Brettspiel-Test: Twilight Imperium (4X-Strategie)

von Jörg Luibl



Spielinfo Bilder  
Forschung in vier Farben

Um nicht ins Hintertreffen zu geraten, sollte man nicht nur produzieren, sondern auch fleißig forschen. Hier greift ein logisches Farbenprinzip mit Technologien, die aufeinander aufbauen: Man zieht Forschungskarten, auf denen rechts unten grüne, gelbe, rote oder blaue Symbole zu erkennen sind. Man legt sie offen aus und kann daraufhin weitere Karten anlegen, falls die bestehenden genug farbige Symbole für die neue Technologie ergeben. Schön ist, dass auch kolonisierte Planeten etwas dazu beitragen können, denn auch sie liefern Farbsymbole. Und schließlich ist die Aufrüstung bestehender Technologie gut gelöst: Man platziert die Karte des Zerstörers der zweiten Stufe einfach direkt auf den Zerstörer seines Fraktionsbogens, der noch die erste Stufe anzeigt. Wer die Fraktion des Nekro-Virus oder die Universitäten von Jol-Nar spielt, bekommt weitere Vorteile in diesem Bereich.

Es wird
Das eigene Imperium wächst, indem man Planeten kolonisiert.
Zwar ist die Wirtschaft und der Handel keine große Stärke von Twilight Imperium: Es gibt ja nur zwei Rohstoffe, keine Produktionsketten oder gar Import und Export mit Waren und Preisanpassungen wie in Merchant of Venus, aber zumindest gibt es Handelswaren und Massenprodukte - das sind quasi zwei Seiten eines Markers.

Erstere kann man als Ersatz für die beiden Rohstoffe ausgeben, als Bezahlung bzw. Verbrauch während einer Aufgabe oder man kann sie mit anderen Spielern tauschen; dann verwandelt man ein eigenes Massenprodukt quasi bei der Übergabe in eine Handelsware. Aber auch hier gibt es sinnvolle Begrenzungen, so dass man nicht damit um sich werfen kann. Dafür gibt es schließlich Laser, Raketen & Co. Wie funktioniert also der Kampf?

Im Angesicht der Kampfwürfel

Von oben sieht alles nach Ordnung aus.
Von oben sieht alles nach Ordnung aus.
Twilight Imperium inszeniert Kämpfe in der Luft und am Boden mit zehnseitigen Würfeln, wobei einige nette Abwehrmechaniken wie Jäger oder Raumkanonen dafür sorgen, dass man sich im Vorfeld defensiv schützen und im Falle einer klaren Unterlegenheit auch ohne Aufreibung der ganzen Flotte zurückziehen kann. Im Raumkampf feuert dann jedes Schiff einzeln, wobei es seinen Kampfwert erreichen muss: Ein Kreuzer der Emirate von Hacan muss z.B. mindestens eine Sieben, ein Jäger sogar eine Neun erreichen, um zu treffen - je höher die Stufe der Schiffe, desto eher treffen sie; manche Schiffe dürfen dann sogar mehrmals feuern. Haben alle Spieler einzeln gefeuert, stellt man die Würfel nebeneinander und weist die Treffer zu. Dabei dürfen die Getroffenen selbst entscheiden, welche Schiffe sie zerstören - so kann man erstmal seine schwächsten Schiffe opfern.

Der Bodenkampf funktioniert ähnlich, nur dass man vor der Landung aus der Luft bombardieren darf oder selbst von stationierten Kanonen getroffen wird. Haben danach Einheiten überlebt, geht es mit demselben Kampfwürfelprinzip in die Schlacht, bis ein Spieler die Kontrolle des Planeten übernimmt. Obwohl Twilight Imperium schon so über die ersten Stunden richtig Laune machen kann, wird das Spielgefühl nochmal ergänzt, wenn jemand das Zentrum der Galaxie erobert, indem er sechs Einfluss ausgibt und den Planeten Mecatol Rex mit Bodentruppen für sich beansprucht - das ergibt nicht nur einen Siegpunkt, sondern leitete die neue Agendaphase ein.

