Test: Stellar Blade (Action-Adventure)

von Jonas Höger



Entwickler:
Release:
26.04.2024
Spielinfo Bilder  

Sex sells – auch in der Postapokalypse

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Schulterfrei und mit Highheels: Die meisten Outfits von Eve eignen sich eher für den Laufsteg als für das Schlachtfeld.
Ich habe es in der Einleitung bereits erwähnt, aber nachdem ich Stellar Blade nun getestet habe, möchte ich für die vergiftete Diskussion im Vorfeld Kontext liefern und erklären, was davon letztendlich für das Spiel selbst relevant ist. Eve wurde in den Debatten auf Social Media zu einer Gallionsfigur von Misogynisten degradiert, als Aushängeschild für „anti-woke“ Spiele, bei denen sich die Entwickler nun endlich wieder trauen, weibliche Spielcharaktere auch so richtig schön sexy zu designen, nachdem Feministinnen mit ihrem sagenhaften Einfluss in der Industrie Figuren wie Aloy (Horizon Zero Dawn) oder Abby (The Last of Us Part 2) erschaffen haben, die nur dazu dienen, der männlichen Spielerschaft so richtig schön eins auszuwischen. Das ist natürlich alles hanebüchener Humbug: Das Design von Eve hat nichts mit Politik zu tun, sondern beruht darauf, dass Game Director Hyung-Tae Kim eigenen Aussagen zufolge beim Spielen jemanden „idealisierten“ sehen möchte.

Deshalb habe man sich auch besonders viel Mühe damit gegeben, Eve einen wohlgeformten Hintern zu verpassen, wie er im Interview mit GamesRadar betonte: Entsprechend stand für das Design der Protagonistin das südkoreanische Model Shin Jae-eun Pate. In den sozialen Medien wurde dieser Umstand als Argument ins Feld geführt wird, dass die Kritik an der Übersexualisierung der Protagonistin Schwachsinn sei – schließlich habe man sich an einer echten Person orientiert. Nur dass direkte Vergleichsbilder zeigen, dass der Körper des Models offenbar nicht gut genug war und man Bereiche wie die Oberschenkel oder die Brüste dann doch nochmal ein bisschen angepasst hat; und damit sind wir dann auch bei der Darstellung Eves im Spiel angekommen.

Denn ja, der optimierte Körperbau der Elitesoldatin wird prominent in Szene gesetzt und das hautenge Outfit ist auch irgendwie schwer zu ignorieren, wenn einem das dort reingepresste Gesäß bei jedem Leiterklettern ins Gesicht gedrückt wird, Eve bei athletischen Sprungeinlagen die Beine spreizt und ihre Brüste wackeln, als wären sie mit Pudding gefüllt. Andere Frauen im Spiel, wie Tachy oder Raven, besitzen darüber hinaus nicht nur einen ähnlichen Körperbau, sondern wurden auch in die gleichen betonenden Outfits gesteckt – während die Männer sackartige Lederklamotten übergestülpt bekommen, an denen mehr Taschen und Gürtel hängen, als ein professioneller Handwerker je befüllen könnte. Ein Blick auf möglicherweise muskulöse oder anderweitig attraktive Körper wird so unmöglich – wozu auch, wenn sich die Zielgruppe dafür ohnehin nicht interessiert.

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Schon in den ersten fünf Minuten wird Eve im engen, hautfarbenen Anzug inklusive Explosionen im Hintergrund und Zeitlupe in Szene gesetzt.
Das Problem an Eves extremer Sexualisierung ist jedoch vor allem ihre Kontextlosigkeit, auch im Vergleich zu anderen anziehend gestalteten Videospielheldinnen wie beispielsweise Bayonetta. Die Nintendo-Hexe spielt mit ihrem Sex-Appeal, ist sich dessen bewusst und hat zu jeder Zeit die Kontrolle darüber, sie wird in ihren Spielen nicht unkommentiert übersexualisiert dargestellt und ist auch kein bloßes Eye-Candy für den Spieler. Bayonetta besitzt Handlungsmacht und ihre Attraktivität und ihr Verhalten dienen einem Zweck, es handelt sich um Charaktereigenschaften der Figur – ganz im Gegensatz zu Eve, die in ihrer Eindimensionalität keinerlei Verbindung dazu hat und ganz offensichtlich nur designt wurde, um dem Spieler zu gefallen. Ein Makel, der beim Spielen durchaus genauso ins Auge sticht wie das im Raumanzug glänzende Hinterteil des Hauptcharakters.

