemente. In Edna bricht aus konnte man mit seinem Inventar schließlich so viel Unsinn anstellen wie sonst nirgendwo. Andererseits sorgen die besser proportionierten Areale und das geschrumpfte Inventar auch für logischere Rätsel. Mit ein wenig Grübeln und Kombinieren habe ich bisher alle Aufgaben lösen können. Welche Rolle wohl Ednas Namen gebender Stoffhase Harvey spielt? Die Antwort auf diese Frage gibt es erst am 26. August - dann kommt das Spiel exklusiv für den PC. Hoffentlich vergeht die Zeit schnell, die Rätsel-Sucht hat bei mir schon wieder voll zugeschlagen.

Ersteindruck: sehr gut

Kommentare

Yetiofdeath schrieb am
Die frage ist, was die modernen Standards bei einem P&C heutzutage sind... muss es tatsächlich Abzüge geben wenn man nicht 1080p hat? Ich weiß nicht, ich finde da ist unser Auge schon etwas zu verwöhnt, aber das is wohl eine persönliche geschmacksfrage und ansonsten gibt es bei einem handgezeichneten P&C keine "neuen" standards... Klar die qualität der Audioaufnahmen ist vielleicht im vergleich zu einem Monkey Island vor fast 20 Jahren etwas besser, mehr aber schon auch nicht.
Ich denke, dass es genug leute gibt, die sich davon beeinflussen lassen, gerade wenn es um Genre neulinge geht! Es wäre halt schade, wenn das P&C Adventure irgendwann ausstirbt, weil sie von der Fachpresse als "altbacken" bewertet werden
crewmate schrieb am
Daedalic haben sich an modernen Standards zu messen, und nicht an denen vor 10 Jahren. 4P können werten wie sie wollen. Wer sich von nackten Zahlen und kalten Checklisten beeinflussen lässt, dem ist eh nicht mehr zu helfen. Und die Tests der Daedalic Adventure waren bisher auch ganz gut geschrieben. Das es bei Adventures nicht auf Grafik ankommt, sollte allen klar sein.
Yetiofdeath schrieb am
Charlatan hat geschrieben:Es kostet dementsprechend zeit und Aufwand. Edna war ja JMMs Abschlussarbeit mit dem Thema Objektinteraktion. In der Szene mit der Gruppentherapie wird das auch parodiert. Außerdem geht die freiheit ja nur bis zur eigentlichen Flucht, danach sind Ketchup, Schere etc weg.
Gut da hast du recht! Das spiel wird aber so oder so gekauft^^
Was ich mir von 4players wünschen würde: Bewertet das Spiel unter dem Aspekt, dass es ein Point&Click Adventure ist und kein high end Grafikhuren spiel.
Messt es nicht an heutigen "Standards" was die Optik betrifft (die ist meiner Meinung nach trotzdem genial!) sondern bewertet Spielsaß unter eben dem P&C Aspekt!
Wenn ihr vergleiche zieht, dann mit den alten Klassikern und nicht mit der modernen Spielewelt! Ich will nicht, dass ihr dem Spiel eine gute Wertung gebt nur weil es ein P&c-Adventure, aber wenn ihr es unter der Bedingung, dass ihr die heutige Spielewelt quasi ausblendet testet, tut ihr dem P&C-Adventure und seinen Entwicklern und liebhabern einen großen gefallen, denn nur so kann das Genre weiterleben!
Ein Point&Click will unterhalten und keine realistische Grafik oder Physik haben, es ist für Nostalgiker,Rätselfreunde und Comicfreunde und das soll auch so bleiben, auch wenn diese nicht dem Mainstream angehören.
crewmate schrieb am
Es kostet dementsprechend zeit und Aufwand. Edna war ja JMMs Abschlussarbeit mit dem Thema Objektinteraktion. In der Szene mit der Gruppentherapie wird das auch parodiert. Außerdem geht die freiheit ja nur bis zur eigentlichen Flucht, danach sind Ketchup, Schere etc weg.
Yetiofdeath schrieb am
Ja klar, aber den Aufwand haben sie ja bei Edna auch nicht gescheut! Für mich grenzete Edna schon fast an nem Rollenspiel, bei dem man einfach mal in die Haut einer verrückten schlüpfen konnte und einfach mit allem und jedem interagieren konnte!
Naja ich hoffe, dass HNA daher nicht zu kurz wird!
Und an alle Adventures fans der alten Schule (Kingsquest,Toonstruck,etc.) holt euch einfach alles von Daedalic bis jetzt war noch kein Spiel von denen schlecht! Höchstens das 1 1/2 Ritter spiel und selbst dem kann man einiges an Spaß abgewinnen.
Meine Favorit ist neben den oldschool Klassikern von Lucas Arts,etc. The Whispered World, eins der meiner Meinung nach genialsten Spiele. Die Stimmung,Story und Zeichnungen sind einfach bombastisch! Wobei das natürlich alles ne Frage des geschmacks ist, aber unterstützt einfach Daedalic, damit diese Firma weiterhin das P&C Genre weiterleben lässt :)
schrieb am