Gesetze und Verträge

Cool: Die verfügen über ein Portal statt einer Heimatwelt.
Cool: Die Geister von Creuss verfügen über ein Portal statt einer Heimatwelt.
Damit kommen wir zurück zum Beginn dieses Tests: Denn jetzt wird der Galaktische Rat aus allen Spielern etabliert, der per Abstimmung über bis zu zwei von 50 Gesetzen entscheiden kann, die sich auf alle oder auch nur einen auswirken. Schön ist, dass jede zufällig gezogene Agenda auch Alternativen anbietet, je nachdem ob man sie annimmt oder ablehnt: Das "Durchreiseverbot" sorgt bei der Annahme dafür, dass Wurmlöcher keinen Effekt haben, während es bei der Ablehnung alle PVS-Geschütze in Wurmlöchern sowie angrenzenden Systemen zerstört. Die "Prophezeiung von Ixth" sorgt bei der Annahme dafür, dass ein gewählter Spieler auf seine Kampfwürfe plus eins addieren kann - hinzu kommen Gesetze, die die Produktion eines Planeten, die Siegpunkte oder Technologie beeinflussen. All das ist nicht spielentscheidend, aber kann für nützliche Vorteile sorgen.

Aber die Wahl eines Gesetzes funktioniert nicht komplett ausgeglichen - die eigene Macht ist relevant: Denn man hat als Fraktion nicht nur eine Stimme, sondern kann beliebig viele seiner kolonisierten Planeten erschöpfen, um deren Einflusspunkte einzusetzen und zu sagen: Ich stimme mit vier Stimmen dafür! Oder was hast du mir zu bieten, dass ich es nicht tue? In dieser Phase darf man auch tauschen oder etwas versprechen, aber nur eine Transaktion pro Spieler abwickeln. Das kann man alles mündlich machen, sich auch verraten, aber zu den fortgeschrittenen Regeln gehören auch 41 schriftliche Verträge. Aus einem Vorrat an Karten kann man sich dann auf eine verpflichtende Kooperation einigen. Dabei geht es quasi um Bonuseffekte mit Farbkodierung - die sich teilweise gegen andere richten: Die "Waffenruhe" sorgt z.B. dafür, dass der gelbe Spieler nach der Aktivierung eines Systems keine Einheiten dorthin bewegen darf - damit kann er nicht angreifen. Mit "Handels-Abkommen" erhält man alle Massenprodukte des lila Spielers, sobald er seine Vorräte auffüllt.

Auch zu dritt oder viert empfehlenswert

Es kann in einem System schonmal eng werden: Dann kann man Miniaturen mit Markern ersetzen.
Es kann in einem System schonmal eng werden: Dann kann man Miniaturen mit Markern ersetzen.
Natürlich kann man auch nur die Waffen sprechen lassen! Aber im Gegensatz zu Eclipse, das sich eher militärisch fokussiert, kann hier mit der richtigen Gruppe ein sehr offenes Spiel mit toller Diplomatie en detail entstehen. Natürlich dauert es länger, je mehr teilnehmen - mit sechs Leuten solltet ihr zwei oder drei Tage mit Sitzungen zu je drei bis fünf Stunden einplanen. Aber keine Angst vor einem Spiel zu dritt oder viert: Zum einen funktioniert das ebenso gut mit dem Ziehen von zwei Strategiekarten, zum anderen kann man mit etwas Erfahrung schon in drei bis vier Stunden durch sein. Auch der Wiederspielwert ist dank der 17 Fraktionen und der Aufträge, Gesetze oder Technologien sehr hoch, die man in einem Durchgang ja nicht alle aktiviert. Zudem ist die Produktionsqualität für ein Brettspiel eine sehr gute, auch wenn ich mir je nach Volk noch markantere Raumschiffminiaturen gewünscht hätte.

Fazit

Dass die Zeit der beste Kritiker ist, zeigt sich auch in der Welt der Brettspiele. Denn Twilight Imperium gehört in seiner vierten Edition zum Besten, was die 4X-Strategie zu bieten hat. Auch wenn der Handel nicht so ausgefeilt ist wie in Merchant of Venus und in Eclipse flotter gekämpft wird, besticht das vor über zwanzig Jahren (!) von Christian T. Petersen konzipierte und über vier Editionen deutlich verbesserte Spiel in den Bereichen der Aktionsvielfalt, Technologie, Eroberung und vor allem der Diplomatie. Ihr wollt Kommunikation, Bluffs und Intrigen? Ihr wollt langfristig planen? Dann seid ihr hier richtig. Man braucht zwar eine Gruppe geduldiger Spieler, im Idealfall welche mit Hang zum Rollenspiel, die auch mal über zwei, drei Sitzungen mitmachen. Aber dann steigt der Spaß proportional mit dem "ernsten" Einsatz der Außenpolitik über Verträge & Co., während sich der Tisch in einen bunten, hart umkämpften Weltraum verwandelt, der vor Raumwerften, Jägern, Kreuzern, Portalen und Schlachtschiffen überquillt. Ihr wollt keine abstrakte Schlichtheit, sondern einen Aufbau mit Planeten, Miniaturen und Karten in XXL? Mit vielen Völkern, tollem Artdesign und einer ausgearbeiteten Welt? Dann öffnet dieses Box, teleportiert Freunde herbei und habt futuristischen Spaß für viele Stunden. Twilight Imperium ist ein episches Biest von einem Brettspiel, das nicht nur aufgrund seiner 17 Fraktionen einen hohen Wiederspielwert besitzt und in dieser vierten Edition angenehm entschlackt und erstmals ins Deutsche übersetzt wurde.

