Kentucky Fried Movie
Als Kena: Bridge of Spirits bei Sonys E3-Show im Juni 2020 vorgestellt wurde, sah schon der erste Trailer hochwertig und spannend aus - ob das Projekt aber wirklich Potenzial hat, war damals noch nicht klar. Josh Grier vom Entwickler Ember Lab gab im PlayStation-Blog zu: „Wir sind ein kleines Team mit Film- und Animationshintergrund. Bevor wir uns der Entwicklung von Games zuwandten, waren wir ein Boutique-Studio, das sich auf die Figurenentwicklung für animierte Werbespots spezialisiert hatte. (…) Unsere Liebe zu Spielen hat uns dazu gebracht, den Fanfilm „Majora’s Mask – Terrible Fate“ zu schaffen. Kena zu entwickeln war der nächste natürliche Schritt für uns.“
Die Zwischensequenzen sehen großartig aus - hier erkennt man, dass Animationsprofis am Werk sind.
Animationshintergrund? Fanfilm zu Majora's Mask? Richtig gelesen. Ember Lab, das 2009 gegründete Studio aus dem Großraum Los Angeles, hat seine Brötchen bislang nicht mit der Entwicklung von Videospielen, sondern vor allem mit Werbung verdient, z.B. animierte man Spots für Coca-Cola in China oder arbeitete an einer Kampagne für Kentucky Fried Chicken in den USA. 2016 betrat man erstmals die Bühne der Videospiele: Der über zehn Millionen Mal angeklickte
Zelda-Fanfilm „Majora’s Mask – Terrible Fate“ schaffte es sogar in die Schlagzeilen zahlreicher Spielewebseiten. Und das knapp 5-minütige Filmchen ist wirklich stark gemacht - seht ihn euch an, wenn ihr ein paar Minuten erübrigen könnt...
Nach der eindruckvollen Ankündigung hatte ich persönlich den Titel ein bisschen aus den Augen verloren. Irgendwann gab es einen Releasetermin, dann noch eine Mini-Verspätung - und, wow, nun ist da dieser Grafik-Hit, dieser Charmebolzen, dieses ausgewachsene Action-Adventure auf meiner PS5 und ich komme nicht umhin, richtig begeistert zu sein. Warum? Nun…
Diese Optik!
Einfach nur wow. Das Hauptdort des Spiels ist ein echter Sehnsuchtsort.
Kena: Bridge of Spirits ist natürlich bei weitem nicht so riesig wie
Horizon,
Valhalla oder
Tsushima, klatscht mir aber eine ähnlich prachtvolle, halboffene Fantasy-Welt auf die Mattscheibe, wie ich sie selten so schön gesehen habe. Irgendwo zwischen Auenland und Hyrule angesiedelt, erfreuen mich traumhafte Panoramen, tolle Wälder, windschiefe Hütten und malerische Flussläufe. Die Grafik hat einen leichten Cartoon- oder CGI-Touch, ist aber nicht so stilisiert wie in
Immortals Fenyx Rising - deshalb sieht Kena nochmal deutlich schicker aus als Ubisofts Zelda-Klon. Die gleichnamige Hauptfigur könnte dabei aus einem ausgewachsenen Animationsfilm entlaufen sein, auch die Rott, kleine niedliche Waldgeister, sind zauberhaft animiert und inszeniert. Überall gibt es Zuckerguss in der virtuellen Welt: Die Rott-Wesen wuseln zu Kenas Füßen umher, setzen sich auf Bänke oder hopsen in der Einrichtung herum, in Höhlen freut man sich über leuchtende Linien auf dunklem Fels, anderswo rauschen bei Aktivierung herrlich ausehende blaue Orbs durch die Spielwelt. Das Szenario ist manchmal düster, aber meist kann man diese virtuelle Land so richtig genießen: sich alle Winkel anschauen, durch die Wälder streifen, eine Mühle in Gang bringen, den wackligen Bretterweg in den Wipfeln erkunden oder durch kristallklares Wasser schwimmen.
Flankiert wird diese schöne, technisch extrem saubere Spielwelt von top Zwischensequenzen, in denen Kena zwar etwas blass bleibt, aber trotzdem Interessssantes und Rührendes passiert. Es geht um die Seelen verstorbener Menschen, um Freundschaft und das Loslassen, um den Zusammenhalt von Menschen, Waldwesen und Fantasiegestalten. Das ist selten originell, manchmal sogar ein bisschen kitschig, dabei aber auch immer herzig und gefühlvoll.
Die Nahkämpfe sind wuchtig inszeniert, das Trefferfeedback könnte aber satter sein.
Auf der PS5 freut man sich über zwei Grafikmodi: Fidelity (30 fps, natives 4K) und Performance (angepeilte 60 fps, hochskaliertes 4K). Und ganz ehrlich: Wenn ihr die Kiste zu Hause habt und euch damit gut fühlen wollt, dann gebt Kena eine Chance - so eine spektakuläre 3D-Grafik habe ich außerhalb der vier, fünf großen Sony-Hits selten gesehen. Gönnt ihr euch die PS4-Version, müsst ihr auf die Grafikmodi verzichten und ein paar Abstriche bei
Schärfe und Details hinnehmen - supergut sieht Kena aber auch auf der alten Hardware aus.