Was macht man da?
Doch sprechen wir auch mal über den Spielablauf: Viel mehr Action-Adventure-Sein als Kena geht kaum. Die toughe Dame spurtet und schlendert durch eine 3D-Welt, die unbedingt erkundet werden möchte - etliche Pfade sind anfangs verschlossen, werden im Spielverlauf aber zugänglich. Die Gebiete sind miteinander vernetzt, es gibt lineare Passagen, aber auch halboffene Bereiche. Gegner treten meist in Grüppchen auf und sind oft schon von weitem sichtbar - wenn rote Sphären in der Luft schweben, werden die Feinde dort ins Level gebeamt, wenn sich Kena dem Ort nähert. Außerdem gibt es reichlich Bossduelle, die in puncto Inszenierung einen Hauch Souls versprühen - viele Feinde wirken wie Waldschrate oder wütende Baum-Felsen-Wesen, besonders in der Nahaufnahme (Foto-Modus) oder der Zeitlupe (beim Pfeile-Schießen) sehen sie durch die Bank ausgesprochen cool aus. Außerdem hat es einige Kisten im Spiel, die rötlich schimmern: Wer an den Inhalt möchte, muss eine bestimmte Anzahl Gegner in kurzer Zeit plätten - das ist auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad mitunter knifflig.
Das Bogenschießen wird in der zweiten Spielhälfte immer wichtiger. Mit dem DualSense-Controller fühlt es sich noch besser an.
Zwischen den regelmäßigen, aber nie überhandnehmenden Kämpfen gibt es simple Klettereinlagen an optisch hervorgehobenen Kanten und so manche Hüpf-Passage. Ab dem zweiten Spieldrittel macht ein Kniff diese Abschnitte herausfordernder und spaßiger: Kena kann mit einer blauen Bombe herumliegende Steine so manipulieren, dass sie für eine Weile in der Luft schweben. Daraus ergeben sich gelungene Einlagen, die ein bissschen Köpfchen und Geschick verlangen. Kena setzt ihren Bogen nicht nur beim Kämpfen ein, sondern schießt auch gut verborgene Dinge ab oder nutzt ihn, wo blauen Blüten wachsen, für eine Art Spider-Man-Schwung, um große Distanzen zu überbrücken. Die Macher von Kena haben sich dabei an vielen bewährten Konzepten orieniert und kaum eigene geniale Einfälle gehabt - weil aber alles richtig gut funktioniert, verzeiht man ihnen das.
Man muss die Rott einfach gerne haben, wenn sie in Kenas Nähe herumtollen. Im Foto-Modus fängt man solche Szenen gerne ein.
Die süße Rasselbande der Rott (man sammelt im Spielverlauf immer mehr der knuffigen Kerlchen) hat einen wichtigen Stellenwert und wird vielfältig eingesetzt: An speziellen Wasserblüten kann man sie eine Art kleinen Wasserdrachen verwandeln und damit Feinde attackieren, Felder begrünen oder den schwarzen Schmodder beseitigen, der die Welt an vielen Stellen beschmutzt. Letzteres ist übrigens nicht sonderlich einfallsreich, schließlich musste man als Spieler schon so einige Welten von roten Dämonenranken, schwarzem Schlamm oder ähnlichem befreien. Dank der schönen Inszenierung hat man in Kena aber stets das Gefühl, der virtuellen Welt etwas Gutes zu tun. Und meist wird man auch noch mit kleinen Sammelgegenständen belohnt. Zurück zu den Rott: Mal lässt man sie umgefallene Statuen wieder aufstellen, mal sieht man ihnen einfach nur beim Herumtollen zu. An urigen Holzwagen darf man den Waldgeistern außerdem kleine Hüte kaufen und sie damit ausrichten. Das ist, ihr ahnt es, ziemlich süß.
Und die Schattenseite?
Die Klettermechanik funktioniert, ist aber nicht herausfordernd. Dafür wird man mit solchen Aussichten belohnt.
Kena ist nur zehn bis fünfzehn Stunden lang - das ist nicht schlimm, aber weil das ganze Unterfangen so rund, so unterhaltsam ist, hätte ich als Spieler auch gerne zwanzig Stunden dort verbracht und noch ein, zwei weitere Gebiete erkundet. Am schwächsten im Spiel sind meiner Meinung nach die Kämpfe: Denn die sind nur ordentlich bis gut. Sie kommen visuell wuchtig rüber, das Schlagen per Schultertasten fühlt sich aber nicht sehr kraftvoll an. Dazu kommt ein Kontertiming, das die Präzision anderer Titel dieser Güteklasse vermissen lässt. Gut fühlt sich dagegen die Pfeil- und Bogenmechanik an (auf PS5 dank adaptiven Triggern herrlich knarzig), auch aufgeladene Schüsse mit Rott-Power oder die Zeitlupenfunktion fügen sich super ein. Sobald im Spielverlauf die Bomben dazukamen, wurden die Auseinandersetzungen variabler und besser, trotzdem nervt es manchmal, dass man die Spezialfähigkeiten der Rott zu selten einsetzen kann oder einen Gegner von hinten erwischen. Und die nervigen Flugfeinde hätte ich auch nicht gebraucht. Trotzdem, und das möchte ich betonen, machen auch die Fights Laune und stellen einen angenehmen Gegenpart zum friedvollen Lustwandeln dar - das Überleben wird euch nämlich nicht auf dem Silbertablett serviert. Mäßig begabten Freizeitzockern muss dennoch nicht bang sein, auf dem niedrigsten Schwierigkeitsgrad ist alles locker machbar.