Kabinett des Grauens

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Die Naytibas scheinen den wildesten Albträumen von bekannten Horror-Meistern entstiegen zu sein. Ein wahres Fest!
Wo wir schon beim Thema Design sind: Abseits des menschlich aussehenden Trios haben die Künstler in Stellar Blade ganze Arbeit geleistet. Die Bewohner Xions, deren Körper halb aus Haut und halb aus Maschinenteilen zu bestehen scheinen, schmiegen sich hervorragend ins postapokalyptische Zukunftssetting und fangen die Prämisse eines Cyborgs perfekt ein. Noch beeindruckender sind dagegen die Naytibas: Schon die kleinen Vertreter dieser rätselhaften Spezies haben etwas Außerweltliches an sich und wirken trotz der unzähligen existierenden Videospielmonster noch wie frisches Feindesfutter. Gerade bei den größeren Gegnern und den Bossen haben sich die Verantwortlichen aber selbst übertroffen: Klaffende Zahnschluchten im Gesicht, fleischige Kreissägen als Köpfe und Fusionen aus Leichenteilen und Puppenkörpern materialisieren sich zu Albträumen, die durch ihre bloße Präsenz für Gänsehaut sorgen.

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Nicht immer ist die Lichtstimmung so beeindruckend, aber manchmal lohnt es sich, stehenzubleiben und die Landschaft zu genießen.
Auch sonst kann sich Stellar Blade durchaus sehen lassen: Abgesehen von der ein oder anderen verwaschenen Felstextur ist das Spiel grafisch mehr als ansprechend und macht eine gute Figur auf der PlayStation 5. Mitsamt einer schicken Lichtstimmung, egal ob bei gebündelten Sonnenstrahlen in verwilderten Ruinen oder beim Durchkämmen der Wüste, sowie einem dynamischen HUD, das beim Herumlaufen verschwindet, wird das postapokalyptische Abenteuer herrlich immersiv. Von den drei Modi, bei denen ihr zwischen Grafik, Bildrate und Ausgeglichen wählen könnt, schafft der letzte den Spagat überraschend erfreulich und sorgt für ein flüssiges Erlebnis mit ansehnlicher Grafik.

Vom Orchester zum DJ-Pult

Auch musikalisch ist Stellar Blade übrigens ziemlich breit aufgestellt: Gefühlvolle Hymnen wechseln sich mit dynamischen Hintergrundmelodien ab, in stressigeren Situationen ertönt aber auch gerne schon mal härtere Elektronikmusik, die bisweilen in Richtung Dubstep schwappt. Nicht jeder Song ist ein Hit, aber jeder Hit ist ein Treffer – und dafür ist auch Keiichi Okabe verantwortlich, der den meisten Soundtrack-Enthusiasten wohl von NieR: Automata bekannt sein dürfte. In Stellar Blade zaubert er mit dem Studio Monaca abermals sehr ergreifende Songs aus den Lautsprechern, die natürlich erneut Erinnerungen an Yoko Taros philosophisches Werk wecken.