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir haben keine Zeit für Verrisse. Das ist zunächst ein Angebot, das wir euch zusätzlich bieten. Deshalb konzentrieren wir uns auf die empfehlenswerten Vertreter und die kreativen Geheimtipps, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

Weitere
Brettspieltests im Archiv!

Kommentare

Piekäj schrieb am
Im November kam ja eine riesige Erweiterung, die dieses grandiose Spiel noch besser machen:
  • Jede Fraktion bekommt Mechs mit fraktionsspezifischen Eigenschaften
  • Jede Fraktion kann verschiedene Anführer freischalten, die den einzelnen Fraktionen noch mehr eigenes Profil verleihen
  • Entdeckungskarten-Decks (machen aus einem 3X-Spiel ein 3,5X-Spiel), macht das Erkunden und Ausbreiten interessanter
  • Nochmal 7 neue Fraktionen
  • Neue Systemtafeln
  • Spielermaterial für 2 weitere Spieler für besonders epische Runden :D
  • Neue Agendas, Aufträge, Aktionskarten
  • Zwei neue allgemeine Technologien
Ich freue mich schon auf die nächste Partie, wenn es denn mal wieder möglich sein wird :)
M_Coaster schrieb am
Wir haben alle Silberzungen. Ich rede von aufgebaut und zu dritt! Dazu TW4, bei dem das Spiel entschlankt wurde. Wir spielen alle sehr viel und sind entsprechend eingespielt. Da reichen 3 Stunden, davon fällt die meiste Zeit auf Politik.
Hühnermensch schrieb am
FlyingDutch hat geschrieben: ?31.01.2020 13:11 Und jegliches Meta-Gaming wie Diskussionen und Verhandlungen müsste auf ein absolutes Minimum reduziert werden. Ist in den Gruppen in denen ich spiele nicht vorstellbar. Bei uns kann sich das auch mal bis zu 10 Stunden ziehen und das führt leider dazu, dass es meist im Regal liegen bleibt und andere Spiele vorgezogen werden.
Gerade das Verhandeln so ab der dritten Runde macht doch den Reiz, wenn sich langsam Grenzkonflikte anbahnen und mein sein (Lügen)Netzwerk aufbaut, um sich einen temporären Vorteil zu verschaffen.
Genauso in der Agenda-Phase, wenn es darum geht, unbedingt eine galaxisweite Verkleinerung der Flotte zu bewirken, damit Spieler X möglichst viele seiner Schlachtschiffe entfernen muss.
Hach, es wird mal wieder Zeit. ^^
FlyingDutch schrieb am
Hühnermensch hat geschrieben: ?18.11.2019 17:04
M_Coaster hat geschrieben: ?18.11.2019 16:55 Erstens kann man mit etwas Erfahrung TI4 an einem Abend recht zügig spielen. Man kann bei 3 Spielern (was nicht ganz optimal ist) durchaus in 3 Stunden durch sein.
3 Stunden? 8O Inklusive Aufbau? Da muss jeder Spieler aber echt immer genau wissen, was er tut und jede Agenda-Phase flugs vorbei sein.
Und jegliches Meta-Gaming wie Diskussionen und Verhandlungen müsste auf ein absolutes Minimum reduziert werden. Ist in den Gruppen in denen ich spiele nicht vorstellbar. Bei uns kann sich das auch mal bis zu 10 Stunden ziehen und das führt leider dazu, dass es meist im Regal liegen bleibt und andere Spiele vorgezogen werden.
Auf der anderen Seite habe ich etwas, wo ich mich mit meiner Alten-Säcke-Gang in der Rente beschäftigen kann :)
Tante Edith sagt mir gerade, dass dieser Thread ja schon lange tot ist :(
Hühnermensch schrieb am
M_Coaster hat geschrieben: ?18.11.2019 16:55 Erstens kann man mit etwas Erfahrung TI4 an einem Abend recht zügig spielen. Man kann bei 3 Spielern (was nicht ganz optimal ist) durchaus in 3 Stunden durch sein.
3 Stunden? 8O Inklusive Aufbau? Da muss jeder Spieler aber echt immer genau wissen, was er tut und jede Agenda-Phase flugs vorbei sein.
schrieb am