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Dieser liebenswerte Kollege kann euch bei der Kaufentscheidung leider nicht helfen. Er freut sich aber genau wie wir über den fehlenden Vorabzugang, der in vielen Spielen Usus geworden zu sein scheint.
Wenn das wie Musik in euren Ohren klingt, dann könnt ihr in der Gratis-Demo schon jetzt eine auditive Kostprobe genießen – die volle Ladung gibt es dann ab dem 26. April, wenn Stellar Blade exklusiv für die PlayStation 5 erscheint. Fällig werden 79,99 Euro, für zehn mehr erhaltet ihr die Digital Deluxe Edition, die einige ausschließlich digitale Goodies im Gepäck hat. Darunter: Einige Outfits und Accessoires für Eve, Adam, Lily und die Drohne sowie 2.000 FP-Erfahrung und 5.000 Gold. Bestellt ihr das Spiel vor, bekommt ihr außerdem ein Outfit und zwei Accessoires dazu, einen Vorabzugang gibt es nicht.

Kommentare

sabienchen.unBanned schrieb am
Cytasis hat geschrieben: ?05.05.2024 22:28 Mir gehts da auch mehr um den realismus, das kommt irgendwie gar nicht natürlich rüber für mich. Ich hab nix gegen wackeln, aber wenn dann wenigstens wie bei einer echten Frau (mal, und nicht bei jeder Bewegung, als ob man nur aus Pudding besteht).
Ich sag s mal so.
Ich mag es wenn sich an meinem Spielcharakter einiges rumbewegt.
Das kann das Haar, irgendwelche Accessoires oder die Arschbacken sein... am Besten alles*. ...^.^''
Beim Bärenoutfit wackeln bspw. die Ohren mit. :heart_eyes:
Spoiler
Show
oder aus anderen Spielen.
elden ring habe ich viel im "Nachthemd" gespielt

und in Rise of the Ronin habe ich ein Outfit, bei dem ein Ärmel am Rücken flattert. :)

oder Nioh 2 mit nem flatterndem "Cape" ..^.^''
und wenn ich "Realismus" oder was ernsthaftes will, dann ist "Brawler", bzw. "Character Action Game" nicht zwingend das am besten passendste Genre. ... vor allem bei der Prämisse eine "Weltraumfrau" zu spielen, die sich ihre Waffe aus dem Haar zieht. :)
//Nachtrag... bevor das missverstanden wird... nein ich will keine jiggle-physics in jedem spiel.. und vor allem nicht so "comicartige". Und ja, um eine zuvor aufgekommene frage aufzubringen, wegen mir kann es auch das Bauchfett einer adipösen Spielfigur sein. Primär spiel ich Videospiele sowieso für s Gameplay, wobei mir eye candy schon auch wichtig sein kann. Story und Charactere sind mir dagegen bei gameplayfokussierten Spielen relativ egal.
-> Wobei Stellar Blade in meinen Augen ne recht gute story hat, und weniger Nier Klon ist, als es es "oberflächlich" wirkt.
lAmbdA schrieb am
NoBoJoe hat geschrieben: ?05.05.2024 18:42
lAmbdA hat geschrieben: ?05.05.2024 16:42
NoBoJoe hat geschrieben: ?05.05.2024 15:46 Schon komisch. Für mich ist das mit zweierlei Maß messen. Und ich würde zu gern wissen, was passiert wäre, wenn Eve auch noch einen bayonettaähnlichen Charakter verpasst bekommen hätte.
Für mich ist der Unterschied, dass bei Bayonetta das ganze Konzept darauf ausgelegt ist.
...
Ich versteh da extreme Anstrengungen nicht um zu rechtfertigen, warum Eve genau so ausehen muss, da es zum Game passt oder dass das ja garnicht sexualisiert ist, bspw. weil sie ja auf einem Modell "basiert" (nur der Körper, wohl gemerkt!), Aber letztendlich ist es mir da einfach ein wenig zu offensichtlich, bei dem, was da zu sehen ist um mich in Haarspaltereien zu verfangen. Wer das nicht sieht, will es nicht sehen.
Feier da ein wenig sabienchen.
...
Ich verstehe die Anstrengungen der Kritiker nicht. Ich sage es nochmal, jegliche Charaktere waren bisher okay. Hetero, schwul, alle dazwischen und außerhalb (sorry Jan) Mann, Frau, übertrieben maskulin, übertrieben feminin. Aber bei Eve ist eine Grenze überschritten? Weil es nicht Teil der Geschichte ist? Weil sie einer echt existierenden Frau nachempfunden wurde?
Sorry für die letzten beiden Paragraphen. Ich hab mich da etwas in Rage geschrieben und auch wenn es sich wie ein Antwort auf deinen Kommentar liest, war es nicht so gemeint. Ich wollte eigentlich nur kurz eine Perspektive für Bayonetta anbieten, der rest ist unspezifisch ins Internet gebrüllt.
Cytasis schrieb am
Pingu hat geschrieben: ?05.05.2024 15:24
NoBoJoe hat geschrieben: ?05.05.2024 15:19 Ich liebe Bayonetta als Charakter. Aber Eve als "übersexualisierten Charakter" zu empfinden, nur weil beim gehen ein wenig was mitwippt, finde ich arg übertrienen. Bayonetta ist um Längen schlimmer. Und da hat keiner gemeckert...
Man könnte aber auch sagen, dass Bayonetta damit spielt und es eben zum Charakter gehört. Bei Eve erfüllt es dann keinen Zweck und ist nur für den Zuschauer, damit der das geil finden kann.
Was, wie geschrieben, ja nichtmal wirklich realistisch aussieht. Keine Frau wackelt so übertrieben (auch nicht beim Sport) :Blauesauge:
Mir gehts da auch mehr um den realismus, das kommt irgendwie gar nicht natürlich rüber für mich. Ich hab nix gegen wackeln, aber wenn dann wenigstens wie bei einer echten Frau (mal, und nicht bei jeder Bewegung, als ob man nur aus Pudding besteht).
Kidoh schrieb am
Ich werd jetzt hier nicht anfangen die ganzen Zusammenhaenge zu erklaeren.
Das wirkt dann nur arrogant oder so und wird sowieso nicht fuer voll genommen.
Ich wuerd nur wirklich gern anregen sich mal die Zeit zu nehmen und wenigstens ein bisschen darueber nachzulesen was Sexismus bedeutet und wie es darum leider in unserer Gesellschaft und ueberall sonst in der Welt steht und was es da fuer Zusammenhaenge auch im Videospielebereich gibt.
NoBoJoe schrieb am
Kidoh hat geschrieben: ?05.05.2024 18:46
NoBoJoe hat geschrieben: ?05.05.2024 15:46
Es ist schon wunderlich. Ich als 0815 hetero Mann spiele mit völlig übertrieben dargestellten Männern. Die besser aussehen als ich, stärker sind als ich, eloquenter sind als ich, Sachen können, die ich nicht kann... und ich denke mir nicht: UNFAIR, diese Charaktere lassen mich in schlechtem Licht erscheinen und bringen mein Ego zur inneren Kernschmelze. Ich spiele einfach.
Kaum erscheint ein Spiel mit einer hübschen Frau, flippen Menschen aus und hängen Schilder wie "übersexualisiert", "für pubertierende Nerds" und was nicht noch alles dran.
Du bist ja auch ein Mann und Maenner haben in unserer Gesellschaft viel weniger unter Sexismus zu leiden und haben viel weniger Benachteiligungen, als Frauen. Daher funktioniert dein Vergleich hier meiner Meinung nach nicht.
Ich finde den Vergleich sehr passend. Eve stellt immerhin eine starke Frau dar. Kein stereotypes Sex-Püppchen. Wo ist es Sexismus eine Frau, die hübsch ist, als Heldin einer Geschichte darzustellen? Was genau darf sie jetzt nicht sein? Hübsch? Stark? Oder die Heldin der Geschichte? Wäre hässlich und Heldin okay? Warum? Weil hübsche Frauen keine Helden sein können? Das ergibt sowas von keinen Sinn.
schrieb am